Essen. In Essen wird die höchste Auszeichnung für den Tanz in Deutschland verliehen. Warum sich 2022 zwei Choreografen die besondere Ehrung teilen.

Die höchste Auszeichnung für den Tanz im Lande, der Deutsche Tanzpreis, soll gleichzeitig auch die ganze Breite des Genres abbilden. In diesem Jahr wird das besonders deutlich, wenn erstmals in der fast 40-jährigen Tanzpreis-Geschichte gleich zwei Choreografen die Auszeichnung im Essener Aalto-Theater entgegennehmen. Mit Marco Goecke (50) und Christoph Winkler (54) wolle man diese Vielfalt so ganz bewusst hervorheben, heißt es beim auslobenden Dachverband Tanz Deutschland.

Denn geehrt werden zwei Tanzschöpfer mit besonderer Handschrift und unterschiedlicher Herkunft: der eine aus West-, der andere aus Ostdeutschland, der eine hauptsächlich an festen Häusern beschäftigt, der andere vornehmlich in der freien Szene unterwegs.

Marco Goecke
Marco Goecke © Dachverband Deutscher Tanz | Dachverband Deutscher Tanz

Außerdem wird 2022 ein Ehrenpreis für das Lebenswerk ausgelobt. Er geht an die im Ruhrgebiet wohlbekannte Tänzerin, Choreografin und Regisseurin Reinhild Hoffmann (78) als „Pionierin des deutschen Tanztheaters“. Eine weitere Auszeichnung bekommt der Verein Aktion Tanz – Bundesverband Tanz in Bildung und Gesellschaft e.V..

Am 15. Oktober sollen die Auszeichnungen im Rahmen einer großen Gala im Aalto-Theater vergeben werden. Nach zwei pandemiebedingt stark eingeschränkten Jahren hoffe man beim Dachverband Tanz Deutschland, die Auszeichnungen im Rahmen eines festlichen Tanzprogrammes nun wieder vor „großem Publikum“ vergeben zu können. Gleichwohl wird die Veranstaltung weiterhin auch als Stream angeboten (Anmeldungen sind ab sofort möglich). Auch das begleitende Symposium, das sich um Menschen mit Behinderungen und deren Zugang zum Tanz beschäftigt, kann digital besucht werden.

Kampfsportler, Breakdancer und Absolvent der Staatlichen Ballettschule Berlin

Für ganz unterschiedliche choreografische Werdegänge stehen die diesjährigen Tanzpreis-Geehrten: Christoph Winkler, in der damaligen DDR geboren, einstiger Spartakiade-Sieger im Gewichtheben, Kampfsportler, Breakdancer und Absolvent der Staatlichen Ballettschule Berlin, gilt als Tanzschöpfer mit (gesellschafts-)politischem Antrieb. Das Spannungsfeld seiner Arbeiten reiche von Faschismus und Kapitalismuskritik bis zur Altersarmut, so die Jury in der gestrigen Preisverleihung. Winkler weitet den künstlerischen Blick außerdem über den eurozentristischen Raum hinaus. „Ich arbeite auch in Regionen, wo der Tanz alleine, also ohne Förderung klar kommen muss“, so Winkler bei der Preis-Bekanntgabe. „Vielleicht werden auf der Welt heute noch ein paar Korken knallen!

Christoph Winkler
Christoph Winkler © Cayo Vieira | Cayo Vieira

Widerstände als Herausforderung anzunehmen, prägt auch das Werk von Marco Goecke. „Unbeirrt von der anfänglichen negativen Resonanz auf seine ungewöhnliche choreografische Handschrift entwickelte Goecke weitere Werke, die ihn zu einem herausragenden Choreografen der Gegenwart machen“, sagt die Jury über seine Arbeit. „Originalität und ein einzigartiges Tanzvokabular“ hat Goecke nicht nur als Hauschoreograf am Stuttgarter Ballett und seit 2020 als Ballettdirektor in Hannover gezeigt. Kompanien von Den Haag bis Monaco setzen seine Choreografien auf den Spielplan.

Infos zum Tanzpreis

Der Deutsche Tanzpreis 2022 wird am 15. Oktober im Essener Aalto-Theater verliehen. Die renommierte Auszeichnung wird seit 1983 jährlich vergeben.

Der Kartenvorverkauf beginnt am 14. Mai. Bis zum 26. Mai gibt es einen Frühbucherrabatt von 10 Prozent. Karten gibt es im Ticket-Center der Theater und Philharmonie, II. Hagen 2, unter Tel. 0201-8122-200 und online www.theater-essen.de

Karten für den Live-Stream können zum Preis von 5 Euro ab sofort unter eventim erworben werden: www.eventbrite.de

Begleitend zur Tanzpreisverleihung richtet der Dachverband Tanz Deutschland vom 13. bis 15. Oktober ein Online-Symposium aus. Im Zentrum steht die Arbeit von Künstlerinnen und Künstlern mit Behinderungen.

Prägend auch das Werk von Reinhild Hoffmann, die ab den 1970ern eine eigene choreografische Sprache von unverwechselbarer Bildfantasie geschaffen haben. Die Kurt-Jooss-Schülerin war in den 1970ern neben Susanne Linke Leiterin des Essener Folkwang-Tanzstudios und später Gründerin des Theatertanzensembles am Bremer Theater, Mitte der 1980er wechselte sie ans Schauspielhaus Bochum. Ihre Stücke wurden mehrfach zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Alle drei Hauptpreise sind mit jeweils 10.000 Euro dotiert.