Bochum. .

Behinderte Menschen stoßen im Alltag häufig auf Probleme: im Bus, in Cafés, Kinos und bei der Auswahl von Ärzten. Auch der große Ausweis, der in kein Portemonnaie passt, diskriminiert.

Oft wird Sie komisch angeguckt, manchmal strecken ihr Kinder die Zunge raus oder beschimpfen sie sogar – Gilda Braun ist sich sicher: „Die machen das wegen meiner Behinderung“. Die 65-Jährige lebt in einer Wohngruppe der Lebenshilfe Bochum. Oft ist sie selbstständig in der Stadt unterwegs, aber was für andere Menschen Alltag ist, birgt für sie viele Probleme.

Das fängt schon im Bus an. „Erst hilft mir keiner beim Einsteigen und dann macht mir niemand einen Sitzplatz frei“, erzählt Braun – zu Fuß ist sie nicht so gut unterwegs. Oft sei Sie deshalb im Bus schon gefallen. „Einmal wurde ich sogar aufgefordert, den Sitzplatz für Behinderte frei zu machen“, berichtet sie. Dabei ist ihr Behindertenausweis kaum zu übersehen.

Bundesweite Unterschriftensammlung für einen neuen Behindertenausweis

Das ist allerdings das nächste Problem: „Der ist so groß, wenn ich den vorzeige, guckt mich jeder gleich komisch an, weil ich eine Behinderung habe“, erklärt Braun. Sie ist nicht die einzige, die das so sieht. Bundesweit sammeln Menschen Unterschriften für einen neuen Behindertenausweis, der auch ins Portemonnaie passt.

Ulrich Licht ärgert es, dass er im Prinzip keine freie Arztwahl hat und ihn fremde Menschen einfach Duzen.
Ulrich Licht ärgert es, dass er im Prinzip keine freie Arztwahl hat und ihn fremde Menschen einfach Duzen. © WAZ FotoPool

In der Innenstadt angekommen ist für Braun auch nicht alles erreichbar. Cafés und Bars haben oft Toiletten im Keller und die alten Kinos haben viele Treppen, die zu ernsthaften Hindernissen werden können. Auch kann Sie nicht lesen, so dass sie viele Hinweisschilder nicht versteht. „Manches ist aber wieder vorbildlich“, findet Braun, „im Rathaus kann man alles gut erreichen, in die neuen Straßenbahnen kann man gut einsteigen und zu den U-Bahnen gibt es überall Aufzüge“.

Schwimmen oder Kino ist nicht selbstverständlich

Noch eingeschränkter lebt man, wenn man im Rollstuhl sitzt, wie Sonja Brinke. Zum Glück kann sich die 39-Jährige auf ihren Mann Peter (43) verlassen. Beide wohnen in einer Zweiraumwohnung der Lebenshilfe. In der Freizeit unternehmen sie oft etwas gemeinsam. Durch die Behinderung ist es für beide aber nicht so selbstverständlich wie für andere, schwimmen oder ins Kino zu gehen.

Sonja und Peter Brinke warten an der Haltestelle Hiltroper Straße auf den Bus. Mit ihrem Rollstuhl kann Sonja Brinke aber nur hinten einsteigen.
Sonja und Peter Brinke warten an der Haltestelle Hiltroper Straße auf den Bus. Mit ihrem Rollstuhl kann Sonja Brinke aber nur hinten einsteigen. © WAZ FotoPool

In überfüllten Bussen fühlt sich Sonja Brinke besonders unwohl: „Ich will ja nicht so im Weg herum stehen“, erklärt sie. Gleichzeitig vermisst Sie oft die Rücksicht anderer Buspassagiere. „Ich glaube viele wissen nicht, wie sich sich verhalten sollen“, meint sie, es gebe aber auch sehr hilfsbereite Menschen. Peter Brinke hat seinen Ausweis verloren, „er passt halt nicht ins Portemonnaie“, ist sein Kommentar.

Keine freie Arztwahl möglich

Ulrich Licht ärgert es, dass er nicht so viele Freiheiten hat, nur weil er im Rollstuhl sitzt. „Ich kann mir zum Beispiel nicht frei aussuchen, zu welchem Arzt ich gehe“, erklärt der 51-jährige, „nicht jeder hat einen Aufzug“. Auch wenn sich Bekannte in der Kneipe treffen, muss er jedes Mal überlegen, ob er sich darauf einlässt. „Es ist nicht schön, wenn man sich die Treppe hinauftragen lassen muss“, stellt er fest. Ihn stört es einfach immer als behindert abgestempelt zu werden. „Wenn ich Menschen kennenlerne duzen mich zum Beispiel die meisten“, berichtet er, „das ärgert mich“.