Witten. .

„Hartmut, der Kräftige“ steht auf seinem Kaffeebecher. „Das war einmal“, sagt Hartmut Wutzdorff. Seit einem Gehirninfarkt hat er arge Probleme mit dem Gedächtnis: Nur langsam lernt er wieder lesen, schreiben, rechnen. Doch seit Oktober lebt der Wittener endlich in einer eigenen Wohnung – an der Kronenstraße.

Hier saniert die Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte denkmalgeschützte ehemalige Eisenbahnerhäuser aus dem 19. Jahrhundert (wir berichteten). In den barrierefreien Wohnungen können Menschen mit erworbener Hirnschädigung wieder an ein selbstbestimmtes Leben herangeführt werden. Dabei helfen ihnen sechs Mitarbeiter der Bethel-Stiftung: Intensiv betreutes Wohnen nennt sich das Angebot.

Für Wutzdorff ist das „wie ein Sechser im Lotto“. Für ihn sei es „super-wichtig“, wieder selbstständiger leben zu können, „nicht mehr so auf andere Leute angewiesen zu sein“. Denn „ich war immer ein Typ, der selber klar gekommen ist“. Doch jetzt braucht er vor allen Dingen jemanden, dem er vertrauen kann – wenn’s etwa um Geldangelegenheiten geht. Denn Zahlen sind noch ganz schwierig. Sein Alter? Wutzdorff überlegt, nimmt die Finger zu Hilfe. „51“, sagt er schließlich lächelnd. Dass er außerdem erhebliche Wahrnehmungsschwierigkeiten hat, weil sein rechtes Auge null Sehkraft mehr besitzt, merkt man ihm nicht an. Hartmut Wutzdorff strahlt jede Menge Energie aus. „Seitdem ich hier bin, geht’s mir gut, wenn nicht sogar sehr gut.“

Weitere sieben Bewohner, die durch einen Schlaganfall oder einen Motorradunfall mit diversen Handicaps zu kämpfen haben, leben bereits an der Kronenstraße, zum 1. Juli sollen noch sechs folgen. „Die Wohnungen stehen allen Menschen mit erworbener Hirnschädigung oder psychischen Beeinträchtigungen offen. Wer Interesse hat, kann sich an die Wohnungsgenossenschaft wenden“, betont Lutz Schäfers, Leiter des ambulanten Dienstes der Bethel-Stiftung.

Die jetzt schon hier wohnen sind zwischen 40 und 59 Jahre alt. Sie kommen aus Remscheid, aus Dortmund, aus dem Sauerland. Oder aus Oer-Erkenschwick. So wie Matthias Meyer. Ein Aneurysma, also ein erweitertes Blutgefäß, im Gehirn katapultierte ihn im Juli 2008 von heute auf morgen aus dem Alltag, aus dem Job als Betonbauer. Nach der Reha war er in einem Heim der Bethel-Stiftung in Breckerfeld untergebracht. Meyer sitzt im Rollstuhl, „die ganze linke Seite will nicht mehr“, sagt er.

Der 43-Jährige will trotzdem vor allem eins: „wieder mein eigener Herr sein“. Im Heim sei er wie ein Kind behandelt worden, bekam Taschengeld zugeteilt und das Essen vorgesetzt. „Ich habe mich begraben gefühlt.“ Heute lebt er in einer etwa 45 m² großen Wohnung, die er selbst eingerichtet hat. Und obwohl er im Rolli sitzt, ist Matthias Meyer kein Stubenhocker, fährt oft raus, etwa in die nahe gelegene City. Als er den Mietvertrag unterschrieb, habe er innerlich gemerkt: „Es geht weiter.“