Essen/Düsseldorf. . Das Entsetzen am Tag nach der Entscheidung des Rates der Stadt Bochum, 2012 die verkaufsoffenen Sonntage komplett abzuschaffen, ist groß. Nun soll doch noch ein Kompromiss, um die Stadt vor einem Image-Schaden zu bewahren.
„Bochum darf nicht auf den Status des Provinznestes zurückfallen“, sagte Thomas Lenk, Vorsitzender des Bochumer Einzelhandelsverbandes, der WAZ. „Das ist ein unglaublicher Schlag ins Gesicht der Händler.“ Neben Siegen wäre Bochum die zweite Stadt in NRW, die Kunden und Handel den Sonntagseinkauf verbietet. Die Nachbarstädte frohlocken bereits über den Umsatz, den sie aus Bochum in die eigenen Zentren umleiten können.
Der Druck auf die Beteiligten in Bochum wurde so groß, dass sie eilig nach einem Ausweg aus der Blamage suchten. Die mit hauchdünner Mehrheit von nur einer Stimme im Rat beschlossene Abschaffung der verkaufsoffenen Sonntage wird in der Bochumer Politik als „Betriebsunfall“ gewertet. Die evangelische Kirche indes begrüßte die Entscheidung. Der Einzelhandelsverband kündigte gestern an, schon die Vorsitzenden aller Ratsfraktionen und Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD), die das Aus für die Sonntage als „wenig glücklich“ bezeichnet, an einen Tisch zu holen. „Wir müssen den wirtschaftlichen und den Image-Schaden von Bochum abwenden“, sagt Handelsverband-Chef Lenk.
Und so deutet alles auf einen Kompromiss für einen neuen Vorstoß im Rat hin – mit weniger als 13 verkaufsoffenen Sonntagen und der Ausklammerung des Muttertags.
„Das ist eine Katastrophe“
Der Ruhr-Park in Bochum, das Einkaufszentrum mit 140 Läden und rund 2500 Arbeitsplätzen, hat seine Werbekampagnen für 2012 längst geplant. Wie in jedem Jahr sind drei verkaufsoffene Sonntage fester Bestandteil des Konzepts. Doch die hat der Rat der Stadt Bochum nun völlig überraschend gekippt.
„Das ist eine Katastrophe. Wir jagen damit die Kunden in andere Städte“, entrüstet sich Jochen Czub, der Manager des Ruhr-Parks. An verkaufsoffenen Sonntagen zählt das Center im Schnitt 50 000 Besucher in fünf Stunden – so viele wie an Werktagen, wenn die Läden zehn Stunden lang geöffnet sind. Czub: „Die Sonntage sind für uns sehr wichtig. Die Händler sind mit dem Umsatz sehr zufrieden.“
Sonntagspläne in Venlo
Umso mehr hofft der Center-Manager, dass der Ratsbeschluss gegen die verkaufsoffenen Sonntage doch noch korrigiert wird. So wie 2010 in Aachen, als das dortige Stadtparlament nach Protest seinen Beschluss widerrief. Bislang stand Siegen mit komplett geschlossenen Läden am Sonntag allein da. Bis auf Düsseldorf haben die großen Städte in der Region die Shopping-Sonntage bereits festgelegt. Die Stadt Venlo plant sogar, die Geschäfte an jedem Sonntag zu öffnen, um deutsche Kunden hinter die niederländische Grenze zu locken.
Dass jetzt ausgerechnet Bochum ausschert, kommentiert der Handelsverband NRW als „Schlag ins Gesicht für alle Händler“. Auch wenn sich die umliegenden Städte insgeheim die Hände reiben, hagelt es Kritik an der Bochumer Entscheidung. „Die Politiker wissen doch gar nicht, worüber sie da entschieden haben“, meint Thomas Schäfer, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Westfalen, der auch Dortmund vertritt. „Die Händler können auf den Sonntags-Umsatz nicht verzichten. Das zusätzliche Geschäft tut ihnen gut.“
Kunden weichen aus
Sein Kollege Marc-Andre Heistermann, der für die Händler in Essen, Oberhausen und Mülheim spricht, pflichtet ihm bei: „Den Verbrauchern kann man das Einkaufen doch nicht austreiben. Sie weichen dann auf Alternativen aus.“ Unter der Bochumer Entscheidung hätten insbesondere die Stadtteile zu leiden, die auf verkaufsoffene Sonntage als Marketing-Instrument angewiesen seien.
Das Bochumer Nein befeuert die Debatte des Landtags über eine Reform des Ladenöffnungsgesetzes. „Die Bochumer Entscheidung ist der beste Beleg, dass die Gesetzeslage nicht verändert werden muss. Vor Ort kann entschieden werden, wie man mit der Liberalisierung des Ladenschlusses umgeht“, erklärte CDU-Fraktionsvize Josef Hovenjürgen. „Die Kommunen brauchen keine Gängelung durch Rot-Grün“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Hendrik Wüst.
Die rot-grüne Landesregierung will die Verkaufsmöglichkeiten am Sonntag einschränken. Sie sieht sich dabei in Einklang mit Kirchen und Gewerkschaften.