Essen. . Das Geld liegt auf der Straße – zumindest für Flaschensammler wie Peter H. aus Essen. Immer mehr Menschen suchen Verwertbares aus dem Wohlstandsmüll, um es zu Geld zu machen. Gerade im Sommer hat die Suche nach Pfandflaschen Konjunktur.
Für Peter H. steht und fällt das Geschäft mit dem Wetter. Ist’s draußen trübe, hat er Mühe, Pfandflaschen zu finden. An einem grauen Tag also steht er an einem Glascontainer am Schederhof, angelt mit einer Müllzange aus dem Grünglas-Container Bierflaschen. „Die bringen nicht so viel“, sagt er, acht Cent um genau zu sein. Bei Bierflaschen funktioniere das Geschäft über die Masse. Neun Stück stehen bereits neben dem Container, die zehnte und letzte hebt er eben durch die Öffnung. Macht 80 Cent für fünf Minuten Geduldsspiel.
Im Weißglascontainer ist nichts Brauchbares zu finden, also klemmt der Flaschensammler die Müllzange auf den Rad-Gepäckträger, verstaut die Bierflaschen in einer Tüte am Lenker. Bereits auf dem Fahrrad fängt die Trennung an. Tüten gibt es für PET-Flaschen und für Glasflaschen. Und anhand der Ausrüstung kann man sich ausmalen: Herr H. ist kein Gelegenheitssammler.
Die Frührente reicht nicht
„Ich bin Frührentner, da reicht das Geld hinten und vorne nicht.“ 62 Jahre alt ist er, hatte einen Bandscheibenvorfall, einen zweiten „und irgendwann hat der Arzt mich kaputt geschrieben.“ Bis dahin war er Ernährer der Familie. Mutter, Vater, Kind, „alles ganz normal“. Das Kind ist aus dem Haus, längst haben sich Herr und Frau H. kleiner gesetzt, sind in eine bescheidene Mietwohnung gezogen, haben das Auto abgegeben, die Kosten drastisch gesenkt.
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„Aber die Frau muss versorgt werden und ich will ja auch leben.“ Wohngeld will er nicht beantragen, ergänzendes Hartz IV, „das ist nix für mich, ich komm’ auch so zurecht“. Nur nicht ohne zusätzliche Einkünfte. Die Frührente also hat er und in guten Monaten - während der Picknick- und Ausflugssaison - bis zu 700 Euro, die er mit dem Flaschensammeln macht.
Die Reviere sind abgesteckt
Leicht sei ihm der Schritt heraus auf die Straße nicht gefallen – bis er merkte: „Da gibt es noch andere, die auch sammeln. Ich fahre vor allem im Sommer immer bestimmte Touren. Aber wenn ich eine halbe Stunde später komme, sind viele Stellen schon abgegrast.“ Der Baldeneysee etwa sei so ein beliebtes Revier. „Da machen viele Leute Ausflüge hin und werfen ihre leeren Plastik-Pfandflaschen dann einfach auf die Straße, auf die Wiese oder in den Mülleimer.“ Aufgeteilt seien gute Reviere, „bei Veranstaltungen zum Beispiel. Da werfen die Leute am Eintritt ihre Flaschen weg und man braucht sie nur aufzuheben.“ Neulinge, die sich da einmischten, riskierten Ärger, „aber da halt’ ich mich raus. Dafür bin ich zu alt“.
Einwegflaschen und Dosen bringen 25 Cent
Die Tarife hat Herr H. im Kopf. 25 Cent für Einwegflaschen und Dosen, für harte Mehrwegflaschen aus Plastik 15 Cent. Überhaupt: „Einwegplastik und Dosen sind mir am liebsten. Geht nicht kaputt und wiegt nix. Das kann ich tütenweise an den Lenker hängen.“
Ob er sich geniert, wenn ihn Passanten bei seiner Arbeit beobachten? „Überhaupt nicht. Ich tue ja nichts Unrechtes. Ich sammle Geld, das auf der Straße liegt. Wofür soll ich mich da schämen?“ Dennoch möchte er nicht fotografiert werden, will seinen Namen nicht preisgeben.
Anonymität behalten
„Das ist was anderes. Ich möchte nicht von Fremden als armer Schlucker, der es zu nichts gebracht hat, abgestempelt werden.“ Ein Foto schließlich könne dem Betrachter im Gedächtnis bleiben. „So gucken die Leute kurz hin und dann wieder weg.“ Peinlich berührt seien viele Passanten, den alten Mann beim Durchsuchen von Mülleimern zu sehen. „Die gucken so schnell weg, wenn die mich dann zwei Tage später in der Stadt treffen würden, würden sie mich nicht erkennen.“
Ein Stück Anonymität also will Herr H. sich bewahren. Auch seiner Frau zuliebe, der die Armut peinlich sei. So fahre er nie mit vollen Tüten nach Hause. „Das ist ja mit den neuen Automaten für die Flaschenannahme praktisch geworden. Da legt man alles rein, drückt auf die Bontaste und lässt sich das Geld auszahlen.“ Dabei: Vor der Automatenaufstellung sei es fast noch netter gewesen. „Da hab’ ich alles zum Getränkehändler gebracht und wir haben immer noch ein bisschen gequatscht. Der hat nur gestöhnt, wenn es im Sommer zu viel wurde.“ In der Hochsaison halt.