Gelsenkirchen. Die aus dem „Münster“-Tatort bekannte Schauspielerin Mechthild Großmann probt am Gelsenkirchener Musiktheater. So sieht sie den Begriff Heimat.
Das TV-Publikum kennt sie vor allem aus dem Münster-Tatort als kettenrauchende Staatsanwältin mit markant tiefer Stimme. Dabei ist Schauspielerin Mechthild Großmann so viel mehr als Wilhelmine Klemm, u.a. war sie jahrzehntelang Mitglied des legendären Wuppertaler Tanztheaters von Pina Bausch. Derzeit probt die 74-Jährige am Musiktheater im Revier für ihre Rolle in der Oper „Bernarda Albas Haus“. Die WAZ sprach mit Mechthild Großmann über Heimat, Stimmungen und Stimmlage.
Gelsenkirchen: So fand eine bekannte Schauspielerin zum Musiktheater im Revier
Sie leben in Hamburg, sind auf vielen Bühnen unterwegs. Wie entstand der Kontakt zum Musiktheater Gelsenkirchen?
Mechthild Großmann: Herr Hilsdorf hat mich angerufen und gefragt, ob ich die Rolle der alten Maria Josefa in der Aribert Reimann-Oper übernehmen würde. Hilsdorf hat mich 1971 zum ersten Mal in Bremen gesehen und daran hat er sich erinnert, da war ich ganz gerührt. Dann hat er mich in Hamburg besucht, wir haben lange über die Figur geredet. Er hat mich ein bisschen überredet, aber ich hab gerne zugesagt.
Lernten Sie Gelsenkirchen bereits während Ihrer Zeit am Schauspielhaus Bochum und beim Tanztheater in Wuppertal kennen?
(lacht) Wissen Sie, wie viel wir bei Pina Bausch gearbeitet haben? Ich hatte oft nicht mal die Zeit, meine Post zu öffnen. Ich hatte kaum einen freien Abend im Jahr. Ich arbeite bis heute immer noch sehr viel, und wenn ich einen freien Abend habe, dann gehe ich nicht ins Theater.
Was reizt Sie an dieser Oper nach dem Schauspiel von Federico Garcia Lorca und was an der Figur der alten Bernarda-Mutter?
Diese Oper ist ein sehr großartiges, sehr trauriges Stück. Ich kannte bislang nur das Schauspiel. Die Rolle der Maria Josefa ist eine kleine mit drei Auftritten. Die Frau ist 80 Jahre alt, das ist jetzt offensichtlich mein Rollenfach. Sie ist wahnsinnig und hat die Funktion, die Narren bei Shakespeare haben, die sagen die Wahrheit, auch wenn sie das in merkwürdigen Texten tun.
Mechthild Großmann über das Gelsenkirchener MiR: „Das ist ein wirklich schönes Theater“
Aribert Reimann schrieb keine Wohlfühlmusik zum Zurücklehnen. Wie gelang Ihnen der Zugang?
Indem ich sie möglichst oft gehört habe. Das ist schon eine sehr ungewöhnliche Musik und man muss sich da reinhören auf den Proben. Johannes Harneit, der musikalische Leiter, hat intensiv mit mir gearbeitet, denn die Texte sind genau auf den Rhythmus der Musik geschrieben. Da bekommt man als Schauspieler erst mal Angst.
Dietrich Hilsdorf galt lange als Provokateur und fordernder Regisseur. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?
Hilfsdorf ist unterhaltsam und äußerst amüsant, er weiß sehr viel über Theater. Er kreiert die Rollen sehr intensiv, das ist ganz besonders an ihm.
Und das Haus?
Es ist ein wirklich schönes Theater, auch weil es hier noch eine Kantine gibt. Da kommt man rein, jeder grüßt, das ist nicht mehr überall so.
Münster-Tatort: „Dass der Tatort so erfolgreich wurde, das konnte man ja nicht ahnen“
Ist Münster, wo Sie geboren wurden, für Sie heute vor allem ein Tatort oder noch immer Heimat?
Ich bin da geboren, aber ich bin im Norden aufgewachsen. Ich war acht Jahre alt, als wir aus Münster wegzogen. Aber meine Eltern liegen beide auf dem Zentralfriedhof. Im Moment spiele ich zudem am Theater Münster in „Vermächtnis“, das spielen wir auch noch in den nächsten Monaten. Ach, wissen Sie, wir Schauspieler leben in so vielen Städten, mein Heimatbegriff bezieht sich immer eher auf meine jeweilige Wohnung als auf die Stadt.
Was für ein Gefühl ist das, ausgerechnet in Ihrer Geburtsstadt für diese Erfolgskrimis zu drehen?
Ich wurde 2002 angerufen, um eine kleine Zubringerrolle zu übernehmen. Dass der Tatort dann so erfolgreich wurde, das konnte man nicht ahnen. Die Rolle ähnelt dem Theater insofern, als dass ich die Mitspieler seit 20 Jahren kenne, das hat dann schon Ensemble-Charakter. Ich bin treu und arbeite gerne so lange mit Menschen zusammen. Mit Axel Prahl hab ich am meisten zu tun, weil er ja mein Untergebener ist.
Sitzen Sie vor dem Fernseher, wenn der Münster-Tatort läuft?
Ja sicher! Ich seh’ den dann meist zum ersten Mal (lacht laut).
Mechthild Großmanns Erinnerungen an Pina Bausch: „Arbeit, Arbeit, Arbeit“
Sie waren von 1976 bis 2017 Ensemblemitglied am Wuppertaler Tanztheater. Was erinnern Sie besonders an Pina Bausch?
Arbeit, Arbeit, Arbeit. Und ihr Lächeln. Sie hatte tausende Arten von Lächeln, sie redete nicht gerne, aber man konnte ihre Zustimmung oder Ablehnung im Lächeln ablesen. Pina Bausch, das war Heimat für mich. Sie hat mir ein sehr reiches Leben geschenkt. Wenn ich an sie denke, tue ich das mit großer Sehnsucht und Verbeugung.
Eine Schauspielerin unter Tänzerinnen und jetzt unter Sängerinnen. Wie gut funktioniert die Zusammenarbeit?
Ich bin ganz gern an Orten, wo es nicht nur Schauspiel gibt. Das ist so eine generelle Bewunderung der Gesamtkunst, auch der Bühnenbildner. Ich bewundere meine Sänger-Kolleginnen sehr und staune auf den Proben, das ist ungeheuerlich.
Nervt es Sie, wenn Sie heute vor allem als TV-Figur erkannt und angesprochen werden?
Wenn die Leute freundlich sind, nicht, wohl aber, wenn sie aggressiv und übergriffig sind, die Privatsphäre nicht respektieren. Und das kommt immer häufiger vor.
Dafür nervt sicherlich die immer wieder gestellte Frage nach Ihrer markant tiefen Stimme, oder?
Ach, fragen Sie ruhig. Ich hatte schon als Kind fast so eine dunkle Stimme. Aber sie ist nicht nur ein Geschenk. Sie ist genauso zerstörend wie hilfreich. Ich habe als junges Mädchen keine einzige Liebhaberin dargestellt, dafür hab ich erst mal alle Nutten rauf und runter gespielt. So manche Rolle bekam ich wegen der Stimme nicht.
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