Essen. Der Evag-Betriebsrat kritisiert den Kurs der städteübergreifenden Verkehrsgesellschaft „Via“ und fürchtet eine „schleichende Übernahme“. „Wir brauchen keinen Duisburger Vorstand in Essen“, sagte Evag-Betriebsratvorsitzender Wolfgang Hausmann bei der Betriebsversammlung.
„Via“? Ach ja! So heißt die gemeinsame Verkehrsgesellschaft aus Essen, Mülheim und Duisburg. Weil auf Bussen und Bahnen immer noch „Evag“, „MVG“ oder „DVG“ steht, gerät schnell in Vergessenheit, dass längst „Via“ drinsteckt. Bislang kam „Via“ geräuschlos voran, nun aber ist der Motor ins Stottern geraten, und die unschönen Nebengeräusche sind nicht mehr zu überhören.
Als der Vorsitzende des Evag-Betriebsrates, Wolfgang Hausmann, dieser Tage auf der Betriebsversammlung aussprach, was viele im Unternehmen denken, war ihm der Applaus sicher: „Wir brauchen keinen Duisburger Vorstand in Essen.“ Dass er hinterher schob „...und wir keinen Essener in Duisburg“ ging unter, berichten Ohrenzeugen. Das sagt viel aus über die aktuelle Stimmung bei der Evag.
Evag stellt mit 1800 Mitarbeitern die meisten im Dreierbund
Hintergrund sind personelle Veränderungen an der Spitze von „Via“, die mit der Verteilung der Aufgaben einhergehen. Zum 1. April 2012 soll Evag-Vorstand Horst Zierold, als ehemaliger Stadtkämmerer, ein ausgewiesener Finanzexperte, seine Zuständigkeit für Finanzen bei „Via“ abgeben, namentlich an Marcus Wittig, der Vorstand der DVG wäre bei „Via“ ebenfalls zuständig für Personal. Bei der Evag wären allein Fahrdienst, Verkehrs- und Kundenmanagement angesiedelt. Zierold dürfte aus Altersgründen Anfang 2014 als Vorstand ausscheiden.
Der Evag-Betriebsrat fürchtet nicht weniger als, dass Tempo und Richtung des Gemeinschaftsunternehmens künftig von Duisburg aus vorgegeben werden - und dies womöglich zu Lasten der Belegschaft auch in Essen. Dazu muss man wissen, dass die DVG anders als Evag und MVG längst interne Leistungen wie Finanzbuchhaltung, Einkauf oder Personalmanagement abgegeben hat an die Holdinggesellschaft der Stadt Duisburg DVV, wo sie von selbstständigen GmbHs wahrgenommen werden. Evag-Betriebsratsvorsitzender Hausmann lässt sich mit dem Satz zitieren, er wolle die Beschäftigten der Evag „nicht der Gefahr aussetzen, dass wir das Duisburger Modell übernehmen.“ Mit 1800 Mitarbeitern stellt die Evag die meisten von insgesamt rund 3000 im Dreierbund.
Paradebeispiel für eine städteübergreifende Zusammenarbeit
„Via“ sei der richtige Weg, betont Hausmann. Dennoch herrscht bei den Arbeitnehmervertretern Skepsis vor. Da mag nachwirken, dass sich der Betriebsrat bei der Nachfolgeregelung für Arbeitsdirektor Klaus Siewior, der im Sommer aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden ist, zunächst übergangenen fühlte. Die Aufgaben des Arbeitsdirektors nimmt für die Evag nun Klaus Kunze, Chef der Essener Entsorgungsbetriebe und Vorstand der Essener Holding EVV, wahr. „Kaum war die Tinte trocken“, schon sorgte interne Neuorganisation bei „Via“ für Unruhe, kritisiert Hausmann.
Den Verantwortlichen bei „Via“ und in der Politik können Misstöne von Arbeitnehmerseite nicht gefallen. Die gemeinsame Verkehrsgesellschaft galt bislang als Paradebeispiel für eine städteübergreifende Zusammenarbeit im Ruhrgebiet, das - wie es gerne heißt - sonst ja dem Kirchturmdenken verhaftet bleibt. Ob der gemeinsam eingeschlagene Weg zum Erfolg führt, dürfte auch jenseits der Stadtgrenzen mit Interesse beobachtet werden.
"Via-Adventsmarkt"
Da scheint es nur folgerichtig, dass Nils Hoffmann, Kommunikationschef von „Via“ , sich bemüht zeigt, den Konflikt möglichst tief zu hängen. Die Sorgen des Betriebsrates seien völlig unbegründet. Hoffmann spricht von Begleiterscheinungen, die das Zusammenwachsen dreier bislang selbstständiger Unternehmen mit sich bringe. 250 Mitarbeiter arbeiteten durch „Via“ an einem anderen Standort als vor der Gründung. Nicht jeder Betroffene sei damit glücklich.
Gleichwohl sieht Hoffmann Indizien dafür, dass langsam zusammenwächst, was zusammengehöre: Der „Via-Adventsmarkt“ für Mitarbeiter und Angehörige war deutlich besser besucht als im vergangenen Jahr.