Essen. 40 Jahre Deutscher Tanzpreis in Essen mit viel Prominenz, auch aus der Politik. Frühere Stars des Pina-Bausch-Ensembles werden rauschend gefeiert

Pina Bausch, Inklusion und Vielfalt waren die Leitsterne, die die gesamte Verleihungs-Prozedur des „Deutschen Tanzpreises 2023“ im vollbesetzten Essener Aalto-Theater überstrahlten. Ein Name und zwei Ziele, die die Auswahlkriterien der bedeutendsten deutschen Tanzauszeichnung seit ihrer Gründung vor 40 Jahren prägen. Ein Jubiläum, das der ausrichtende „Dachverband Tanz Deutschland e.V.“ mit einer viereinhalbstündigen Gala feierte, bei der gleich sechs Persönlichkeiten der Tanzszene ausgezeichnet wurden.

Der Hauptpreis ging an vier enge und langjährige Mitstreiter von Pina Bausch, nämlich Malou Airaudo, Josephine Ann Endicott, Lutz Förster und Dominique Mercy. Herausragende „Stars“ des Ensembles, die wesentlich zum weltweiten Erfolg und einzigartigen Profil des vor 50 Jahren gegründeten Wuppertaler Tanztheaters beitrugen.

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Verdient hätte ihn durchaus auch Mechthild Großmann, die schillernde Schauspielerin, die derzeit im Münsteraner Tatort über die Bildschirme flimmert, allerdings über 30 Jahre zum festen Stamm des Pina-Bausch-Ensembles gehörte, die die Geehrten bestens kennt und in einer Laudatio würdigte, die an Herzlichkeit, feinem Humor und pointierter Charakterisierung ihrer eng verbundenen Weggefährtinnen und -gefährten einen nicht nur menschlich anrührenden Höhepunkt des Abends markierte.

Pina Bausch hat „den Tanz menschlicher gemacht“

„Tatort“-Star Mechthild Großmann fand in ihrer Laudatio im Essener Aalto-Theater sehr persönliche und humorvolle Worte für die Preisträgerinnen und Preisträger des Deutschen Tanzpreises 2023.
„Tatort“-Star Mechthild Großmann fand in ihrer Laudatio im Essener Aalto-Theater sehr persönliche und humorvolle Worte für die Preisträgerinnen und Preisträger des Deutschen Tanzpreises 2023. © Ursula Kaufmann | Ursula Kaufmann

Ihren bühnenreifen Auftritt und die Dankesworte der Preisträger durchzog eine tiefe Verehrung für Pina Bausch, die 1995 mit der Auszeichnung beehrt wurde, die, so Mechthild Großmann, „uns allen ein sehr besonderes Leben geschenkt“ und, so Josephine Ann Endicott, „den Tanz menschlicher gemacht“ habe.

Videoportraits der Geehrten und vier Live-Beiträge, ausgeführt vom Wuppertaler Tanztheater und dem Folkwang Tanzstudio, erinnerten an die kreative Kraft der vor 14 Jahren verstorbenen Tanz-Ikone, gipfelnd in Ausschnitten aus dem legendären „Kontakthof“.

Wenn Oberbürgermeister Thomas Kufen bekräftigt, die Verleihung des Tanzpreises gehöre nach Essen und Kultur-Ministerin Ina Brandes NRW als „Land des Tanzes“ würdigte, greift eine regionale Begrenzung natürlich zu kurz. Alle Statements, auch die der Vorstandsmitgliederinnen des Dachverbands, Rajsyashree und Sabine Gehm, sowie der per Video zugeschalteten Bundesbeauftragten für Kultur Claudia Roth betonten den Beitrag des Tanzes für Zusammenhalt und Toleranz in einer diversen Gesellschaft.

Kultur-Ministerin Ina Brandes würdigt NRW als „Land des Tanzes“

Der Kult im Umfeld Pina Bauschs ließ fast vergessen, dass im ersten Teil des Abends mit Peter Appel und Sophia Neises zwei weitere Persönlichkeiten ausgezeichnet wurden. Peter Appel erhielt eine „Ehrung für das Lebenswerk“ für seinen unermüdlichen tanzpädagogischen Einsatz, mit dem er ganze Generationen von Solisten und Choreografen prägte. In verschiedenen leitenden Positionen trug er wesentlich zum hervorragenden Ruf großer Compagnien in Basel, Köln, Hamburg und Düsseldorf bei. Und das mit seiner ausgeprägten Fähigkeit, die Individualität jeder Tänzerin und jeden Tänzers zu erfassen und zu fördern. Für die 90-jährige Legende nahm Sabrina Sadowska den Preis in Empfang. Einen Preis, der ihn „ein wenig stolz“ mache, den er aber mit „großer Freude“ entgegen nehme, wie er schriftlich mittelte.

Sophia Neises will mehr Möglichkeiten im Tanz für behinderte Personen schaffen. Beim Kultursalon auf Pact Zollverein sprach sie schon im Vorfeld der Tanzpreis-Gala über ihre Arbeit. 
Sophia Neises will mehr Möglichkeiten im Tanz für behinderte Personen schaffen. Beim Kultursalon auf Pact Zollverein sprach sie schon im Vorfeld der Tanzpreis-Gala über ihre Arbeit.  © Eva Raduenzel | Eva Raduenzel

Inklusion hat nicht nur der „Dachverband Tanz“ auf seine Fahnen geschrieben, sondern auch Sophia Neises, die sich als Dramaturgin und Tanzpädagogin nachhaltig für „Teilhabe und Barrierefreiheit“ im Umgang mit behinderten Künstlern und Konsumenten einsetzt. Selbst stark sehbehindert, gelang es ihr in zahlreichen Produktionen, neue Handlungsmodelle zu entwickeln, nicht zuletzt mit der Absicht, „die kritische Wahrnehmung der stigmatisierten Rolle von behinderten Menschen sowohl auf der Bühne als auch im Alltag zu schärfen“.

Inklusion und Vielfalt sind wichtige Themen beim Deutschen Tanzpreis

Gastensembles aus Berlin und Dresden und das Aalto Ballett sorgten für das Rahmenprogramm beim Deutscher Tanzpreis.
Gastensembles aus Berlin und Dresden und das Aalto Ballett sorgten für das Rahmenprogramm beim Deutscher Tanzpreis. © Ursula Kaufmann | Ursula Kaufmann

Dass es der Dachverband damit ernst meint, zeigt sich auch in der Übersetzung der gesprochenen Beiträge durch die beiden Gebärdendolmetscherinnen Elisabeth Brichta und Esther Schuler sowie die Audiodeskriptoren Felix Koch und Jutta Polić, bei denen sich die wie stets charmant und souverän durch das Programm führende WDR-Moderatorin Siham El-Maimouni mehrfach bedankte.

Mit eindrucksvollen Beiträgen ergänzten Mitglieder der Staatlichen Ballettschule Berlin sowie des Dresdner Semperoper Balletts den ersten Programmblock des langen Abends.

Seit 1983 wird der von Ulrich Roehm begründete „Deutsche Tanzpreis“ jährlich vergeben, seit 2018 durch den „Dachverband Tanz Deutschland“. Der Hauptpreis ist mit 20.000 Euro dotiert, die weiteren Ehrungen mit jeweils 5.000 Euro. Im letzten Jahr wurden u.a. die Choreografen Marco Goecke, Christoph Winkler und Reinhild Hoffmann geehrt. Die Verleihung des nächsten Tanzpreises ist für den 12. Oktober 2024 vorgesehen.

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