Essen. Dem Umfeld der Zeche Zollverein bot sich vor zehn Jahren eine große Chance, als die Unesco Zollverein in das Weltkulturerbe aufnahm. Doch was hat es der Gastronomie, den Hotels und den Anwohner der Umgebung gebracht? Wir haben uns umgehört.
Es gibt Ereignisse, die sind von derart epochaler Bedeutung, dass Zeitzeugen im Moment des Geschehens die genaue Uhrzeit festhalten. Die erste Mondlandung war so ein Ereignis. Am 21. Juli 1969 um 3.56 Uhr mitteleuropäischer Zeit setzte Neil Armstrong als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond. Am 14. Dezember 2001 - am vergangenen Mittwoch vor zehn Jahren - schauten sie bei der Stiftung Zollverein ganz genau hin: Die Uhr zeigte 12.47 Uhr als die Unesco-Kommission in Helsinki die Zeche und die Kokerei Zollverein zum Weltkulturerbe erhob.
Während die Stiftung zehn Jahre danach per Pressemitteilung an das historische Ereignis und den Moment seiner Verkündigung erinnerte, sah es zur Mittagszeit auf Zollverein aus wie an einem ganz gewöhnlichen trüben Dezembertag. Von Feierstimmung nicht die geringste Spur - ganz so als wollten die Macher Besuchern an diesem zehnten Geburtstag vor Augen führen, dass das Weltkulturerbe auch im Alltag längst angekommen ist. Hat es gehalten, was sich viele davon versprochen haben?
Poudygal setzt auf seinen Lieferservice - weniger auf Touristen
Zollverein ist ein Marke, ein Imagefaktor, ein Alleinstellungsmerkmal. Marketing-Experten würden es so nennen. Und die vielen tausend Besucher pro Jahr sprechen dafür, dass Zollverein – 25 Jahre nach Stilllegung von Europas modernster Zechenanlage – zu einem Wirtschaftsfaktor geworden ist. Wer profitiert davon? Dayaram Poudygal betreibt seit 2001 „Il Punto“, eine kleine Pizzeria mit Lieferservice an der Gelsenkirchener Straße gleich gegenüber dem Ehrenhof an Schacht XII. Näher dran am Welterbe und am großen Business, das die vielen Touristen verheißen, geht nicht. Die ersten Jahre brummte das Geschäft, erzählt Poudygal, auch im Kulturhauptstadtjahr klingelte die Kasse. Seitdem gehe es bergab. Tendenz Sohle sieben. Sein Restaurant mit dem treffenden Namen „Zum Förderturm“ gegenüber direkt am Eingang zum Ehrenhof hat er zum ersten Januar zugemacht. Wegen der hohen Miete, wie er sagt. Zu spät reifte die Erkenntnis, dass Zollverein-Besucher Currywurst und Buletten „Nepalesischen und indischen Spezialitäten“ vorziehen könnten. Poudygal setzt auf seinen Lieferservice - weniger auf Touristen.
Zehn Jahre Weltkulturerbe
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Es kommt immer drauf an, was man daraus macht. Edith Hertzler-Hohn setzt in ihrem „Fünf Mädelhaus“ konsequent auf die Schiene Bergbau, Kohle und Tradition. Als Zollverein den Welterbe-Status erhielt, „hab’ ich erstmal eine Runde geschmissen“, erzählt die 52-jährige Wirtin der Traditionsgaststätte an der Straße Hugenkamp, einen Steinwurf von Zollverein entfernt. „Restaurant seit 1930“ steht an der Fassade zu lesen. Kumpel kamen nach der Schicht auf ein Bier oder auch zwei. Nach der letzten Grubenfahrt 1986 versuchte es Hertzel mit Peter-Maffay-Parties und Oldie-Abenden. In der Küche wurde „Schaschlik am Spieß“ irgendwann „ein Opfer des Strukturwandels“ - und taucht als solcher auf der Speisekarte wieder auf neben „Bergmanns Gold“, „Zechenteller“ und „Lachs auf Halde“.
„Pension am Zollverein" profitiert
Touristen, darunter viele Holländer“ kehren ins Fünf-Mädelhaus ein, aber auch Vorstände namhafter Unternehmen, die ihren Gästen das „echte Ruhrgebiet“ zeigen wollen. Das Geschäftsmodell, „aus der Not geboren“, zieht. Das „Fünf Mädelhaus“ ist nicht mehr die Kneipe an der Ecke, die es mal war. Aber könnte man davon leben?
Die Gastronomie profitiere sicher vom Weltkulterbe auch das Hotelgewerbe, sagt Johannes Maas, Vorsitzender des Katernberger Werberings, der sich 2001 dazu entschloss, am Katernberger Markt über seinem Schuhgeschäft eine kleine Pension zu eröffnen. „Ich habe es nicht bedauert.“
Das gilt auch für Sandra Bradvica. Seit 2000 wohnt sie dem Welterbe gegenüber, zum Kulturhauptstadtjahr eröffnete sie dort die „Pension am Zollverein“ und schwärmt nun vom Aufschwung durch Zollverein. Das Mehrfamilienhaus ließ sie umbauen - auch weil zwei Mieter die Baustellen und den Verkehr vor der Haustür nicht mehr ertragen wollten - und auszogen.
Auch das ist Teil der Geschichte. Auch, dass die Immobilienpreise rund ums Welterbe keinesfalls gestiegen sind. Zwei Mehrfamilienhäuser kaum 300 Meter entfernt wirken wie eine Bewerbung für einen Fotowettbewerb „Leipzig 1989“, so runter gekommen sind sie. Die Eigentümer hätten die feste Absicht in den nächsten Jahren daran etwas zu ändern, weiß Johannes Maas. Die Zeit läuft.
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