„Kriminalitäts- und Gewalterfahrungen im Leben älterer Menschen“ heißt die Studie, die das Bundesfamilienministerium 2009 heraus gegeben hat. Sie kommt zu zwei wesentlichen Schlussfolgerungen. Immer mehr Täter suchen sich immer ältere Menschen als Opfer aus. Und: Senioren haben gar nicht die „irrational großen Ängste“, die ihnen die Kriminalitätsforscher über Jahrzehnte hinweg zugeschrieben haben.
Die Studie einer Autorengruppe um Prof. Thomas Görgen, der 2007 vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen an die Polizeihochschule Münster wechselte, ist die Fortschreibung einer Studie von 1995, die Görgen ebenfalls geleitet hatte. Sie hatte unter anderem ergeben, dass Menschen zwischen 60 und 75 Jahren anders als immer angenommen „sich nicht durch eine erhöhte Furchtsamkeit auszeichnen“.
In der neuen Studie haben die Forscher die polizeiliche Kriminalstatistik und andere polizeiliche Daten analysiert. Zudem befragte das Meinungsforschungsinstitut Infas mehr als 3000 Menschen aus 75 deutschen Gemeinden im Alter zwischen 40 und 85 Jahren, ob und wie oft sie in den vergangenen fünf Jahren Opfer einer Straftat geworden waren. Zusätzlich führte Infas Interviews mit Pflegebedürftigen, pflegenden Angehörigen sowie Pflegepersonal zum Thema „Häusliche Gewalt im Alter“.
Grundsätzlich gilt. Je älter der Mensch wird, desto geringer ist sein Risiko, Opfer einer Straftat zu werden. Darin stimmen die Analysen der Polizeidaten und die Ergebnisse der Befragungen überein. Aber: Es gibt wenige, dafür gewichtige Ausnahmen, bei denen sich dieser Trend zu weniger Opferrisiko „sogar ins Gegenteil verkehrt wird“.
Die Forscher haben Kriminalitätsfelder ausgemacht, „in denen Täter - zum Teil in organisierter und geschäftsmäßiger Weise - gezielt ältere und hochaltrige Menschen als Opfer auswählen“.
Dabei geht es keineswegs nur um die Masche mit dem „Enkeltrick“, vor dem die Polizei und die Sparkasse Essen seit Jahren warnen. Auch bei anderen Trickdiebstählen und Betrügereien registrieren die Forscher einen „steilen Anstieg des Viktimisierungsrisikos im höheren Alter und zwar insbesondere jenseits des 80. Lebensjahres.“
Ältere Menschen haben zudem weit weniger Angst als angenommen, Opfer einer Straftat zu werden. Diese Angst sei bei der Altersgruppe der 45- bis 60-Jährigen deutlich größer als bei den 60- bis 85-Jährigen. Ausnahme: die Angst vor Handtaschenraub. Und die ist nur zu begründet, belegen die Daten aus der Statistik. Die Forscher fassen die Ergebnisse zur Altersangst so zusammen: „Ältere Menschen fürchten sich nicht mehr vor Kriminalität als jüngere. Sie verhalten sich jedoch vorsichtiger und minimieren ihr Risiko außerhalb des persönlichen Nahraums.“