Haltern am See.

Seit langem sind Hunde unersetzliche Begleiter sehbehinderter Menschen. Solche Aufgaben er­scheinen vergleichsweise konventionell, gemessen an den Einsatzmöglichkeiten, die Filiz Erfurt (42) für ihre Tiere auserkoren hat: Sie holen die Wäsche aus der Maschine, drücken die Fußgängerampel, öffnen Schubladen und helfen der 42-Jährigen beim Ausziehen von Kleidungsstücken.

Wenn die nach einem Sportunfall seit dem elften Lebensjahr querschnittsgelähmte Frau das Portmonee zückt, be­obachten ihre Hunde Candas (acht Monate) und Blazy (sechs Jahre) sie genau. Fällt Frauchen eine Münze auf den Boden, springt Candas (Türkisch „treuer Weggefährte“) zur Stelle, nimmt die Münze sachte mit der Schnauze auf und legt sie in ihre Hand.

Am Samstag und Sonntag demonstrierten die drei ihre Zusammenarbeit auf der Gesundheitsmesse in der Seestadthalle. Filiz Erfurt aus Essen ist Landesvorsitzende des Deutschen Ausbildungsverbands für Therapie- und Behindertenbegleithunde (DATB) und bildet seit 1999 Behindertenbegleithunde aus. Auf die Idee brachte sie der Kinofilm „Zerschmetterte Träume“. „So einen Hund wie in dem Film brauche ich auch“, dachte sie. Dann zogen der Golden Retriever Sela und später die Collie-Welpen Blazy und Candas ins Haus.

Die Essenerin, die mit sieben Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam, merkte sehr bald, dass sie die Hunde positiv motivieren konnte, die Tiere ihr wiederum Kraft und Selbstbewusstsein gaben und sie ein Stück unabhängiger von der Pflege und Fürsorge des Ehemannes und der drei Kinder (24, 22, 19) machten. Selbst als „Krankenschwester“ zeigten sich die Vierbeiner tauglich: Sie registrieren Merkmale im Befinden ihres Frauchens und bringen ohne Aufforderung das Handy, wenn sich ein epileptischer Anfall – eine Folge der Querschnittslähmung – ankündigt.

Einmal in der Woche fährt die Essenerin ins Altenheim, wo sich demente Bewohner im Kontakt mit den Vierbeinern, „an Dinge erinnern, die sie scheinbar längst vergessen hatten.“ Ähnliche Wege beschreitet sie mit autistischen Kindern, die — in völliger innerer Abgeschiedenheit lebend — zu jeglicher Kommunikation unfähig sind, über die Hunde aber „eine Brücke“ nach draußen finden. Das harmonische Miteinander zwischen Mensch und Hund basiert auf einer siebenmonatigen Ausbildung, die um die 1800 Euro kostet. Die 42-Jährige beginnt mit dem Training, wenn die Welpen drei Monate alt sind. Die Schulung findet in enger Zusammenarbeit mit dem Be­sitzer statt. Die Tiere erlernen Verhaltensregeln, Basiskommandos, apportieren. Nicht jede Mensch-Hund-Kombination ist möglich. „Der Hund muss wesensfest, verschmust, lieb sein, auf keinen Fall dominant.“ Collies entsprechen diesem Anforderungsprofil: Als Hütehunde sind sie anpassungsfähig, bemühen sich, Frauchen zu gefallen. Ein Klick-Geräusch, ein Leckerli, gerne Applaus der Zuschauer sind der schönste Antrieb für die Vierbeiner. Lob, Strenge und Härte sind tabu.

Blazy und Candas sind multilingual. Gleichgültig, ob Filiz mit ihnen Türkisch oder im breitesten Ruhrpott-Deutsch spricht – sie gehorchen aufs Kommando. Als sie mit Filiz Erfurts Nichte Eslem Korbball spielen, ist das für die Elfjährige und Blazy der größte Spaß. Am besten gelingt die Wäsche-von-der Leine-Nummer. Wuff, mehr Wäsche bitte!