Wie Reinhard Krause die 80er im Ruhrgebiet fotografierte
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Essen. Der Fotograf Reinhard Krause ist in Essen aufgewachsen und hat jüngst einige seiner alten Schätze ins Netz gestellt. Sie haben das Zeug zu Foto-Ikonen.
Es mag an den damaligen Frisuren liegen, an der Kleidung, an einer bestimmten Art sich zu geben; auch die fremd wirkende Kargheit, ja Härte mancher Straßenszenen spielt wohl eine Rolle und das heute museal eingehegte Pathos der Schwerindustrie. Wer die Bilder von Reinhard Krause betrachtet, merkt jedenfalls plötzlich, dass auch die 1980er Jahre inzwischen eine ferne Zeit sind, zumal im Ruhrgebiet, zumal in Essen, wo sich in den letzten 30, 40 Jahren unter dem Zeichen des Strukturwandels sehr viel verändert hat.
Der 56-jährige Reinhard Krause, heute Bildjournalist bei der Nachrichtenagentur Reuters in London, gehörte bislang nicht zu den allseits bekannten Foto-Chronisten des Ruhrgebiets. Doch vor kurzem stellte er einen Teil der Aufnahmen aus seiner Essener Jugendzeit auf seine Seite im sozialen Netzwerk Facebook „Die 80er im Ruhrgebiet“ – und fand sofort interessierte Betrachter. Völlig zu Recht. Man spürt sofort, ob ein Fotograf nur in der Nähe war oder wirklich dicht dran, ob er Angst hat oder mutig ist, ob er die Menschen für sich gewinnen kann oder nicht, ob er einen Blick hat für das Besondere, das Faszinierende, das Skurrile. Krauses Bilder zeigen, dass er es kann.
Bilder im Jugendzentrum an der Papestraße entwickelt
Schon immer fanden Fotografie-Begeisterte die Region faszinierend, weil sie ungeheuer reich ist an Kontrasten. Das ging auch dem jungen Reinhard Krause so, der in Kettwig aufwuchs und sich als Teenager in der Härterei bei Krupp in Altendorf das Geld für seine erste Kamera verdiente.
Leben im Ruhrgebiet der 80er-Jahre
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An dieser Stelle ein Hoch auf das alte Jugendzentrum an der Papestraße: „Dort gab es eine Dunkelkammer mit Fotopapier und Chemikalien, und ich konnte immer alles benutzen“, erinnert sich Krause. Jugendarbeit, die offensichtlich von Erfolg gekrönt war.
Erst war das Fotografieren nur Spaß, dann gab’s die ersten Auftraggeber, aber das rein Autodidaktische reichte Krause nicht. Er studierte Fotografie in Dortmund, nebenbei ging er auf ausgedehnte Kamera-Streifzüge mit dem Schwerpunkt Essen, wo er bis 1989 lebte. In der Alt-Disco „Kalei“ (heute Hotel Schanghai) oder im gleichfalls unvergessenen „Pink Palace“ fand Krause ebenso Motive wie beim Karneval, in der Tram, in Bergarbeiterkneipen oder schlicht auf der Straße. Er fotografierte Schlägereien, die aussehen wie arrangiert, aber verdammt ernst waren. „Ich habe auch selbst mal was auf die Mütze gekriegt.“ Berufsrisiko eben. „Ich habe damals gelernt, wie ein Berufsfotograf Konflikte besteht.“ Wertvolle Erfahrungen, die ihm später noch oft von Nutzen waren.
Die Arbeitskämpfe als Fotomotiv
Zur Alltagsfotografie kam das Sozialpolitische. Von den großen Arbeitsplatzkämpfen der 1980er Jahre – als Symbol dafür steht Krupp in Rheinhausen – war Krause wie alle ambitionierten Fotografen elektrisiert. Er hielt aber auch Stadtbilder fest, die es so längst nicht mehr gibt, die die Nähe von Mensch und Industrie dokumentieren. „Ich habe genau gemerkt, im Ruhrgebiet geht gerade etwas zu Ende, und mich ärgert heute, dass ich damals nicht noch viel mehr solche Bilder gemacht habe“, sagt Krause. Doch hätten Kollegen solche Bilder oft als Klischees abgetan, von denen sich ein guter Bildjournalist fernhalten solle. „Man musste sich fast schon rechtfertigen, davon habe ich mich zu sehr beeinflussen lassen.“
Leben im Ruhrgebiet in den 80ern
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Zwei Berufsjahre verbrachte Krause als Unternehmensfotograf bei der Messe Essen, 1989 ergab sich nach der Wende dann die Chance nach Bonn zu Reuters zu gehen. Es folgten Agentur-Stationen in ganz Deutschland, aber auch in Jerusalem, Peking, Neu Delhi, jetzt London – die Welt als Arbeitsplatz, was kann so einen Vollprofi noch beeindrucken.
Doch als er jetzt die Bilder vom Beginn seiner Karriere ins Netz stellte, sei er geradezu überwältigt gewesen von den vielen positiven Reaktionen. Eine Dame fand auf einem Foto ihren verstorbenen Vater und bat um einen Abzug für die über 90-jährige Witwe. Er habe eine alte Frau „sehr glücklich gemacht“, las er später zum Dank. Das, sagt Krause, sei schon sehr bewegend gewesen.
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