Essen. .
Hebammen wie Ulrike Gnida begleiten im Rahmen des Projekts „Sicherer Start“ junge Mütter wie Jennifer Klimpel (19) bei ihrer Aufgabe als Alleinerziehende. Jedes Jahr werden in Essen mehr als 80 Kinder von minderjährigen Müttern geboren.
Fynn lächelt. Mit dem Rücken ihres Zeigefingers streichelt ihm Mama Jenny vorsichtig über den Bauch. Den Strampler hat sie ihm ausgezogen. Ordentlich gefaltet liegt er auf dem hohen Winkeltisch im Kinderzimmer. „So, mein Schatz, mal schauen, ob du auch gut isst.“ Die Stirn an Mamas Hals gelehnt, ihre Hand am Hinterkopf, trägt sie Fynn zur weißen Plastikwaage, die 7670 Gramm zeugt. Mit stolzem Grinsen nimmt Mama Jenny die Hand ihres Sohnes, als wolle sie ihm gratulieren: „Na, bist du ein großer Kerl.“
Ulrike Gnida sitzt einen Schritt von der Waage entfernt und beobachtet zufrieden die Szene. Auf ihrem Schoß spielt Julien (2) mit Fingerpuppen. Er nennt sie „Hebamme“ – als die heute 19-jährige Jennifer Klimpel mit ihrem ersten Sohn schwanger geworden war, betreute die Hebamme Gnida die junge Mutter erstmals im Rahmen des Projekts „Sicherer Start“. „Ich ging damals noch zur Schule, wohnte bei meinen Eltern. Die haben mich zwar unterstützt“, erinnert sich Klimpel, „trotzdem hatte große Angst, etwas falsch zu machen.“
Keine klassischen Großfamilien
Jedes Jahr werden in Essen mehr als 80 Kinder von minderjährigen Müttern geboren. Von der Krankenkasse wird die Betreuung durch eine Hebamme nur für wenige Wochen nach der Schwangerschaft bezahlt; danach sind die Frauen auf sich gestellt. Für junge Mütter eine Herausforderung, so Ulrike Gnida: „Die klassischen Großfamilien gibt es nicht mehr. Die Mädchen haben kein Netz mehr, das sie auffängt, niemanden, der ihnen zeigt, worauf es in der Entwicklung des Kindes ankommt.“ Die Folge: Bei Schuleingangsuntersuchungen zeigten immer mehr Kinder Defizite in ihrer Entwicklung.
Das Jugendamt hat deshalb 2005 mit dem Gesundheitsamt und dem Männerclub „Round Table“ das Projekt „Sicherer Start“ ins Leben gerufen, das Mütter meist im Alter von 15 bis 25 Jahren bis zu einem Jahr nach der Geburt ihres Kindes betreut. Kostenlos und auf freiwilliger Basis. Seit Februar 2009 kooperiert die Stadt mit dem CJD Zehnthof, wo drei Mitarbeiter des Jugendamts ihr Büro haben. Sie vermitteln knapp 30 Hebammen und Krankenschwestern, die sich nach Abschluss einer Zusatzqualifikation um rund 100 junge Frauen pro Jahr kümmern.
Mutter-Kind-Angebote
Mehrmals wöchentlich kommen die Betreuerinnen in die Familien, sind jederzeit telefonisch erreichbar, begleiten die Frauen im Alltag und können eingreifen, wenn es Mutter und Kind an etwas fehlt. Sie geben Tipps beim Einkauf und Zubereiten kindgerechter Nahrung, gehen mit zum Arzt und zeigen Mutter-Kind-Angebote auf. So will das Projekt Fehlentwicklungen vorbeugen und spätere Kosten fürs Sozialsystem vermeiden.
Jennifer Klimpel fand nach Juliens Geburt eine eigene Wohnung. An den Wänden hängen nun großformatige Fotos ihrer Kinder. Bilder des Vaters gibt es nicht: Er ist kurz vor Fynns Geburt ausgezogen. „Ich schaff das auch so“, sagt Klimpel heute. Viel helfen muss die Hebamme nicht mehr: „Zwischen den Dreien läuft es gut, die Situation als alleinerziehende Mutter ist jetzt die Herausforderung.“
Klimpel möchte eine Ausbildung im Einzelhandel beginnen, sucht derzeit nach einem Platz in einer Kindertagesstätte für Julien. Der Zweijährige kommt unbekümmert kauend aus der Küche zurück: „Mufft bu jeft gen, Hebamme?“ Ja, nickt Ulrike Gnida. „Aber ich komm bald wieder.“