Essen. Das ehemalige Leihamt böte der Essener Tafel viel mehr Platz. Aber die Sanierung kostet Zeit. Tafel-Chef Jörg Sartor prüft deshalb Alternativen.
Corona, Inflation, Altersarmut … Es falle ihm schwer, den vielen Krisen irgendetwas Positives abzugewinnen, sagt Jörg Sartor, Chef der Essener Tafel. „Aber wenn es etwas Positives gibt, dann ist das die gewachsene Spendenbereitschaft.“ 1200 Einzelspenden konnte die Tafel im vergangenen Jahr verbuchen, berichtet Sartor. Das waren fünfmal so viele wie im Jahr zuvor. Die Schattenseite: Auch die Nachfrage nach freien Plätzen ist ungebrochen hoch. Und erst wenn der geplante Umzug vollzogen ist, wird die Tafel deutlich mehr Plätze anbieten können, als es heute der Fall ist. Doch das wird dauern. Es sei denn, es tut sich eine Lösung auf.
Nach wie vor gilt der Aufnahmestopp, den die Essener Tafel im vergangenen Jahr verhängt hat. Freiwerdende Plätze werden vorrangig an Bedürftige vergeben, die vorher schon Kunde waren. Rentner und Alleinerziehende werden bevorzugt. Wer sonst einen Platz ergattern will, braucht eine Portion Glück. Etwa 80 Berechtigungskarten pro Monat vergibt die Tafel neu. Ein Jahr lang berechtigen sie zum Bezug von Lebensmitteln für den symbolischen Preis von einem Euro.
6000 Essenerinnen und Essener versorgt die Tafel mit Lebensmittelspenden
1600 Berechtigungskarten gibt die Tafel an Einzelpersonen und Bedarfsgemeinschaften aus, 6000 Essenerinnen und Essener versorgen sich dadurch mit Hilfe der Tafel mit gespendeten Lebensmitteln. Etwa 900 davon kommen zur Ausgabe im Wasserturm an der Steeler Straße, wo die Tafel seit mehr als zwei Jahrzehnten ansässig ist; zunächst gemeinsam mit dem Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), seit etwa zehn Jahren als alleiniger Untermieter. In dem denkmalgeschützten Bauwerk nutzt die Tafel 400 Quadratmeter auf zwei Ebenen. Gespendete Waren lagert die Tafel in einer Halle am Stadthafen, die ihr eine Spedition zur Verfügung stellt.
Seit einigen Jahren schon schaut sich der Vorstand nach größeren Räumen um. Denn der Platz im Wasserturm ist beengt, erst seit das Erdgeschoss umgebaut wurde und dadurch eine Art Rundlauf entstanden ist, können pro Ausgabetag deutlich mehr Kunden versorgt werden – 240 statt 160 zuvor. „In der Söllingstraße wären es noch einmal 30 Prozent mehr“, schätzt Tafel-Chef Jörg Sartor.
An der Söllingstraße könnte die Essener Tafel 2000 Quadratmeter nutzen
Die Stadt Essen hat der Tafel den ehemaligen Verwaltungsbau im Ostviertel als neue Bleibe angeboten. 1000 Quadratmeter im Erdgeschoss könnte die Tafel dort nutzen, weitere 1000 Quadratmeter im Keller. „Unterschrieben ist noch nichts“, betont Sartor. Das Backsteingebäude, vor mehr als 100 Jahren als städtisches Leihamt, muss zunächst aufwendig saniert werden. 15 Millionen Euro dürfte das die Stadt Schätzungen zufolge kosten.
Die Tafel würde laut Sartor ihrerseits einen mittleren sechsstelligen Betrag in den Innenausbau investieren. Zuletzt war städtische Telefontechnik in dem Baudenkmal untergebracht, seitdem steht das Gebäude leer. Wie der Wasserturm steht es unter Denkmalschutz, die Stadt steht damit in der Pflicht, es zu erhalten.
Für die Zwecke der Essener Tafel wäre das Verwaltungsgebäude gut geeignet
Für die Zwecke der Tafel wäre es sehr gut geeignet, so Sartor: die zentrale Lage, genügend Stellplätze im Innenhof, dazu die City-Bahn – Essens neue Straßenbahntrasse – bald fast vor der Tür. Nur wird es wohl noch vier Jahre dauern, bis die Tafel die Umzugskartons wird packen können, schätzt Sartor.
Auch deshalb wäre die Tafel durchaus offen für Alternativen. „Ein leerstehender Supermarkt wäre ideal“, sagt Sartor. Nur sei ein solches Ladenlokal nicht so leicht zu finden, schon gar nicht eines, wo der nächste Bus nicht nur jede Stunde fährt. Die neuapostolische Kirchengemeinde habe ihm ein Gebäude in Frohnhausen angeboten. Sartor will es sich ansehen.
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