Essen-Kettwig. Mit der Verwertung von Speiseresten, Fetten und Mist hat der Essener Landwirt Einhart im Brahm Erfahrung. Warum das für Dänen interessant ist.

‍Sammlung, Aufbereitung, Vergärung und Verstromung: Der Kundenkreis des in den Kettwiger Ruhrauen beheimateten Recycling-Betriebs im Brahm reicht von Kleve bis Euskirchen, vom Kreis Heinsberg bis zum Oberbergischen Kreis. Mehr als 20 Jahre Erfahrung mit der Verwertung von Speiseresten, Fetten und Mist zu nützlichem Biogas stecken mittlerweile in dem Unternehmen, das Einhart im Brahm, 56, aus dem einst rein landwirtschaftlichen Betrieb heraus entwickelt hat.

Das ist interessant für ausländische Firmen. So war dieser Tage eine Vertreterin der Königlich Dänischen Botschaft in Deutschland mit einem Unternehmensberater ihres Landes vor Ort in Kettwig, um sich die Biogasanlage anzuschauen. Denn Dänemark setzt bereits seit längerem auf Biogas und fördert Großunternehmen, die Mist und Gülle sowie Lebensmittelabfälle einsammeln und verwerten. 30 Prozent beträgt der Anteil am Gasmarkt beim nördlichen EU-Nachbarn aktuell, in nicht allzu ferner Zukunft sollen es 100 Prozent sein.

Firmen suchen Kooperationspartner in NRW

Für das expandierende Geschäft suchen dänische Firmen Kooperationspartner, sagt Berater Marten Jacobsen. „Wir schauen uns dazu verschiedene Betriebe in NRW an“, erläutert Kathrin Holm, die bei der Königlich Dänischen Botschaft für den Fachbereich Energie, Wasser und Umwelt zuständig ist. Netzwerken sei das Ziel, um gemeinsam auf dem europäischen Markt zu bestehen. Denn Fördermittel seien rar und zumeist zeitlich begrenzt. Neben Fachverbänden könnten Leuchtturmprojekte wie das vom Hof im Brahm für eine Zusammenarbeit in Betracht kommen, schätzen die Gäste, die von Einhart in Brahm und seinem Sohn Mathias über das Gelände geführt werden.

Das Material aus den Pferdehöfen muss erst aufbereitet werden, damit es den Bakterien „schmeckt“.
Das Material aus den Pferdehöfen muss erst aufbereitet werden, damit es den Bakterien „schmeckt“. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

„Wir müssen den Mist für die Bakterien erst einmal interessant machen, das heißt zerkleinern, damit sie Spaß daran haben“, erläutert Einhart im Brahm – und nimmt eine Handvoll Stroh auf, die mit Pferdemist durchsetzt ist. „Früher haben wir Kuhmist verarbeitet, aber Kühe gibt es in der Gegend kaum noch. Die meisten Höfe haben auf Pferdehaltung umgestellt.“

Die Zersetzung geschieht unter Luftabschluss

Gülle wanderte früher auf die Felder, aufbereitete Speisereste seien bis ins Jahr 2006 an die hofeigenen Schweine verfüttert worden, so im Brahm: „Das ist dann aber von der EU verboten worden, aus Seuchengründen.“ Seitdem kommen die Speisereste und der zerkleinerte Mist in die Biogasanlage. In den charakteristischen runden Behältern wird das organische Material unter Luftabschluss und bei 40 Grad Celsius mithilfe der Bakterien zersetzt. Dieser Prozess findet ebenso in Kläranlagen wie auch in Mooren oder im Pansen einer Kuh statt.

In den Blockheizkraftwerken entstehen aus verbranntem Biogas Strom und Wärme.
In den Blockheizkraftwerken entstehen aus verbranntem Biogas Strom und Wärme. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

In Kettwig entstehen Biogas mit knapp 60 Prozent Methananteil und als Nebenprodukt ein Substrat, welches als Düngemittel sehr gefragt ist. Wird das Biogas im Blockheizkraftwerk verbrannt, wird aktuell zwei Megawatt Strom erzeugt – und es entsteht Wärme.

Wärme wird an die Nachbarn abgegeben

Einhart im Brahm: „Wir haben ein privates Nahwärmenetz.“ So wird Wärme in die Nachbarschaft und an das Schlosshotel Hugenpoet geliefert und nebenbei der familieneigene Swimmingpool beheizt. Biogas kann aber auch zu Biomethan aufbereitet werden. Dann kann es ins Erdgasnetz eingespeist oder als Treibstoff in Erdgasfahrzeugen verwendet werden.

Einhart im Brahm in der Steuerzentrale des Blockheizkraftwerks auf seinem Kettwiger Hof.
Einhart im Brahm in der Steuerzentrale des Blockheizkraftwerks auf seinem Kettwiger Hof. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Ab 2024 wird das Kettwiger Recycling-Unternehmen das überschüssige Biogas, und davon gibt es mittlerweile reichlich, ins städtische Netz geben. Die Vereinbarung mit den Stadtwerken Essen steht. Genutzt werden soll die große Gasleitung, die in der Landsberger Straße noch aus Zeiten der Firma Classen Papier in der Erde liegt.

Während sich Alexander im Brahm auf die Zucht des Ruhrtaler Freilandschweins spezialisiert hat, treibt sein Bruder Mathias den Umbau des einst klassischen Bauernhofes an der Landsberger Straße weiter voran. „Die Masttierhaltung haben wir komplett aufgegeben. Die letzten Schweineställe werden jetzt noch umgebaut“, verweist er bei der Führung auf die Baustelle neben dem Blockheizkraftwerk. Die Zukunft liege bei der Erzeugung nachhaltiger Energie. Da können die dänischen Gäste nur zustimmen.

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