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Filiz Erfurt sitzt im Rollstuhl und bildet Therapie- und Behinderten-Begleithunde aus. Die hängen Wäsche ab und krabbeln mit Kindern um die Wette.

Er schmeißt den Haushalt, ohne zu knurren: Waschmaschine auspacken, aufräumen, Schubladen einräumen. Er kann fast alles – nur kein Deutsch. Collie Candas hört auf türkische Kommandos. „Die sind kürzer“, erklärt Frauchen Filiz Erfurt lachend. Außerdem sei es ihre Muttersprache. Für die anstehende Prüfung muss der einjährige Vierbeiner aber deutsche Befehle lernen, um als Therapie- und Behinderten-Begleithund zu bestehen.

Filiz Erfurt stürzte als Elfjährige beim Fußball, seitdem sitzt sie im Rollstuhl und ist querschnittsgelähmt. Heute leben drei Collies bei den Erfurts in Altenessen, die die 42-Jährige ausgebildet hat.

Sela gibt ihr die Bügelwäsche an. Socke für Socke nimmt der Hund von der Wäscheleine ab, obwohl er mit elf Jahren eigentlich im Ruhestand ist. Hündin Blazy (6) darf wegen ihres Alters auch nur noch zwei oder drei Jahre helfen, den Rollstuhl zu ziehen. Daher ist ihr Halbbruder Candas eingezogen. Damit der die Waschmaschine öffnet, hat Frauchen anfangs Leberwurst hineingeschmiert.

Angefangen hat aber alles mit Hündin Otti

Angefangen hat aber alles mit Hündin Otti. Das ist zwölf Jahre her und Otti schon im Hundehimmel. Damals hatten die Söhne von Filiz Erfurt an eine Zeitung geschrieben: „Wir haben eine Supermami“. Drei Kinder ziehe sie groß, von denen zwei behindert sind. Und die Mami wünschte sich einen Hund. „Daraufhin spendete ein anonymer Leser 10 000 DM“, erzählt Filiz Erfurt. Von einer Züchterin bekam sie Golden Retriever Otti, eine Behinderten-Begleithündin. Filiz Erfurt entdeckte, wie gut es zwischen ihr und den Hunden klappt.

Früher hat sie als Bürokauffrau gearbeitet und als Model für Rollstuhlmoden. Heute hat die Frührentnerin statt eines Berufes eine Berufung. Die 42-Jährige hilft Familien mit behinderten Kindern bei der Welpenauswahl und trainiert mit Zwei- und Vierbeinern, damit letztere später Therapie- und Behinderten-Begleithunde werden. Ihr Mann, mit dem sie in der Türkei gerade Silberhochzeit gefeiert hat, unterstützt sie, bleibt aber hinter den Kulissen, sagt Filiz Erfurt.

Tiergeschützte Therapie mit Kindern

Seit vier Jahren unterstützt sie auch Physiotherapeutin Eva Behnke-Vogel bei der tiergestützten Therapie mit Kindern. Berkant (6) kommt wegen einer Wirbelsäulenverkrümmung. Mit Candas klettert er eine Rutsche hoch oder sie krabbeln um die Wette. So baut Berkant Muskeln auf. Nur das Bellen erschreckt ihn noch. „Candas fordert dich auf, spiel mit mir“, erklärt Filiz Erfurt. Das etwas leiser zu tun, muss der Rüde noch lernen. Was er kann: Die Kinder auf Kommando gewinnen lassen. Dann kriecht er langsamer oder lässt den Ball neben den Basketballkorb fallen. Auf einen anderen Befehl rollt sich der Rüde über den Boden. Dank der Übung hat ein kleiner Junge nach dem Schlaganfall wieder gelernt, sich im Liegen zu drehen. Heute lacht er sich kaputt, wenn Candas sich neben ihm kugelt, erzählt Filiz Erfurt. Die Hunde ermunterten ruhige Kinder und beruhigten die hyperaktiven.

Hündin Candas zu Besuch im Altenheim

Im Altenheim freuen sich die an Demenz oder Alzheimer Erkrankten jede Woche über den tierischen Besuch. Dort legt der Collie in einer Deko-Küche seine Pfoten auf die Herdplatte. „Er animiert sie, damit sie reagieren und ihn warnen“, erklärt Filiz Erfurt. Für sie geht ihre Hündin mit Packtasche, Geld und Liste einkaufen. Candas zieht Frauchen aus, knabbert vorsichtig an der Socke, ohne einen Zeh zu erwischen, öffnet Reißverschlüsse, zieht am Ärmel, bis Filiz Erfurt die Jacke anstreifen kann, was ihr allein wegen des Rheumas schwer fällt.

Nachts weckt Candas sie manchmal und schleckt wie verrückt. Dann weiß Filiz Erfurt, dass sie ihre Medikamente nehmen muss. „Er riecht 15 Minuten vorher, dass ich einen epileptischen Anfall bekomme.“ Genauso könne sie ihre Hunde verstehen. Wenn sie dann gefragt werde, warum sie als gläubige Muslimin Hunde habe, antwortet sie: „Weil ich sie mag“. Und weil im Koran an keine Stelle stehe, dass sie nicht mit ihnen leben solle. Dem anonymen Spender würde sie heute gern zeigen, was er angerichtet hat: „Er hat mir nicht nur Geld, sondern eine Lebensaufgabe geschenkt.“