Essen.
Mit Drogenhandel will der Großteil der vier Angeklagten nichts zu tun gehabt haben. Vor der XVI. Strafkammer weisen sie viele Vorwürfe der Anklage zurück. Eine illustre Runde ist es, der Staatsanwalt Peter Gehring den Schmuggel von insgesamt rund zehn Kilogramm Marihuana und Amphetaminen nachweisen will.
Ein 26-Jähriger ist Diplomatensohn. Als er ein Jahr alt war, verließ seine Familie mit ihm Afghanistan, wo der Vater in der sowjetisch kontrollierten Regierung Staatssekretär im Auswärtigen Amt war. Beruflich ging es nach Jugoslawien und erst 1991 nach Deutschland. Da existierte die alte Regierung in Afghanistan nicht mehr. Der 26-Jährige hat sich in Essen in der Musikszene als Eventmanager versucht. Zuletzt strebte er eine bürgerliche Karriere an, bewarb sich bei Verfassungsschutz und Polizei. Ohne Erfolg: „Da kam die U-Haft dazwischen.“
Leistungssportler war ein weiterer Angeklagter, 33 Jahre alt. Als Radrennfahrer sei er sogar fürs Nationalteam gefahren, erzählt er von früheren Zeiten. In der Essener Discoszene ist er als Musiker bekannt. Der dritte Essener Angeklagte, 40 Jahre alt, leitet eine Modeboutique, die im Internet mit „exklusiver Abendgarderobe“ wirbt. Leben kann der gebürtige Afghane davon wohl nicht, bezieht auch noch Arbeitslosengeld II.
Verwandtschaftliche Kontakte nach Holland genutzt?
Vom Vierten auf der Anklagebank sind solche Details nicht bekannt. Aus Holland kommt der 24-Jährige und gilt als der Hauptangeklagte. Er soll seine verwandtschaftlichen Kontakte zu zwei Angeklagten benutzt haben, um Drogen nach Deutschland zu bringen. In der Modeboutique soll der Stoff gelagert worden sein. Das will der Ladeninhaber aber gar nicht geahnt haben, sagt er.
Der Musiker und ehemalige Radsportler bestätigt zwar, dass er beim Hauptangeklagten ein Kilo Amphetamine bestellt hat, aber das sei nicht ernst gemeint gewesen. Er erzählt eine etwas ungewöhnliche Geschichte, nachdem er für diesen einen Bagger geklaut und das Geld nicht bekommen hätte. Er habe den Stoff nur bestellt, damit der Mitangeklagte nach Deutschland kommt und er ihn zur Rede stellen kann. Der Hauptangeklagte, der in Borbeck mit fünf Kilo Amphetaminen erwischt wurde, will selbst überrascht gewesen sein. Er habe gedacht, nur Dopingmittel nach Deutschland zu bringen.
Ihren Horizont beim Thema Drogen darf die Kammer am Dienstag erweitern. Auf die Frage von Richter Jens Lazarz, ob der Radrennfahrer Drogen nehme, antwortet dieser: „Als Radsportler natürlich, ist ja kein Geheimnis. Wenn man in der Leistungsspitze mitfährt, nimmt man was.“