Fukushima. . Die Situation im AKW Fukushima spitzt sich zu. Aus einem der havarierten Reaktoren stieg am Freitag weißer Rauch auf. Arbeiter legen ein Stromkabel, um die Kühlung wieder in Gang zu bringen.

Die aktuelle Lage im Live-Ticker

Im Kampf gegen den drohenden Super-Gau im japanischen Atomkraftwerk Fukushima ruhen die Hoffnungen nun auf einem Starkstromkabel. Mit Hilfe der Leitung sollen die Kühlpumpen der Reaktoren wieder in Gang gesetzt und damit das Schlimmste verhindert werden. Eine Stromleitung zu Reaktor 1 ist nach Angaben von Tepco fast fertiggestellt. Wenn das Akw wieder mit Strom versorgt werden kann, sollen elektrische Pumpen in Gang gesetzt werden, mit denen Wasser in die Kühlbecken gepumpt werden soll. Die Reaktoren 3 bis 6 sollten bis Sonntag wieder an Strom angeschlossen werden.

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Die Feuerwehr aus Tokio schickt 30 Rettungseinheiten zum Atomkraftwerk Fukushima. 137 Feuerwehrleute sollen den Arbeitern bei der Kühlung der Reaktoren helfen, meldet der Fernsehsender NHK auf seiner Internetseite.

Unterdessen versucht der Akw-Betreiber Tepco, sein Informationsmanagement zu verbessern und hat am Donnerstag ein Konto bei Twitter eingerichtet. Bereits wenige Stunden nach dessen Start hatte Tepco bereits fast 180.000 sogenannte Follower, Internetnutzer, die den Dienst verfolgen. "Wir entschuldigen uns aufrichtig für die Sorgen und Probleme im Zusammenhang mit dem Unfall im Werk Fukushima 1", hieß es in dem auf Japanisch gehaltenen Profil. Tepco will über den Internetdienst über den möglichen Austritt von Radioaktivität aus dem schwer beschädigten Akw Fukushima 1 sowie über Stromausfälle aufklären.

Eine erste Nachricht in dem Profil drehte sich um die Gefahr von Stromausfällen in Tokio, sofern der Energieverbrauch in der Metropole nicht gesenkt wird. Tepco wurde seit den schweren Vorfällen in Fukushima immer wieder dafür kritisiert, keine ausreichenden Informationen über die Lage in dem Akw zu bringen und die Menschen nicht umfassend über die Gefahren vor Ort aufzuklären. In dem Komplex versuchten die Techniker am Donnerstag weiter, eine komplette Kernschmelze noch zu verhindern.

Merkel ruft zu Spenden auf

Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte Japan in einer Regierungserklärung Hilfe bei der Bewältigung der Erdbeben-Katastrophe zu und rief die Deutschen zu Spenden auf. Gleichzeitig drang sie auf einheitliche Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke in Europa und der Welt. Die Kanzlerin äußerte zugleich die Hoffnung, dass die Weltwirtschaft durch die Folgen der Natur- und Umweltkatastrophe nur unwesentlich beeinträchtigt werde. Merkel trug sich später in der japanischen Botschaft in Berlin in ein Kondolenzbuch ein. Sie gedenke der "Opfer des schweren Erdbebens und der schrecklichen Flutkatastrophe", schrieb die Kanzlerin und wünschte dem japanischen Volk Kraft.

Die deutsche Botschaft wurde vorübergehend von Tokio nach Osaka verlegt. Die Lufthansa leitet ihre Tokio-Flüge noch eine weitere Woche nach Osaka und Nagoya im Süden Japans um.

Sollte die geplante Starkstromleitung tatsächlich zustande kommen, soll sie nach Angaben Tepcos zunächst den relativ gering beschädigten Reaktor zwei mit Strom versorgen. Technikern sei es nach Angaben der japanischen Behörden inzwischen gelungen, das Kabel zu diesem Reaktor zu legen, teilte die Internationale Atomenergiebehörde IAEA mit. Es sei aber unklar, ob die Wasserpumpen des Reaktors anspringen würden, mahnte ein Vertreter von Tepco zur Vorsicht. Bisherige Versuche, die von vier Explosionen beschädigten Reaktoren zu kühlen, schlugen fehl. Sollten die jüngsten Bemühungen nicht zum Erfolg führen, "werden wir in ein paar Tagen einen kritischen Punkt erreichen", sagte ein Vertreter der japanischen Atombehörde.

Das Hauptaugenmerk war weiter auf den Reaktor drei gerichtet, zu dessen atomarem Brennstoff auch das hochgiftige und krebserregende Plutonium gehört. Dort versuchten Arbeiter in Schutzanzügen, sich ein Bild von der Lage zu machen. Ihre Schichtzeiten wurden wegen der hohen radioaktiven Strahlung verkürzt. Für die Techniker sei es gefährlich, den Reaktoren zu nahe zu kommen, warnte der Chef der US-Atombehörde. "Die drohende Strahlendosis könnte sich in kürzester Zeit als tödlich erweisen", sagte Gregory Jackzo. Über dem Reaktor ließen Armee-Hubschrauber allein am Morgen 30 Tonnen Wasser ab. Die USA boten ihrem Verbündeten Japan den Einsatz einer Aufklärungsdrohne und von Atomexperten an. Das US-Außenministerium kündigte die Heimholung amerikanischer Staatsbürger an.

Der Chef der UN-Atomenergiebehörde Yukiya Amano reiste inzwischen in seine japanische Heimat. Er äußerte vor dem Abflug in Wien die Hoffnung, auch das verstrahlte Katastrophengebiet besuchen zu können. Darüber werde nach seiner Ankunft entschieden.

Eine niedrige Konzentration von radioaktiven Teilchen aus dem japanischen Unglücksreaktor bewegt sich Forschern zufolge mittlerweile auf Nordamerika zu und wird in der Folge auch Europa erreichen. Eine Gefahr für Menschen bestehe aber nicht, sagte der Forschungsleiter am Schwedischen Institut für Verteidigungsforschung, Lars-Erik De Geer.

Versorgungsengpässe

Derweil setzt in den Katastrophengebieten im Nordosten Japans der Winter den Überlebenden von Beben und Tsunami zu. In den Notunterkünften kam nur wenig Trinkwasser und Heizöl an. 850.000 Haushalte sind ohne Strom, mindestens 1,5 Millionen ohne Trinkwasser. Bisher hat die Polizei den Tod von über 4300 Menschen bestätigt, 8600 werden vermisst."

Die Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten (G-7) hat sich für eine koordinierte Währungsintervention zur Unterstützung der von Erdbeben, Tsunami und Atomkrise angeschlagenen japanischen Wirtschaft ausgesprochen. In einer am Donnerstag nach einer Krisensitzung in Washington veröffentlichten Erklärung hieß es, die Europäische Zentralbank, die USA, Großbritannien und Kanada würden sich am (heutigen) Freitag an einer "konzertierten Intervention" auf den Devisenmärkten beteiligen.

Damit soll der Dollar gegenüber dem Yen gestärkt werden, um japanische Exporte zu verbilligen. Der Dollar war am Mittwoch auf den niedrigsten Stand gegen den Yen seit Mitte der 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gesunken - der Kurs fiel auf 76,32 Yen für einen Dollar. Am Donnerstag stieg er auf 78,97 Yen.