Essen. . Essener Verbraucher decken sich nach der Reaktorkatastrophe in Japan mit Jod-Tabletten ein. Experten warnen: nicht ohne ärztlichen Rat einnehmen. Jod-Tabletten jetzt zu nehmen sei “Blödsinn“ - und könnte unter Umständen mehr schaden als nützen.
Essener Verbraucher befürchten nach der Reaktorkatastrophe in Japan auch vor ihrer Haustür eine erhöhte Strahlenbelastung – und decken sich vorsorglich mit Jod-Tabletten ein, wie verschiedene Apotheker berichten. Job-Tabletten werden in kritischen Gebieten in Japan verteilt, damit die Schilddrüse nicht mit der radioaktiven Substanz Jod-131, sondern mit „gutem“ Jod versorgt wird.
James Nagarajah, Nuklearmediziner vom Essener Uniklinikum, fordert mehr Gelassenheit: „Wer hier bei uns Jodtabletten empfiehlt, macht unnötig Panik.“ Noch dazu sei eine hohe Dosis des Minerals, das eigentlich für Patienten mit einer Schilddrüsen-Unterfunktion gedacht ist, manchmal gar schädlich. „In Deutschland laufen 20 Millionen Menschen mit einem Schilddrüsen-Knoten herum – viele ohne es zu wissen. Wenn diese Menschen viel Jod einnehmen, neigt die Schilddrüse zu einer Überfunktion“ Die Folgen: Herzrasen, Schlafstörungen, Bluthochdruck.
Unkontrollierte Einnahme schadet
Apotheker Rolf-Günther Westhaus leitet seit 25 Jahren eine Filiale in Überruhr und warnt: „Zwar ist Deutschland ein Gebiet mit Jodmangel. Aber eine unkontrollierte Einnahme ohne vorherigen ärztlichen Rat schadet mehr, als dass sie nutzt.“
Jod-Tabletten mit einer geringen Konzentration gibt es schon für wenige Euros in 100er-Packungen und sind nicht verschreibungspflichtig.
Landesamt: Geringe Strahlen-Dosis in etwa sechs Tagen ins Schuir messbar
Wenn dann Kunden auf die Idee kommen, viele Tabletten auf einmal zu nehmen – quasi um die Dosis zu erhöhen – kann das nicht gut sein. So sieht das auch Ute Böttcher von einer Apotheke im Einkaufszentrum Limbecker Platz : „Ja, es gibt eine verstärkte Nachfrage, aber wir raten natürlich vom Kauf ab.“ Das sieht ihr Kollege Westhaus genauso: „Wir müssen den Ball flach halten.“ Peter Schütz , Sprecher des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV), geht noch einen Schritt weiter: „Jod-Tabletten zu nehmen ist Blödsinn.“
In Schuir steht eine von knapp 200 LANUV-Messstellen. In etwa sechs bis acht Tagen kann hier eine „ganz, ganz geringe Erhöhung“ von radioaktiver Strahlung messbar sein, so Schütz. Es bestehe keine Gefahr für Pflanzen, Tiere und Menschen. Das Uni-Klinikum Essen bietet derweil Rettungskräften, die aus Japan zurückkehren, kostenlose Untersuchungen auf mögliche Strahlenbelastungen an. Das Klinikum bittet um vorherige Anmeldung unter 723-2081.