Essen. . Pflegekräfte werden verzweifelt gesucht: Die ambulanten Pflegedienste plagen Nachwuchssorgen. Die Agentur für Arbeit schult noch 55-Jährige zu Altenpflegern um. „Man muss das Alter entdämonisieren“, fordert etwa Experte Dirk Brieskorn.

Bei den mobilen Pflegediensten herrscht Krisenstimmung, weil einer steigenden Zahl an hilfsbedürftigen alten Menschen immer weniger qualifizierte Kräfte gegenüber stehen. „Wer heute ein Examen als Altenpfleger hat, wird nie mehr arbeitslos“, sagt etwa Dirk Brieskorn, der Geschäftsführer der Familien- und Krankenpflege e.V. (FuK). „Leider gilt der Job bei vielen jungen Menschen als uncool .“

Und so plagen eine krisensichere Branche große Nachwuchssorgen. „Immer mehr alte Menschen werden heute zu Hause betreut, aber als Arbeitgeber stehen wir in der Beliebtheitsskala relativ weit unten“, weiß Brieskorn. Während man im stationären Bereich immerhin verlässliche Schichtdienste habe, seien die 100 Pflegekräfte bei der FuK rund um die Uhr von einem zum anderen Einsatzort unterwegs. „Im Heim können sie sagen: Abendessen gibt’s um fünf - wir versuchen dagegen, uns auf den Tagesablauf der alten Menschen einzustellen.“

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Von DerWesten

Außerdem könnten in ein Team im Heim leichter auch Altenpflegehelfer eingebunden werden, die nur eine einjährige Ausbildung gemacht haben. In der ambulanten Pflege brauche man den Allrounder, der auch Medikamente verabreichen oder Spritzen setzen kann, sagt Brieskorn. Gerade diese examinierten Kräfte mit dreijähriger Ausbildung seien besonders rar.

„Man muss das Alter entdämonisieren“

Das bestätigt Carola Hübner, Sprecherin der Agentur für Arbeit. „Im Schnitt kommen auf eine offene Stelle in der Altenpflege 4,8 Bewerber - das klingt ja nicht dramatisch.“ Bloß unterscheide diese Statistik nicht zwischen Altenpflegern und Altenpflegehelfern. Auf Jobsuche seien vor allem die Helfer. „Wer examiniert ist, wird mit Kusshand genommen.“ Verstärkt werden darum nun Bildungsgutscheine für eine Umschulung zum Altenpfleger ausgegeben, 26 sind es bislang in Essen. In Mülheim habe man kürzlich sogar einen 55 Jahre alten Mann zum Altenpfleger ausgebildet: „Das lohnt sich! Der hat noch zehn Jahre bis zur Rente“, sagt Hübner. Schwieriger sei es, junge Leute zu gewinnen: „Bei Jugendlichen gibt es oft Berührungsängste gegenüber alten Menschen.“

Diese Beobachtung hat auch Dirk Brieskorn gemacht: „Die Ausbildung zum Altenpfleger ist seit zwei Jahren für Hauptschüler freigegeben - das greift jedoch kaum.“ Testweise wolle die FuK nun mit einer Hauptschule in Altendorf schauen, dass man Jung und Alt überhaupt zusammenbringe. „Die Schüler sollten sich mal unter alten Menschen tummeln können – und sei es im Seniorencafé. Man muss das Alter entdämonisieren.“

„Mehr Geld motiviert für acht Wochen“

Dass eine bessere Bezahlung die Rekrutierung neuer Pflegekräfte erleichtern könnte, glaubt Brieskorn übrigens nicht. „Mehr Geld motiviert für acht Wochen. Außerdem zahlen wir mit 2300 brutto keine Hungerlöhne - auch wenn ich gern auf 2800 erhöhen würde, wenn es drin säße.“

Vordringlicher sei, dass der Beruf eine größere gesellschaftliche Anerkennung erfahre. „Pfleger sind nicht die Gehilfen von Ärzten, sondern diejenigen, die am unmittelbarsten am Menschen dran sind. Pflege ist ein eigenständiger, sehr sensibler Arbeitsbereich.“ Darum halte er nichts davon, Pflegekräfte aus Osteuropa anzuheuern. „Wie soll jemand, der die Sprache nicht beherrscht, einen alten, möglicherweise verwirrten Menschen einfühlsam betreuen?“

Eine Marktöffnung anderer Art versucht jetzt die Ambulante Kranken- und Altenpflege GmbH Lispki & Schmidt. „Wir schulen eine Altenpflegehelferin so nach, dass sie die einfache Behandlungspflege machen kann“, so Geschäftsführer Klaus Drop. Mit Praktika und Fortbildungen wird die Frau befähigt, Blutzucker und Blutdruck zu messen, Kompressionsstrümpfe anzulegen, Medikamente und Spritzen zu geben. Wenn sie am Ende der rund drei Monate ihre Prüfung besteht und die Anerkennung der AOK bekommt, kann Drop sie als Pflegerin einsetzen. „Wir versorgen 400 Menschen. Das können wir nur leisten, wenn wir schnellstmöglich neue Wege gehen.“