Essen. . Von „Unverständlich und ungeschickt“ über „Einfach nur schäbig“ bis hin zu „Nicht für dieses Amt geeignet“ reichen die Meinungen zu Christian Wulffs Verhalten in der Essener Innenstadt. Doch einige Bürger zeigen auch Verständnis, sehen den Bundespräsidenten einem enormen Druck ausgesetzt.

Schon vor dem Jahreswechsel war die Situation für Bundespräsident Christian Wulff alles andere als entspannt. Nun wird sie langsam kritisch, nachdem bekannt worden ist, dass Wulff offensichtlich die Berichterstattung über seine Kredit-Affäre zu verhindern versuchte. Wie stehen Essener Bürger zu den neuen Vorwürfen, und wie beurteilen sie das Verhalten des Staatsoberhauptes? Wir haben uns in Essen umgehört.

„Er muss gehen“ - diese erste Reaktion rutscht vielen Passanten heraus, sobald sie den Namen des Bundespräsidenten hören. Einig sind sich die meisten der befragten Essener, dass Christian Wulff sein Amt besser niederlegen sollte. „Wer so handelt, ist für das Amt des Bundespräsidenten nicht geeignet“, findet André Falk. Ein Rücktritt noch in dieser Woche würde den Essener nicht überraschen: „Das sind noch fünf Tage, wer weiß, was da noch alles auftaucht.“

Ein Rücktritt Wulffs wird kaum gefordert

Ein Rücktritt des Staatsoberhauptes? „Das wäre schlecht“, ist sich Hanna Hache sicher, dass es dem Amt schaden würde, „dann hätten wir nach nur etwas mehr als anderthalb Jahren schon wieder einen neuen Bundespräsidenten.“ Die junge Frau sieht die immer neuen Vorwürfe kritisch: „Da wird etwas ganz schön groß gemacht, weil einfach das Amt hinter der Person gesehen wird und nicht der einfache Mensch Wulff, der Fehler gemacht hat.“

Ähnlich geht es auch Jannis Hedwig: „Jeder Mensch macht Fehler. Das ist keine Entschuldigung für das Verhalten des Bundespräsidenten, aber wem wäre denn durch einen Rücktritt Wulffs geholfen?“ Der Essener glaubt, dass Christian Wulff kein Einzelfall sei. „Da haben viele keine weiße Weste, aber wenn Wulff jetzt im Amt bleiben will, muss er schon einen super Job machen.“ Ein Bundespräsident, der günstige Kredite annimmt und die Medien zu beeinflussen versucht - für Jörg Mettenmeyer spiegelt dies die aktuelle Politik wider: „Das zeigt doch nur das Selbstverständnis der Politiker. Christian Wulff ist definitiv nicht der Einzige, der so handelt.“ Der Essener möchte nicht, dass Christian Wulff ungestraft davon kommt, ist sich aber auch sicher: „Ein Rücktritt schadet Herrn Wulff doch am wenigsten.“

Kritik an Wulffs Zurückhaltung

Sabrina Uhr sieht das Handeln Christian Wulffs in der Relation zu anderen Politikern: „Da gibt es doch ganz andere, die viel schlimmere Sachen gemacht haben und die sind auch längst nicht alle zurückgetreten.“ Einig ist sie sich mit ihrer Freundin Christine Boeni jedoch darin, dass der Bundespräsident schon viel früher auf die Vorwürfe hätte reagieren müssen: „Das ist jetzt schon sehr unglücklich.“

Dass Christian Wulff spätestens jetzt alle Karten offen legen sollte, sieht auch Elisabeth Anker so. Der Essenerin geht es wie den meisten Befragten: Ein Rücktritt Wulffs sei nicht mehr abzuwenden. „Wer so mit der Wahrheit umgeht, der muss auch die Konsequenzen tragen.“ Katrin Kalnius geht noch einen Schritt weiter: „Für mich stellt sich spätestens jetzt die Frage, ob wir das Amt des Bundespräsidenten überhaupt noch brauchen.“

Die kleine Umfrage in Essen zeigt: Der Rückhalt für den Bundespräsidenten schwindet, auch wenn offensichtlich kaum ein Bürger davon ausgeht, dass Christian Wulff mit seinem Verhalten ein Einzelfall ist.