Essen. Eindrucksvolle Erinnerungen an die frühere Disco-Szene in Essen hat der Haarzopfer Wolfgang Krämer (73). Viele der Läden sind längst Geschichte.
- Wer früher in Essen ausgehen wollte, hatte reichlich Auswahl an Discos, Bars und Kneipen.
- Ein Essener (73) erzählt von den Lokalen, die er in jungen Jahren oft besucht hat.
- Die Namen wecken sicherlich bei vielen Essenerinnen und Essenern Erinnerungen.
Früher war alles besser? Wohl kaum. Aber damals gab es in Essen eine große Auswahl an Discos, Bars und Musikkneipen für alle, die gern ausgingen. Die Läden sind längst Geschichte, aber mit vielen Erinnerungen verknüpft, an die erste durchfeierte Nacht, die erste Zigarette, den ersten Rausch oder vielleicht sogar die große Liebe. Ein Essener erinnert sich.
Wolfgang Krämer lebt in Haarzopf. Der heute 73-Jährige, der sich im Bürgerverein Haarzopf-Fulerum und beim Turnerbund Haarzopf engagiert, war in den 1960er und 1970er Jahren viel im Essener Nachtleben unterwegs.
Junge Männer waren jedes Wochenende in der Essener Disco-Szene unterwegs
„Als 15-Jährige zogen wir ein- bis zweimal in der Woche in der Clique los, um unseren Spaß im Jugendheim der katholischen Kirche an der Liebigstraße in Frohnhausen oder im Jugendzentrum an der Papestraße zu haben. Cooler Tanzstil, bunte Klamotten – Hauptsache man war in“, erinnert er sich.
In den ersten Jahren sei die Clique – fünf bis acht junge Männer um die 20 – mit diversen Beat-Bands von Auftritt zu Auftritt gezogen, zum Beispiel The No mit Schlagzeuger Wolfgang Klasmeyer, The Boys, The Screamer und andere. Die spielten nicht nur im Jugendzentrum, sondern auch im Saal Hammacher in Frohnhausen, im Mellis in Borbeck, im Lido in Altendorf und im Steeler Stadtgarten.
Diese Treffpunkte wurden von den Diskotheken abgelöst, in denen keine Bands mehr auftraten, sondern ein Discjockey seine Scheiben, also Schallplatten, auflegte. „Da wir alles, was neu war, interessant fanden, zog es uns aus Frohnhausen und Holsterhausen erst einmal ins später legendäre Tabaris an der Wickenburg.“ Dort habe man sich regelmäßig getroffen.
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„Unglaublich, wie viele junge Leute in so eine kleine Disco passten. Wem es zu warm wurde, der trank seine Cola draußen. An meinem 18. Geburtstag flog ich um 22 Uhr aus dem Lokal, denn ich hatte keinen Ausweis dabei. 20 Minuten später war ich wieder da – mit Ausweis. Das waren noch strenge Zeiten“, blickt der Haarzopfer zurück. Wenn ihm die Getränke in der Disco zu teuer waren, habe er einfach nebenan in der Kneipe ein Krefelder für 80 Pfennig getrunken.
Die Jungs waren auf der Suche nach angesagten Läden und neuen Kontakten
Wer in den damals angesagten Läden verkehrte, musste natürlich auch in Sachen Mode und Tanzstil auf der Höhe der Zeit sein. Anregungen holte man sich damals gelegentlich in Düsseldorf. „Da sah ich, dass die Hemden Rüschen hatten und nicht mehr in der Hose getragen wurden. Gleich am nächsten Tag probierte ich das im Tabaris aus, wurde dafür noch ausgelacht. Das sollte sich ändern... Klamotten waren für mich das Wichtigste“, sagt Krämer – auch wenn angesichts der teuren Kleidung oft eine Cola mit Eis für den ganzen Abend reichen musste.
Sie seien damals kreuz und quer durch die Stadt gefahren, hätten manchmal vier oder mehr Diskotheken in einer Nacht besucht, immer auf der Suche nach etwas Besonderem. „Durch die Discos ging aber auch etwas an Kultur verloren. Die Skiffle- und Beatbands verloren ihre Auftrittsmöglichkeiten. Aber einige Bands gibt es bis heute, wie Jimmy und seine Starfighter.“
Als begeisterter Tänzer war Wolfgang Krämer viel auf der Tanzfläche zu finden, während andere eher an der Bar lehnten. „Wenn es uns dann doch zu voll oder zu langweilig wurde, weil man alle Mädchen schon kannte, die regelmäßig dort waren, zog es uns in die Essener Innenstadt. Dort konnte man von einer Disco in die andere fallen oder in den Löwenbräu-Keller zum Jekami-Abend (Jeder kann mitmachen) gehen.“
Manchmal fehlte das Geld für den Lokalwechsel
Die Discos damals hießen Le Bastard, Gretna Green (später hieß sie Charlys Diskothek), Black Horse, Pop Inn, Big Ben auf der Porschekanzel, First Saloon, San Franzisko, Safariclub und am Handelshof das legendäre Mississippi mit Discjockey Siggi Arden. Dort sei sogar die Popgruppe Boney M. aufgetreten, erzählt der Haarzopfer. Beliebt seien auch Siggis Kalei, das Bistro La Lumière, die Rüttenscheider Galerie und das Tram, ebenfalls in Rüttenscheid, gewesen. Im Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim war das East Side Anlaufstelle.
„Meinen ersten Whiskey habe ich im Gretna Green getrunken. Bourbon ohne Eis, nach der ersten Tanzpause schmeckte er warm wie Medizin. Manchmal fehlte uns das Geld für Lokalwechsel, denn entweder musste man Eintritt zahlen oder einen Verzehrbon kaufen“, beschreibt Krämer zu den damaligen Wochenendaktivitäten.
Ein Problem seien oft die Türsteher gewesen, die den Jungs manchmal den Zugang verwehrten. In den ersten Jahren habe es noch Krawattenzwang in den Discos gegeben. „Da konnte eine Lederjacke im Preis den Anzug deutlich übersteigen, man kam nur mit Krawatte und möglichst mit Jackett am Türsteher vorbei. Mit Rüschenhemden, zu denen keine Krawatte passte, hatte man ein Problem beim Einlass, zum Beispiel in den Weinstuben an der Lichtburg. Letztendlich lieh ich mir eine Krawatte aus, welche ich umlegte und dann oben im Lokal wieder abnahm“, so Krämer.
Für die Weinstuben sei seine Clique eigentlich zu jung gewesen, aber es habe ihnen mit 18, 19, 20 Jahren Spaß gemacht, „ältere“ Damen – so um die 25 – zum Tanz aufzufordern. Es war ein Wettbewerb, wer mehr Glück bei den Frauen hatte. Ein Freund, der Friseur war, habe den Jungs jeden Freitag in Krämers Junggesellenwohnung die Haare geföhnt, bevor sie in die Disco fuhren. Damals sei 20 Uhr noch eine gute Einstiegszeit fürs Nachtleben gewesen.
Irgendwann war die unbeschwerte Zeit zu Ende
Die Abende verliefen immer ähnlich: „Wir wollten auffallen, waren gut gekleidet, fast mit einheitlicher Frisur, der Scheitel mit dem Föhn geknickt. So erschienen wir einer nach dem anderen in unseren Discos. Sich an den Tisch zu setzen, kam nicht in Frage. Wir gingen meist bis ans Ende der Lokalität, um möglichst gesehen zu werden und zu schauen, was sich an möglichen Kontakten zum weiblichen Geschlecht ergeben könnte. Das war unser Ziel. Irgendwie blöd war dabei, dass man immer nach dem Mädchen suchte, das wohl zum ersten Mal in diesem Lokal war.“
Irgendwann waren sie das Umherziehen leid, suchten nach einer festen Freundin. Die Clique brach auseinander, als feste Beziehungen entstanden. „Dreieinhalb Jahre nach einer festen Beziehung nahm ich das Discoleben wieder auf, hauptsächlich im Mississippi, aber alles hatte sich verändert. Vor 22 Uhr brauchte man gar nicht loszugehen. Neue Beziehungen zu knüpfen, fiel mir schwerer. Die Leichtigkeit war dahin.“
Liebe Leser und Leserinnen: Was habt Ihr in der Essener Party- und Ausgehszene erlebt? Wie waren Eure Disco-Jahre? An welche Läden erinnert Ihr Euch? Schreibt uns, gern mit Foto, Eure Geschichten: redaktion.essen@waz.de
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