Essen. Es geht voran, das neue Fußballstadion an der Hafenstraße nimmt längst sichtbare Formen an. Im Frühsommer soll der Ball in der neuen Arena rollen. Während die Fans von Rot-Weiss Essen dem ersten Anstoß entgegenfiebern dürften, kommt beim Traditionsverein noch keine rechte Freude auf.
Dem Club fehlt es an Planungssicherheit, heißt es aus der Führungsetage. Ein Pachtvertrag mit der städtischen Stadionbetriebsgesellschaft ist immer noch nicht unterzeichnet. Mehr noch: Vorstand und Aufsichtsrat fürchten, dass mit dem Umzug deutlich höhere Kosten auf den Verein zukommen. Dabei sollte mit dem neuen Stadion doch alles besser werden.
„Im Laufe des Monats brauchen wir Klarheit“, sagt Aufsichtsratsvorsitzender und Ex-Stadtdirektor Christian Hülsmann. Schließlich habe RWE sich auf die Fahnen geschrieben, „wirtschaftlich sauber“ zu arbeiten, ergänzt Vorstand Michael Welling. Die kommende Saison will vorbereitet werden, im März muss der Verein beim DFB die Lizenz beantragen.
Für die laufende Spielzeit kalkulierte die Clubführung mit einem Etat von rund drei Millionen Euro. Im Georg-Melches-Stadion kickt RWE aber quasi umsonst. Selbst zu Zweitligazeiten, die ja erst gut vier Jahre zurückliegen, zahlte der Traditionsverein der Stadt eine Nutzungsgebühr von nur 75.000 Euro pro Jahr - das waren knapp zehn Prozent der Einnahmen und immer noch eine bescheidene Summe gemessen an den jährlichen Betriebskosten in Höhe von 500.000 Euro. Viel Geld für eine Bruchbude.
Loch im Etat
Das neue Stadion wird modernen Ansprüchen genügen, die Betriebskosten aber liegen deutlich höher. Die städtische Grundstücksverwaltung GVE geht von 778.000 Euro pro Jahr aus; Klimatechnik und Wartungsarbeiten schlagen mit höheren Kosten zu Buche, heißt es.
Laut Ratsbeschluss sollen die Sport- und Bäderbetriebe für die Betriebskosten aufkommen, sofern die eigenes gegründete Stadionbetriebsgesellschaft - eine 100-Prozent-Tochter der GVE - den Betrag nicht decken kann. Der Wirtschaftsplan der Sport- und Bäderbetriebe ist jedoch für 2012 bereits mit 2,3 Millionen Euro unterfinanziert. Sportpolitiker im Rat gehen fest davon aus, dass das neue Stadion nicht noch ein größeres Loch in den Etat reißt. Eine Diskussion nach dem Motto, kleine Vereine müssen sparen, weil das Stadion mehr Geld kostet, will die Politik sich tunlichst ersparen.
GVE in der Zwickmühle
Für den Pachtvertrag hat die GVE verschiedene Modelle durchgespielt. Denkbar sei, dass RWE bis zu zehn Prozent der Einnahmen aus Ticket-Verkauf und Werbung an den Eigentümer des Stadions abtritt. Rechnen dürfte sich das aber erst ab Liga 3. Sollte RWE aufsteigen, würde dies bedeuten, dass der Verein wirtschaftlich sogar schlechter dasteht als aktuell in der Regionalliga, gibt Vorstand Michael Welling zu bedenken. Höhere Einnahmen aus Fernsehgeldern würden durch die Betriebskosten sofort verfrühstückt. Zumal dem Club in der neuen Arena, anders als im mit Werbung zugepflasterten Georg-Melches Stadion, weniger Werbeflächen zur Verfügung stehen werden. Die GVE hält Flächen für Sponsoren frei, schließlich haben sich die Sparkasse und der Energieversorger RWE an den Baukosten beteiligt.
Die GVE steckt also in der Zwickmühle: Sie soll das Stadion wirtschaftlich betreiben, ohne dem Verein, der darin spielt, finanziell das Wasser abzugraben. Wie das geht? Michael Welling empfiehlt einen Blick nach Düsseldorf. Dort konnte die Fortuna in einem modernen Stadion wirtschaftlich wie sportlich gesunden - und klopft nun an die Tür zur 1. Bundesliga.