Essen. In der Kriminalinspektion 2 haben sich 80 Fahnder auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität spezialisiert. Spannend wie im Film geht es bei der Verbrecherjagd jedoch selten zu - ein Großteil der Ermittlungsarbeit sei sehr dröger Papierkram.
Ihre Zielpersonen sind internationale Drogenbosse, Millionenschieber und Geldwäscher; aber es kommt ihnen auch schon mal ein Chef der Deutschen Post AG vors Visier. In der Kriminalinspektion 2 haben sich 80 Fahnder auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität (OK) spezialisiert.
Gerd Bürgel ist ihr Chef, und er hat reichlich Erfahrung. Schließlich war er selbst mal verdeckter Ermittler im OK-Bereich. Der Kriminaloberrat weiß aber auch, dass ein Großteil der Ermittlungsarbeit sehr dröger Papier- und Zahlenkram ist. Fast jedes Verfahren nimmt nämlich seinen Anfang in der „Auswertungs- und Analysestelle OK“, Polizeikürzel ASDOK beim Kriminalkommissariat 24, die Datenberge und Terabytes von Computerinformationen auf Hinweise durchforstet. Bürgel: „Wir haben Zugriff auf alle Daten der Polizei und auf das Handelsregister.“ Dazu kommen Tipps von Informanten, aber auch die Auswertung von Medienberichten.
Auch interessant
In dieser ASDOK werden die Daten vorsortiert. Kommt dabei der Verdacht auf Straftaten heraus, machen sich die Finanzermittler der Kripo an die Arbeit - „mit richterlichen Beschlüssen“, betont Bürgel. Dabei konzentrieren die Ermittler sich auf wenige, dafür aber große Verfahren. Nur 579 Verfahren führt das „Lagebild OK“ des Bundeskriminalamtes für alle Polizei- und Zollbehörden in 2009 auf. Diese Verfahren summieren sich allerdings auf eine Schadenshöhe von fast 1,4 Milliarden Euro.
Rauschgift ist ein Schwerpunkt
Die Organisation der Kommissariate spiegelt die Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität im Ruhrgebiet wider. In mehr als 40 Prozent der Fälle geht es um Rauschgift. Deshalb hat sich das Kommissariat 21 darauf spezialisiert (23 Beamte). Außerdem sitzt in Essen die „Gemeinsame Ermittlungsgruppen Rauschgift“ (GER) von Zoll und Polizei (12 Beamte). Sie kümmert sich um den Einfuhrschmuggel und hat sich das Ziel gesetzt, die organisierten Strukturen des Drogenhandels zu erkennen und zu zerschlagen.
Im KK 25 sitzen die IT-Spezialisten, die die Ermittler unterstützen und immer größere Datenfluten zu bewältigen haben. Deshalb hat Bürger damit begonnen, Datenmaterial von Fremdfirmen auswerten zu lassen.
17 Ermittler haben sich im KK 23 den Ruf erworben, glänzende Erfolge in Sachen Wirtschaftskriminalität zu erzielen. Wenn die Wirtschafts-Schwerpunktstaatsanwaltschaft Bochum einen Riesenfall auf den Tisch bekommt wie die CD mit den Liechtensteiner Steuerhinterziehungskonten, fordert sie regelmäßig die Essener Ermittler an. Im Liechtenstein-Fall und vorher bei der Batliner-CD sind die Ermittler dann oft wochenlang unterwegs und putzen Klinken bei den Steuersündern. Dabei haben sie festgestellt: Die beste Gesprächseröffnung ist, mit der Tür ins Haus zu fallen. Zum Beispiel so: „Polizei, guten Tag. Wir wollen mit Ihnen über Ihr Konto in Liechtenstein reden. Zahlen Sie bar oder sollen wir den Haftbefehl vollstrecken?“
Was ist organisierte Kriminalität?
Was ist organisierte Kriminalität? Aus polizeilicher Sicht ist die Antwort auf diese Frage gar nicht so einfach. Eine Antwort könnte lautent: Der Kandidat braucht 100 Punkte.
In Deutschland entscheiden die Ermittler nämlich auf der Basis eines Bewertungssystems, wie hoch das OK-Potenzial eines Ermittlungsverfahrens ist. Auf einer Skala von 0 bis 100 wird der Organisations- und Professionalisierungsgrad einer Tätergruppe bewertet. Wie international ist sie aufgestellt? Wie arbeitsteilig ist sie organisiert? Wie viel Gewalt wendet sie an?
Grundsätzlich gilt folgende Definition, sagt Kriminaloberrat Gerd Bürgel, der die Essener OK-Kommissariate leitet: „Die Bande muss nach Gewinn oder Macht streben. Das ist die wichtigste Voraussetzung.“ Außerdem müssen die Straftaten, die die Bande plant oder begeht, „von erheblicher Bedeutung sein“. Die Akteure müssen auf längere Zeit arbeitsteilig und professionell zusammen wirken und zusätzlich entweder mit Gewalt und Einschüchterung arbeiten oder mit Einflussnahme auf Politik, Medien, Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft - Delikte, die im engeren Sinne unter den Sammelbegriff Korruption fallen.
Weil die Organisierte Kriminalität meist international agiert, ist ein wichtiges Kriterium die Herkunft der Täter. Im OK-Lagebild des Bundeskriminalamtes für 2009 sind in den registrierten Verfahren fast zwei Drittel der Tatverdächtigen Ausländer. Anders als viele Menschen, Mafiafilme im Kopf, vermuten würden, waren nur 3,5 Prozent der Verdächtigen Italiener.
In Essen sind die Italiener, gemessen an den OK-Kriterien, übrigens ebenfalls unauffällig. Das gilt nach den Analysen der Polizei auch für die libanesische Bevölkerungsgruppe, sagt Bürgel. „Natürlich gibt es in dieser Gruppe Kriminalität, Bandenbildung und Gewalt. Aber wir haben derzeit keine Hinweise auf Strukturen von Organisierter Kriminalität.“