Was den Sonntagseinkauf angeht, ist Essen gegenüber der Nachbarstadt Bochum klar im Vorteil. Dort hat der Rat der Stadt das Wochenend-Vergnügen schlicht verboten. Doch auch in Essen ist die großzügige Sonntagsregelung umstritten.

Schadenfreude ist anscheinend immer noch die schönste Freude: „Wir danken den Bochumern für den Wettbewerbsvorteil zu Gunsten der Essener City und unserer Stadtteilzentren“, feixte jüngst Hans-Peter Schöneweiß. Der FDP-Fraktionschef im Rat spielt auf einen Ratsbeschluss in der Nachbarstadt an, der die verkaufsoffenen Sonntage in Bochum komplett verbot. Ob der liberale Triumph von langer Dauer ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Denn auch unter den hiesigen Ratsfraktionen ist die in Essen sehr großzügige Sonntagsregelung zunehmend umstritten - und das Bochumer Vorgehen könnte den Trend zur Verschärfung weiter anheizen.

Auffallend ist die Unaufgeregtheit, mit der die CDU das Thema behandelt, obwohl der Sonntag einer Partei mit christlichen Wurzeln durchaus heiliger sein könnte. Nur einer in der 26-köpfigen Ratsfraktion, Dirk Kalweit aus Kupferdreh, hält die Zahl von 36 Ausnahmegenehmigungen in Essen für entschieden zu hoch. Zum Vergleich: In Bochum waren schon 13 zu viel.

Ganz wohl ist CDU-Fraktionschef Thomas Kufen allerdings nicht: „Mehr sollten es in Essen wirklich nicht werden, eher weniger.“ Das Problem sei, eine einmal gewährte Tradition wieder einzusammeln. „Da will natürlich keiner der Buhmann im Stadtteil und für die Einzelhändler sein.“ Vier verkaufsoffene Sonntage pro Jahr gibt es in der City, in jedem der neun Stadtbezirke dürfen es ebenfalls bis zu vier sein - nicht alle schöpfen das aus, in einigen Stadtteilen aber würden um jeden Preis Anlässe gesucht, um die Sonntagsruhe möglichst oft zu umgehen. Mitunter reiche „das fünfjährige Jubiläum einer Pommesbude“, ätzt Linken-Fraktionschef Hans-Peter Leymann-Kurtz.

Sonntagseinkauf kommt bei Kunden gut an

Pragmatiker Kufen verweist auf „die Abstimmung mit den Füßen“, sprich: Wo auch immer sonntags geöffnet ist, sind die Händler am Abend glücklich, weil die Leute den Sonntagseinkauf rege annehmen. Auch die Essener SPD lässt das nicht kalt. Vor die Wahl gestellt, entweder alle 36 Veranstaltungen zu genehmigen oder wie in Bochum gar keine, habe die überwältigende Mehrheit in der Fraktion nicht der Spielverderber sein wollen, berichtet Fraktionsgeschäftsführer Roman Brüx. Allerdings stütze die SPD die Absicht der Landesregierung, „Wildwuchs“ abzustellen und im Sinne des Arbeitnehmerschutzes eine gesetzliche Regelung zu finden.

Deutlich harscher zur Sache gehen die Grünen, die Arbeitnehmer- und Sonntagsschutz verbinden, um sich „Seite an Seite mit den Gewerkschaften und Kirchen“ zu verbünden. Banale Anlässe wie die Eröffnung eines Supermarktes in Altenessen oder ein Kürbisfest „müssen nicht zwingend von Ladenöffnungen begleitet werden“, moniert Ratsfrau Elisabeth van Heesch-Orgass. Zwar sei die Bochumer Ratsentscheidung sehr radikal und insofern kein Vorbild für Essen, doch restriktiver als jetzt müsse es künftig in jedem Fall zugehen. Das findet auch EBB-Fraktionschef Udo Bayer, der einer „moderaten Rücknahme“ das Wort redet.

„Keine Notwendigkeit für Änderungen“ sieht hingegen Essen-Marketing-Geschäftsführer Karl-Heinz König und weiß sich einig mit den Interessenverbänden der jeweiligen Stadtteil-Geschäftsleute. Dort sind die Sorgen groß, zugunsten der Innenstadt hinten rüber zu fallen, wenn die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage erst zusammengestrichen ist.