Essen. Besuch des Konzentrationslagers zeigt auch Grenzen des Unterrichts auf.

Manche von ihnen haben geweint. Manche haben sich gefragt, wie Gott so etwas zulassen konnte. Falls es ihn gibt – Gott. Man könnte daran zweifeln, wenn man die Gedenkstätte in Auschwitz-Birkenau besucht hat, ein ehemaliges Nazi-Konzentrationslager.

Für 25 Oberstufenschüler der Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Schonnebeck ist nach einer viertägigen Fahrt nach Polen nicht mehr alles so wie vorher. „Man kommt zurück nach Deutschland“, berichtet ein Schüler, „und man ist überhaupt noch nicht fertig mit dieser Reise.“

Sie sind eigentlich bis heute nicht fertig. Obwohl sie schon in den Herbstferien da waren, freiwillig und aus reinem Interesse, Schüler der Jahrgangsstufe 11 bis 13, die Fahrt war kein Unterrichtsprojekt und kein Jahrgangs-Event, und trotzdem: „Es gibt nichts in unserem Leben, was uns so bewegt hat“, sagen viele von ihnen noch heute. Der Besuch des Konzentrationslagers und vor allem die Begegnung mit Edward Paczkowski (81), der mehrere Lager überlebt hat.

Familie im Lager verloren

Sie haben nach dem Treffen mit Paczkowski ein Gruppenbild gemacht mit dem alten, gebrechlichen Mann in ihrer Mitte. Es ist kein Gruppenbild wie jedes andere. Jeder Schüler schaut wie versteinert.

Es hat sie sehr bewegt, was er berichtet hat. Und am Ende hat er sie sogar gesegnet, die Schüler und ihre Familien zu Hause auch, dabei hat er, Paczkowski, seine eigene Familie im Lager verloren. „Eine solche Fahrt mit solchen Begegnungen“, sagt Martin Lambach, Lehrer für Deutsch und Religion, „zeigt die Grenzen des Unterrichts auf.“

Dramatik und Dimension des Verbrechens

Seine Kollegin Anette Schmücker, die die Oberstufe der Schule leitet, ergänzt: Die Holocaust-Thematik im Unterricht leide stets an einem „Vermittlungsproblem“; die Dramatik und Dimension des Verbrechens lasse sich nur schwer transportieren, „selbst wenn man literarische Texte wählt.“

Zahlen über Tote bleiben Zahlen über Tote, und Texte in Büchern bleiben Texte in Büchern mit entsprechend begrenzter Wirkung. Bis die Schüler dann auf einmal selbst auf dem KZ-Gelände in Auschwitz stehen. „Alles um einen herum wird plötzlich dumpf, man kriegt nichts mehr mit, ist nur noch mit seinen Gefühlen beschäftigt“, sagt heute einer von ihnen.

Gigantische Tötungsmaschinen

Bei manchen kamen auch Schuldgefühle hoch, und immer wieder Fragen, wie Menschen dazu in der Lage waren, diese gigantischen Tötungsmaschinen zu betreiben. „Wir gingen durch eine Gaskammer“, erzählt einer, „und man sah noch die Kratzspuren an der Wand.“ Von Überlebenskämpfen. In der Gedenkstätte ist alles ausgestellt, was den Opfern gehörte: Familienbilder, Rasierpinsel, Prothesen.

„Ich ärgere mich heute nicht mehr so sehr über Kleinigkeiten“, sagt eine Schülerin. „Was im Leben wirklich zählt, sind nur Glaube und Liebe.“