Essen. Einen Tag vor Heiligabend hat die Essener Tafel eine Großspende Fleisch und Wurst an Bedürftige verteilt. Hunderte kamen zur Ausgabe.
Eine willkommene Weihnachtsüberraschung hat die Essener Tafel am Samstag (23.12.) ihren Kunden beschert: Ab 10 Uhr wurde eine Großspende Fleisch und Wurst ausgegeben, bis kurz vor 12 Uhr war alles an rund 700 Bedürftige verteilt. Vor der Ausgabe im Wasserturm an der Steeler Straße bildete sich eine lange Schlange, die Wartenden mussten Geduld mitbringen.
Etwa anderthalb Stunden habe sie gewartet, zeitweilig im Regen, sagt zum Beispiel Rita (55), die sich mit dicker Jacke und Kapuze gegen das Wetter gewappnet hat. Nun kehrt sie mit Rindfleisch und Brot nach Hause zurück, fürs Weihnachtsessen. Das Warten habe sich gelohnt: „Ich bin sehr zufrieden.“
Anja schwärmt von den lieben Leuten bei der Essener Tafel
Ähnlich ergeht es der gleichaltrigen Anja, die noch am Ende der Schlange steht, als Rita schon den Heimweg antritt, da ist es gerade mal kurz nach zehn. Sie findet es verrückt, dass sich manche schon um sieben Uhr morgens angestellt haben sollen, drei Stunden vor Ausgabe-Start. „Das sind so liebe Leute bei der Tafel, die gucken bestimmt, dass jeder etwas bekommt.“
Anja ist jahrelang ohne die Tafel ausgekommen, nun geht es nicht anders: „Ich bin glücklich darüber. Wenn das nicht notwendig ist, geht man nicht hin“, glaubt sie. Sie ist froh über die Lebensmittel, auch „Extras“ wie den Hasen, den sie zu Ostern bekommen hat oder die Schokoladen-Nikoläuse, die es am Freitag gab. Das ist ihr fester Tafel-Tag, da hat sie auch von der Sonderverteilung von Fleisch und Wurst erfahren.
Martina hat kleine Geschenke für 13 Enkel besorgt
Martina (60) kommt immer montags zur Tafel, die für sie und ihren asthmakranken Mann sehr wichtig sei. Das Weihnachtsessen habe sie schon vorbereitet, schließlich kommen ihre vier erwachsenen Kinder und die 13 Enkel. „Ich habe für jeden Enkel ein Geschenk, so für 10 bis 15 Euro.“ Die ersten Geschenke besorge sie schon Anfang des Jahres. „Ich hab‘ meinen Kindern gesagt: Mehr Enkel dürfen’s nicht werden.“
Wie viele in der Warteschlange spürt Martina die steigenden Lebensmittelpreise. Besonders Fleisch sei sehr teuer, meint auch Dennis: „Da hilft das hier auf jeden Fall“, sagt der 38-Jährige, der nach über einer Stunde endlich in die Ausgabestelle vorrücken darf.
Tafel-Chef sorgt dafür, dass niemand zu viel einpackt
An der Tür steht dort Tafel-Chef Jörg Sartor und sorgt für Ordnung, ruft immer fünf Leute rein, winkt die anderen rasch raus. Und sagt wohl hundertmal „eins!“: nur ein Brot, nur ein Bund Radieschen ... Ein paar verderbliche Waren liegen in den Kisten vor dem Ausgang, und mancher greift da etwas großzügig zu.
An Wurst und Fleisch gebe es heute keinen Mangel, auch feine Hähnchen aus Frankreich habe die Firma Rasting der Tafel überlassen. Dass die Spende kommen würde, weiß Sartor seit ein paar Tagen, hat darum die rund 720 Familien, die an der Tafel am Wasserturm registriert sind, informiert. „Hätten wir das früher öffentlich gemacht oder allen Essener Tafel-Kunden Bescheid gesagt, hätten wir eine Schlange bis zum Baldeneysee.“ Und in den beengten Räumen im Wasserturm wäre Chaos ausgebrochen.
Ehrenamtliche geben tonnenweise Fleisch aus
Am Samstagmorgen haben die Tafel-Mitarbeiter die Großspende dann mit zwei Transportautos abgeholt: Neun Euro-Paletten – tonnenweise Fleisch. Als er um neun am Wasserturm eintraf, hätten schon 50 Leute dort gewartet.
Leute wie der 66 Jahre alte Bernhard, der seit Januar in Rente ist und seit zwei Monaten zur Tafel kommt: „Meine Rente ist klein, 580 Euro. Ich zahle 407 Euro Miete, 160 Euro Strom.“ Da ist das Geld schon weg. Nur mit ergänzenden Sozialleistungen kommen er, seine Frau und der Sohn, die beide chronisch krank sind, über die Runden.
Die Lebensmittel von der Tafel helfen Bernhard sehr: „Ich kann gut kochen, mache Suppen, Gemüse, Salate. Heiligabend gibt es Karpfen.“ Über „ein bisschen Fleisch“ würde er sich nun freuen.
Am Ende wird es wohl mehr als nur ein bisschen sein. Weil die empfindliche Ware nicht verderben soll, geben Sartor und sein Team bis mittags sehr großzügige Portionen aus. „Da können sich manche für Wochen die Truhe voll machen. Zum Schluss sind einige mit vier vollen Taschen abgezogen.“
Manche meckern noch – die anderen freuen sich
Meckerei gebe es trotzdem immer wieder, auch weil Zuwanderer oft glaubten, dass die Tafel eine staatliche Stelle sei, die verpflichtet sei, sie zu versorgen. Die 42-jährige Valentina (42) aus der Ukraine meckert nicht, im Gegenteil: Sie freut sich, dass sie nun ein gutes Weihnachtsessen für sich und ihre zweieinhalbjährige Tochter bereiten kann. So geht es auch ihrem Landsmann Viktor (75): „Wenn wir essen, sagen wir immer: ,Danke Tafel, danke Tafel.‘“