Essen-Holsterhausen. Nach 50 Berufsjahren hört der Friseur Karl-Heinz Jansen auf. Der Salon war Anlaufstelle für Stammkunden und Treff für die frühere Disco-Clique.

Wenn Karl-Heinz Jansen (65) an Heiligabend die Schere aus der Hand legt, ist das für viele ein trauriger Moment. Nicht nur die Kunden, die sich teils viele Jahre von Jansen die Haare machen ließen, werden seinen Eintritt in den Ruhestand bedauern. Auch für seine Jugendfreunde wird das ein schwerer Tag, denn sie trafen sich immer wieder, oft zufällig, im Friseursalon an der Kahrstraße und tauschten Erinnerungen aus.

„Wir waren damals eine Clique von sechs bis acht jungen Männern, so zwischen 18 und 22 Jahre alt. Wir haben damals gemeinsam die Diskotheken in Essen und Umgebung unsicher gemacht, waren oft zusammen unterwegs. Und Karl-Heinz hat dafür gesorgt, dass die Frisur auch saß“, so Wolfgang Krämer (66), heute Geschäftsführer des Turnerbundes Haarzopf.

Mit langer „Matte“, Schlaghosen und flottem Flitzer war Karl.-Heinz Jansen 1975 unterwegs.
Mit langer „Matte“, Schlaghosen und flottem Flitzer war Karl.-Heinz Jansen 1975 unterwegs. © Jansen

Ob Messerhaarschnitt oder Föhnfrisur – Karl-Heinz Jansen sorgte dafür, dass seine Freunde sich perfekt gestylt ins Nachtleben stürzen konnten. Die Jungs zahlten eine Pauschale und konnten dann auf die Fähigkeiten von Jansen zurückgreifen, wann immer es nötig war. „Damals ging man ja noch mit Anzug und Krawatte los“, erinnert sich Krämer. Oft besuchten die Freunde mehrere Tanzlokale an einem Abend, schauten, was dort los war und zogen dann weiter. „Wir waren mit dem Auto unterwegs. Alkohol spielte für uns keine Rolle. Wir wollten tanzen und Mädchen kennenlernen“, blickt Krämer zurück. Karl-Heinz Jansen lernte auf diesen nächtlichen Touren seine spätere Frau kennen, hat heute zwei erwachsene Töchter und vier Enkel.

Jansen freut sich auf mehr Zeit mit der Familie

Die Discos, in denen die Jungs damals ihre Freizeit, gern auch mal Abende mitten in der Woche, verbrachten, existieren nicht mehr: das legendäre Tabaris an der Wickenburg, das Kalei, das Mississippi, das Piccadilly oder das Studio B. „Ich freue mich auf den Ruhestand und werde jetzt mehr Zeit für Familie, Haus, Garten und mein Hobby Fotografie haben“, sagt Jansen, der heute in Dorsten lebt und jeden Tag zur Arbeit nach Holsterhausen kommt. „Ich habe in all den Jahren nie wegen Krankheit gefehlt, nur im Sommer mal für zwei Wochen Betriebsferien gemacht“, sagt der Friseur, der als Meister auch einige Lehrlinge ausbildete.

Seine berufliche Laufbahn begann er beim Frohnhauser Friseur Gertzen an der Wickenburg, wo er seine Lehre absolvierte, zwei Jahre als Geselle arbeitete und dann den Herren-Salon übernahm, während der Chef sich um die Damen-Frisuren kümmerte. Als der Sohn des Inhabers ebenfalls ins Friseurgeschäft einstieg, musste sich Jansen neue Räume suchen – die er 1984 an der Kahrstraße fand. Ein Teil der Kunden folgte ihm von Frohnhausen nach Holsterhausen. „Mit war immer wichtig, dass die Frisur zum Menschen passt. Nicht jeder kann alles tragen“, so Jansen. „Die Räume hier übernehmen jetzt meine Nachbarn, Architekten und Werbeleute.“

Diskretion war für den Friseur immer oberstes Gebot

Einen Großteil der Kunden kennt Jansen seit über 40 Jahren, oft kommt schon die dritte Generation in den Laden. „Ich bin so eine Art Lebensfriseur“, sagt Jansen von sich selbst. „Hier ging es nicht nur ums Haare schneiden, sondern auch um Kommunikation und Lebensberatung. Wer zu Karl ging, brauchte keinen Psychologen“, versichert Wolfgang Krämer.

Jansen betätigte sich sogar mal als Job-Vermittler, brachte Arbeitsuchende und Arbeitgeber zusammen. Wer gerade in finanziellen Turbulenzen war, bekam auch schon mal einen Trockenhaarschnitt für wenig Geld verpasst. Bei allen persönlichen Themen sei Diskretion natürlich oberstes Gebot gewesen, erinnert sich der Friseur. „Man erfährt viel, wenn die Menschen über Jahre kommen.“