Essen. . Am Tag nach der Landtagswahl schlägt die Stunde der Zahlendeuter. Und die Analyse des Wahlamtes verdeutlicht das ganze Ausmaß von Sieg und Niederlage. Die CDU büßt im Vergleich zur Wahl 2010 in allen 49 Wahlbezirken Stimmen ein. Die SPD erreicht 45 Prozent und profitiert dabei von der Schwäche der CDU. Und: Viele Wähler treffen ihre Wahlentscheidung strategisch.

Essen sieht rot. Ganz Essen? Nein, zwei von Unbeugsamen bevölkerte Wahlbezirke verteidigen sich gegen die Übermacht. Ob sich die Christdemokraten in Bredeney und Schuir nach diesem auch für sie so bitteren Wahlsonntag so fühlen mögen wie Asterix und seine gallischen Freunde?

Der Blick auf die Grafik, die das Wahlamt am Montag veröffentlichte, legt diesen Verdacht zumindest nahe. Bis auf die beiden Wahlbezirke im Essener Süden ist das gesamte Stadtgebiet in rot getaucht. „Imperium Sozialdemokratium“, um mit Asterix zu sprechen.

Wie aber ist diese eindeutige Ergebnis zu erklären? Am Tag nach der Wahl schlägt die Stunde der Zahlendeuter. Und die Analyse des Wahlamtes verdeutlicht das ganze Ausmaß von Sieg und Niederlage. Die CDU büßt im Vergleich zur Wahl 2010 in allen 49 Wahlbezirken Stimmen ein, die meisten in ihren Hochburgen Bredeney (- 17,6 %) und Schuir (- 13,9 %). Auch wenn es dort noch für eine Mehrheit reicht, bestätigt das Ergebnis den stadtweiten Trend: Überall wo die CDU traditionell stark ist, verliert sie zweistellig. Aber das hat es noch nicht gegeben: In Rüttenscheid und im Südviertel fallen die Christdemokraten sogar hinter die Grünen zurück.

Die Sozialdemokraten hingegen legen in fast allen Wahlbezirken zu, mit Ausnahme der Innenstadt (- 2,6 %) und von Karnap (- 0,3 %), was nicht weiter ins Gewicht fällt. Die meisten Stimmen hinzu gewinnt die SPD im Süden - in Kupferdreh (+ 7,7 %), Haarzopf (+ 7,4 %) und Byfang (+ 7,1 %), dort wo sonst mehrheitlich „schwarz“ gewählt wird.

Nicht, dass die SPD mehr Stammwähler mobilisiert hätte. Die Wahlbeteiligung lag stadtweit mit 58,8 Prozent exakt auf dem Niveau von 2010, auch diesmal gingen im Süden der mehr Wähler an die Urnen als im Norden.

Mit Strategie wählen

Die SPD erreicht 45 Prozent und profitiert dabei von der Schwäche der CDU. Und: Viele Wähler treffen ihre Wahlentscheidung strategisch, in dem sie Erst- und Zweitstimme auf verschiedene Parteien verteilen. 30.619 Wahlberechtigte nutzen diese Möglichkeit gegenüber 23.614 bei der Wahl 2010. Zugute kommt dies vor allem der FDP. In Bredeney holen die Liberalen sagenhafte 23,2 Prozent. „Was die CDU verloren hat, ist rübergewandert“, so Wahlamtsleiterin Barbara Erbslöh.

Und die anderen? Am Wahlabend zeigte die Piratenpartei lieber Flagge in Düsseldorf. Doch auch in Essen dürfen sich die selbst ernannten Freibeuter zu den Sieger zählen. 7,8 Prozent der Stimmen holten sie zwischen Karnap und Kettwig. Wer aber machte sein Kreuz bei den Piraten. Die Analyse des Wahlamtes lässt Rückschlüsse zu.

Piratenfreunde im Stadtzentrum

Die meisten Stimmen gewann die Piratenpartei demnach im Stadtzentrum (10,3 %) und den angrenzenden Stadtteilen, im Ostviertel (12,3 %), im Nordviertel (11,7 %), im Westviertel (10,8 %), aber auch in Altendorf (10,9 %) und in Bergeborbeck (10,2 %). In Stadtvierteln also, wo eher die weniger gut betuchten Bürger dieser Stadt zu Hause sind. Ja, im Norden schneiden die Piraten bei dieser Wahl mit Ergebnissen zwischen 7,8 und 9,9 Prozent durchweg besser ab als im Süden der Stadt, wo sie zwischen 4,5 und 7,7 Prozent der Zweitstimmen erringen.

Die Piraten, eine Partei der Besserverdiener und besser Gebildeten? Diese Rechnung scheint nicht aufzugehen.

Aussagekräftiger wird das Wahlergebnis, setzt man es ins Verhältnis zum Abschneiden der Linkspartei.

Ergebnisse der Linken

Die Linke schmiert auch in Essen ab, erreicht gerade noch 2,9 Prozent der Zweitstimmen. Dort, wo die Linke besonders stark verliert, sind die Piraten besonders erfolgreich. „Möglicherweise haben Wähler, die noch 2010 der Linkspartei zum Einzug in den Landtag verholfen haben, diesmal den Piraten eine Chance gegeben“, analysiert Wahlamtsleiterin Barbara Erbslöh. Dies würde bedeuten, dass die Piraten die Linke als Protestpartei abgelöst hätten. Ob sich dieser Trend bestätigt, dürfte sich bei den kommenden Wahlen zeigen.

Dagegen haben die Grünen ihre Position als drittstärkste politische Kraft in dieser Stadt nach SPD und CDU bei der Landtagswahl untermauert, wobei sie im Südviertel (19,1 %) und in Rüttenscheid (19,9 % ) die Christdemokraten sogar überflügeln konnten. Gewinne und Verluste bewegen sich für die Grünen in den 49 Stadtteilen sonst zwischen -1,7 und + 1,8 Prozentpunkten.

Zwölf Prozent der Zweitstimmen waren es am Ende stadtweit - das sind etwas mehr als der Landesschnitt und exakt das Ergebnis von 2010.