Essen. .
Der erste Schritt ist getan: Im Erdgeschoss des neuen „Generationenkulthauses“ an der Viehofer Straße 31 haben acht Kleinunternehmer ein gemeinschaftliches Geschäft eröffnet. Italienische Feinkost trifft dort auf Mode aus Dänemark und Handgemachtes aus Essen - zusammengebracht hat sie Reinhard Wiesemann.
Der Inhaber des Unperfekthauses hatte den fünfstöckigen Wohnblock im Norden der Essener Innenstadt vor einem Jahr erworben, um dort einen zweiten Standort seines erfolgreichen „Künstlerdorfs“ aufzubauen. Anders als im Unperfekthaus zahlen an der Viehofer Straße aber nicht die Besucher, sondern die Händler: Kleinunternehmer können wenige Quadratmeter (13,50 Euro/qm) oder auch nur einzelne Regalfächer für ihre Produkte pachten, beteiligen sich anteilig an Toiletten und Umkleideraum.
Nicht bloß ein Kaufhaus
Auf den ersten Blick wirkt die Ladengemeinschaft deshalb wie ein kleines Kaufhaus: Helle Streifen auf dem rauen Teppichboden mimen die Gänge, an denen sich rechts und links kleine Inseln voll kuriosem und künstlerischem Handwerk erheben: Handgefertigter Schmuck aus Glasperlen oder Silber, selbstgenähte Stofftaschen oder Schuhe und an der massiven Teakholztheke verschiedenste Kakao-Sorten und „Büttergen“ mit Limonenbutter - „das Ladenlokal ist aber sehr viel mehr als ein bloßes Kaufhaus. Es ist ein Zukunftsmodell, das Existenzgründungen in Essen voranbringen kann“, ist sich Gabriela Eichwald sicher, deren Feinkostlinie Teil der Ladengemeinschaft ist.
Bis Juni hatte die 47-Jährige noch ein eigenes Geschäft in Oberhausen. „Als dort die Nachfrage sank, überwogen schnell die Nachteile eines eigenen Ladens.“ Von morgens bis abends habe sie im Geschäft gestanden, hatte somit keine Zeit, außerhalb Kunden zu werben. „Hier wechseln wir uns untereinander. Das ist optimal.“
Kunden für die Anderen werben
Die Risiken der Selbstständigkeit würden minimiert, die kleinen Verkaufsflächen seien ideal für Gründer, die selten über viel Kapital verfügen. „Wir zahlen keine Kaution und können auch kurzfristig Fläche mieten.“ Weiterer Vorteil: „Jeder von uns lockt bestimmte Kunden. So werben wir sie für die anderen an“, sagt Jörg Gockel von der gleichnamigen Borbecker Polsterei. Seine Stühle etwa stehen überall im rund 330 Quadratmeter großen Verkaufsraum, dienen als Sitzecke am Café oder Warteraum vor der Umkleide.
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In den kommenden Wochen erweitern eine Seniorenberatung und ein Reisebüro das Angebot, Platz für rund zehn weitere Unternehmer bleibt. „Wer etwas Außergewöhnliches anbieten kann, der passt zu uns“, sagt Modemacherin Sabine Peters.
Barrierefreies Wohnen
Den Kunden gefällt es: Die Gelsenkirchenerin Regina Barnitzke kommt regelmäßig zum Einkaufen nach Essen, streift nun durch die neue Ladengemeinschaft: „Verschiedene Produkte als Teil eines Ensembles zu präsentieren, finde ich eine tolle Idee.“
Anfang August ziehen zudem erste Mieter in die 20 barrierefreien Wohnungen des „Generationenkulthauses“ ein; bis Ende 2011 sollen Gemeinschaftsbüro, Dachterrasse mit Gemeinschaftsküche und Klön-Ecke sowie eine Wohngemeinschaft (WG) mit 15 Zimmern fertig sein. „Dieses Haus vereint also Arbeiten, Wohnen und Genießen. Damit sind wir fast autark“, sagt Gabriela Eichwald. Gemeinsam wolle man Veranstaltungen planen, etwa zum Mitternachtseinkauf einladen. „So werten wir diese Ecke der Innenstadt auf.“