Essen. Über elf Jahre nach dem Verschwinden des jungen Mannes gibt es neue Hinweise. Und: Essener Ermittler nehmen weitere Verbrechen in den Blick.

Er ist der herausragende „Cold Case“ der Essener Kripo: Der ungeklärte Vermisstenfall Pierre Pahlke wird aktuell neu aufgerollt, um das mysteriöse Verschwinden des geistig behinderten jungen Mannes aus der Heimstatt Engelbert in Frillendorf vor nunmehr elf Jahren vielleicht doch noch aufklären zu können. Denn es gibt offenbar neue Hinweise, die die Ermittler im Detail aber noch nicht publik machen. Nur soviel: „Es hat sich vor wenigen Wochen ein Zeuge über seinen Rechtsanwalt gemeldet“, sagt Michael Detscher. Der pensionierte Erste Kriminalhauptkommissar gehört mit zwei weiteren „Rentner-Cops“ und drei aktiven Kripo-Beamten zum Team der neuen Ermittlungsgruppe der Essener Kriminalpolizei, die an ungeklärte Vermisstenfälle und Tötungsdelikte mit modernen Mitteln und Techniken herangehen, um sie vielleicht doch noch zu lösen, zum Teil nach Jahrzehnten.

„Ich persönlich gehe davon aus, dass jemand aus seinem engsten Umfeld, das heißt, aus der Heimstatt Engelbert, etwas mit dem Verschwinden von Pierre zu tun haben könnte“, sagt Detscher. Und genau aus diesem Grund hat die Polizei einen bestimmten Bereich des Halloparks nahe der Betreuungseinrichtung, in der der behinderte junge Mann gewohnt hatte, in der vergangenen Woche mit Leichenspürhunden absuchen lassen - allerdings ergebnislos. Dass sich die Kriminalisten aktuell wieder verstärkt kümmern und das Schicksal ihres seit 2013 spurlos verschwundenen Sohnes zudem über einen neuen Krimi-Podcast der Essener Polizei nun noch einmal der Öffentlichkeit nahegebracht wird, habe die Eltern von Pierre zwar sehr überrascht, aber auch hocherfreut, weiß Detscher.

Eine Flasche Isostar gekauft

Es war der 17. September, als der damals 23 Jahre alte Pierre nicht zum Abendessen in der Heimstatt an der Manderscheidtstraße auftauchte. Sein Platz in der Gruppe blieb leer. Das letzte Mal gesehen wurde er an diesem Dienstag zwischen 19.15 und 20 Uhr in einem nahegelegenen Discounter gesehen. Er kaufte eine Flasche Isostar, berichten Zeugen. Doch danach blieb der junge Mann wie vom Erdboden verschluckt. Die Polizei suchte mit Hundertschaften, aus der Luft, mit Tauchern nach ihm - ohne jedes Ergebnis. Zwei Monate später keimte neue Hoffnung auf: Mantrailer-Hunde brachten Ermittler bis ins Amsterdamer Rotlichtviertel. Selbst diese vermeintliche Spur sollte am Ende im Nirgendwo enden.

Der letzte bekannte Weg des vermissten Pierre Pahlke.
Der letzte bekannte Weg des vermissten Pierre Pahlke. © Grafik: Helge Hoffmann

Die jüngste Folge von „Pottcast Ungelöst“, die sich des Falls Pierre Pahlke annimmt, findet sich auf dem YouTube-Kanal der Essener Polizei. Wer den Ermittlern Hinweise geben kann, sollte sich melden unter 0201´8290 oder per E-Mail an hinweise.essen@polizei.nrw.de.

Insgesamt gelten 32 Tötungsdelikte und 24 Vermisstenfälle der Behörde an der Büscherstraße als ungelöst. Die Ermittlungsgruppe „Cold Cases“ wird in naher Zukunft mit zunächst vier weiteren Essener Verbrechen an die Öffentlichkeit gehen, kündigt Polizeisprecher Hendrik Heyer an.

Der Fall Lieselotte Hohlmann

Fotos der Polizei zeigen die getötete Lieselotte Hohlmann und ihre Villa in Burgaltendorf.
Fotos der Polizei zeigen die getötete Lieselotte Hohlmann und ihre Villa in Burgaltendorf. © FFS | Kerstin Kokoska

Am 27. August 1997 wurde die Millionärin Lieselotte Hohlmann in ihrem Haus an der Charlottenstraße in Burgaltendorf von einer Bekannten entdeckt: Die 78-Jährige lag blutüberströmt im Nachthemd auf der Treppe direkt hinter der Eingangstür. Ein bis heute Unbekannter hatte die Seniorin brutal erschlagen. Die Polizei fand keine Einbruchspuren. In der Handtasche des Opfers fehlten Geld und zwei Notizbücher.

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Die mehrfache Millionärin Lieselotte Hohlmann, Inhaberin eines Haushaltswaren-Geschäfts an der Viehofer Straße, hatte seit dem Tod ihres Mannes zehn Jahre vor ihrem eigenen gewaltsamen Ableben völlig zurückgezogen in dem riesigen Haus gelebt. Das Grundstück glich einer Festung. Ein zwei Meter hoher Zaun und dichte Büsche schirmten das Anwesen von den übrigen Häusern in dem beschaulichen Viertel ab. Die alte Dame ließ nur wenige Menschen an sich ran. Mit Friseurin, Lebensmittel-Lieferant und Gärtner vereinbarte sie feste Uhrzeiten, zu denen sie das Tor aufschloss. Nachts sicherte sie die Haustür mit einem schweren Rollladen und Rottweiler-Hündin Cora bewachte das Grundstück. Hatte die ältere Dame jemanden erwartet? Dass der Haustürschlüssel von innen steckte, als ihre Leiche entdeckt wurde, macht dieses Verbrechen umso rätselhafter.

Der Fall Bianca Blömeke

Mit einem großflächigen Plakat machte die Mutter von Bianca Blömeke noch im Februar 2022 an der Gladbecker Straße auf das unbekannte Schicksal ihrer Tochter aufmerksam.
Mit einem großflächigen Plakat machte die Mutter von Bianca Blömeke noch im Februar 2022 an der Gladbecker Straße auf das unbekannte Schicksal ihrer Tochter aufmerksam. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Seit dem 6. August 2000 ermittelt die Polizei in dem mutmaßlichen Tötungsdelikt an der 20 Jahre alten Bianca Blömeke aus Vogelheim. Die junge Frau verschwand nach einem Streit mit ihrem Ex-Freund aus ihrer Wohnung, fortan gab es kein Lebenszeichen mehr von ihr. Die Polizei ging zunächst von einem Vermisstenfall aus, bildete im Dezember des Jahres aber dann doch eine Mordkommission, nachdem sich die Hinweise auf ein mögliches Tötungsdelikt verdichtet hatten. Zwischenzeitlich geriet der Vater ihres Kindes ins Visier der Ermittler, wanderte sogar in Untersuchungshaft, doch kam aus Mangel an Beweisen wieder frei. Noch im Frühjahr 2021 hatten Ermittler eine neue Suche nach sterblichen Überresten von Bianca Blömeke gestartet. Ein speziell ausgebildeter Knochen-Spürhund kam in den Wäldern des Essener Nordens zum Einsatz. Doch auch diese Suche blieb ergebnislos.

Die Fälle Stefanie M. und Marijana Krajina

Der Mordfall Marijana Krajina ist seit über 30 Jahren ungeklärt.
Der Mordfall Marijana Krajina ist seit über 30 Jahren ungeklärt. © Frank Vinken
Das Verbrechen an Stefanie M. ist ein weiterer Fall der Essener Ermittlungsgruppe „Cold Cases“.
Das Verbrechen an Stefanie M. ist ein weiterer Fall der Essener Ermittlungsgruppe „Cold Cases“. © Polizei Essen

Im Jahr 1992 und 1993 wurden zwei neunjährige Mädchen in Altenessen verschleppt, missbraucht und in einem Fall getötet. Beide Verbrechen konnten aufgrund einer identischen DNA-Spur einem bis heute unbekannten Täter zugeordnet werden. Nachdem sich die ZDF-Fernsehsendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ im August 2022 der Kriminalfälle angenommen hatte, gingen über 70 Hinweise bei den Essener Ermittlern ein, womöglich ist eine heiße Spur darunter.

Gern gelesen in Essen

Stefanie M., deren richtigen Namen die Polizei zum Schutz von Persönlichkeitsrechten geändert hat, war am 6. Februar 1992 gegen 17.20 Uhr auf dem Weg nach Hause, sie hatte den Geburtstag ihres Cousins besucht. Stefanie und zwei weitere Gleichaltrige gingen ein Stück des Weges gemeinsam zu Fuß. Doch schließlich mussten sich die Kinder trennen, um nach Hause zu gelangen. Allein Stefanie kam dort nie an. Ganz in der Nähe ihrer Wohnadresse traf sie auf einen Mann in einem weißen Kastenwagen. Ihm gelang es, die Schülerin in sein Auto zu locken, er fuhr mit ihr davon. Stunden später wurde das Mädchen in der Nähe der L422 in Düsseldorf-Kaiserswerth gefunden - sexuell missbraucht und lebensgefährlich verletzt.

Mit Stefanie M.s Hilfe entstand 1992 ein Phantombild ihres Peinigers: Es zeigt einen zur damaligen Zeit etwa 35 bis 40 Jahre alten Mann, der rund 1,70 bis 1,75 Meter groß sein soll und grau-braun meliertes Haar mit Geheimratsecken hat. Heute wäre der Täter, der viel auf Achse gewesen sein muss, Mitte bis Ende 60.
Mit Stefanie M.s Hilfe entstand 1992 ein Phantombild ihres Peinigers: Es zeigt einen zur damaligen Zeit etwa 35 bis 40 Jahre alten Mann, der rund 1,70 bis 1,75 Meter groß sein soll und grau-braun meliertes Haar mit Geheimratsecken hat. Heute wäre der Täter, der viel auf Achse gewesen sein muss, Mitte bis Ende 60. © wk

Die Leiche zwischen Bremen und Hamburg entdeckt

Anderthalb Jahre nach dem Verbrechen an Stefanie M. wurde Marijana Krajina, ebenfalls neun Jahre alt, zunächst vermisst, doch drei Tage nach ihrem Verschwinden tot aufgefunden. In den Sommerferien 1993 hatte die in Kroatien lebende Marijana zusammen mit ihrer Mutter ihren Vater besucht, der im Straßenbau in Deutschland arbeitete. Auf dem Altenessener Markt traf das Mädchen drei Wochen vor ihrem Verschwinden mutmaßlich zum ersten Mal auf ihren späteren Peiniger. Der Unbekannte hatte sich mit Marijana und weiteren Kindern verabreden wollen, die dort Frisbee spielten.

Zu diesem Treffen kam es nicht. Als das Mädchen jedoch am frühen Abend des 31. August 1993 die Wohnung ihres Vaters verließ, um ihre Mutter in einem Bekleidungsgeschäft zu besuchen, kehrte sie nicht wieder nach Hause zurück. Am 3. September wurde Marijanas Leiche schließlich an einem Parkplatz an der B75 zwischen Bremen und Hamburg entdeckt. Die Neunjährige war Opfer eines schweren körperlichen Missbrauchs geworden.

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