Was das Weltkulturerbe Zollverein seinen Nachbarn bringt
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Essen. Was bringt das Weltkulturerbe seinen direkten Nachbarn? Seit Metropolenforscher Bernhard Butzin erklärt hat, Zollverein habe der Lokalbevölkerung „nichts gebracht außer zu teurem Cappuccino“, ist eine alte Debatte neu entbrannt. Ein Rundgang in der Umgebung der Zeche hinterlässt gemischte Gefühle.
14 Monate nach dem Ende der Kulturhauptstadt sitzt Gastronom Dayaram Poudal (48) in seinem Restaurant „Il Punto“ am Fenster und blickt auf das berühmte Fördergerüst der Zeche Zollverein. „Il Punto“ liegt gleich gegenüber vom Haupteingang an der Gelsenkirchener Straße. „Wenn die Zeche nicht wäre, könnte ich hier nicht überleben“, sagt Poudal. Seit dem Kulturhauptstadtjahr sei „hier deutlich mehr los als früher, vor allem, wenn es warm ist“. Erst im letzten Herbst ist ein Rundweg ums Zechen-Areal eingeweiht worden, der Radfahrer wie Spaziergänger zu Tausenden anzieht; „davon profitieren wir richtig gut“, sagt Poudal.
Was bringt Zollverein seinen Nachbarn? Seit der Metropolenforscher Bernhard Butzin Ende Februar erklärt hat, Zollverein habe der Lokalbevölkerung „nichts gebracht außer zu teurem Cappuccino“, ist eine alte Debatte neu entbrannt. Kritiker verweisen auf die Millionen öffentlicher Fördergelder, die in Zollverein investiert wurden, ohne, dass sich dort eine nennenswerte Privatwirtschaft angesiedelt hätte. Zollverein-Freunde verweisen darauf, dass Zollverein schon immer ein Solitär im Stadtteil war, als Zeche eine „verbotene Stadt“, und betonen die neue, überregionale Strahlkraft der „Marke“ Zollverein. Letztendlich haben beide Recht.
"Besonderer Erneuerungsbedarf"
Die Nachbarschaft von Zollverein sieht unterdessen aus wie immer: Stoppenberg, Schonnebeck und Katernberg waren, sind und bleiben vermutlich noch lange Stadtteile „mit besonderem Erneuerungsbedarf“, wie es so schön im Verwaltungsdeutsch heißt.
Im Schatten von Zollverein
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Blühende Landschaften sind hier nirgendwo entstanden. Gleich neben dem Haupteingang steht das riesige Ladenlokal leer, das Gastronom Poudal einst zeitgleich zum „Il Punto“ bewirtschaftete; „Zum Förderturm“ hieß das Restaurant, nach dem Kulturhauptstadtjahr gab Poudal auf. „Zu hohe Pacht“, sagt er.
Und keine 500 Meter Luftlinie vom Areal des Weltkulturerbes, in der Straße Drostenbusch, verfällt ein Haus, es steht leer, tiefe Risse im Mauerwerk; Schulkinder erzählen, darin „wohnen Penner“, die horten „geklaute Sachen“. Gleich daneben hat sich der „O.G. Treff“ niedergelassen. „O.G.“ steht für „Original Gangster“, es ist ein Vereinsheim, es macht, ganz vorsichtig gesagt, einen wenig vertrauenserweckenden Eindruck. Die Homepage im Internet erzählt etwas von einer bundesweiten „Bruderschaft“ für ehemalige Strafgefangene; die Essener Polizei teilt auf Anfrage mit, man habe den Schauplatz im Blick, bisher gebe es keine Beschwerden, alles rechtens, alles halb so wild.
Man ist viel unter sich
Als Anne Brosk 1998 nach Schonnebeck zog, da war sie sich sicher, dass nur mehr von den Leuten, die auf Zollverein arbeiten, auch in die Gegend ziehen müssten, dann würde das die Ecke schon nach vorne bringen. Anne Brosk ging mit gutem Beispiel voran. Heute, sagt sie, „bin ich etwas ernüchtert." Sie ist Geschäftsführerin der „Zollverein Touristik“ mit einem Büro auf „Triple Z“, vermittelt werden Übernachtungen für 40 Privatzimmer-Vermietungen und Hotelbetriebe, „man sollte das nicht unterschätzen.“ Sie zählt eine ganze Reihe guter Lokale in der Gegend auf, aber: „Es gibt natürlich immer noch viele Läden, da bekommen Sie einen Schnaps, wenn sie ,ein Weizen’ bestellen. Und nicht ein Bier.“
Die Kritik des Forschers Bernhard Butzin hat sie übrigens mit Interesse zur Kenntnis genommen, „ich stimme teilweise zu, Zollverein ist ein Leuchtturmprojekt. Man ist dort viel unter sich.“ Anne Brosk hofft jetzt auf neue Impulse von Folkwang-Studenten, die sich künftig auf Zollverein ansiedeln sollen, ein neuer Bau ist in Planung. „Man muss die Leute hier halten, das ist das Wichtigste.“ Was ja irgendwie für die ganze Stadt Essen gilt. Bloß: Im Norden ist das schwerer als im Süden.
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