Essen-Kettwig. Auf dem Hof im Brahm in Essen-Kettwig wird Biogas produziert. Um dies ins städtische Netz einzuleiten, muss der Landwirt einige Hürden überwinden.
Wie können wir unabhängig werden von russischem Gas? Eine Antwort findet sich auf einem Bauernhof in Kettwig vor der Brücke. Dort bewirtschaftet die Familie im Brahm den Betrieb nun schon in fünfter Generation.
Aus Speiseresten umliegender Hotels und Restaurants sowie aus Pferde- und Schweinemist wird auf dem Bauernhof CO2-neutrales Biogas gewonnen. Und zwar mit Rohstoffen, die in der Region anfallen und nicht mit Lebensmitteln in Konkurrenz stehen.
Biogas ist wie Sonnen-, Wasser- und Windenergie eine regenerative Energiequelle, die zur Einsparung fossiler Brennstoffe beiträgt und die Umwelt schont. Einhart im Brahm möchte es zukünftig in das städtische Netz einleiten. Im Jahr 2024 wird es soweit sein.
Nachhaltige Energieversorgung in der Biogasanlage
Für den engagierten Landwirt wäre das ein erster Schritt in Sachen nachhaltiger Energieversorgung. Das mittelständische Unternehmen von Einhart im Brahm hat 40 Mitarbeiter und rund tausend Kunden. Ende der 1980er Jahre fiel die Entscheidung, auch auf nachhaltige Entsorgung von Fetten, Ölen und anderen Küchenabfällen zu setzen. Bis ins Jahr 2006 seien die Reste an die hofeigenen Schweine verfüttert worden, so im Brahm: „Das ist dann aber von der EU verboten worden, aus Seuchengründen.“ Seitdem kommen die Speisereste in die Biogasanlage.
Dort wird das organische Material unter Luftabschluss und bei 40 Grad Celsius mithilfe von Bakterien zersetzt. Dieser Prozess findet genauso in Kläranlagen wie auch in Mooren oder im Pansen einer Kuh statt. In Kettwig entstehen Biogas mit knapp 60 Prozent Methananteil und als Nebenprodukt ein Substrat, welches als Düngemittel sehr gefragt ist. Wird das Biogas im Blockheizkraftwerk verbrannt, wird aktuell zwei Megawatt Strom erzeugt und es entsteht Wärme.
Genau die Art von Kreislaufwirtschaft, von der immer die Rede sei, findet Einhart im Brahm: „Wir haben ein privates Nahwärmenetz.“ So wird Wärme in die Nachbarschaft und an das Schlosshotel Hugenpoet geliefert und nebenbei der familieneigene Swimmingpool beheizt. Biogas kann aber auch zu Biomethan aufbereitet werden. Dann kann es ins Erdgasnetz eingespeist oder als Treibstoff in Erdgasfahrzeugen verwendet werden.
Überschüsse sollen ins städtische Netz gegeben werden
Die Kettwiger produzieren inzwischen aber dermaßen viel Biogas, dass sie die Überschüsse gerne ins städtische Netz einspeisen möchten. Da hilft der Umstand, dass hier unter der Landsberger Straße die große Gasleitung für den früheren Betrieb Classen Papier liegt.
Die Stadtwerke Essen haben die entsprechenden Verträge mit dem Eigentümer der Biogasanlage bereits unterzeichnet. Dazu erklärte Unternehmenssprecherin Christin Nottenbohm: „Wir als Gasnetzbetreiber in Essen sind dazu verpflichtet, Verträge vorrangig mit Transportkunden von Biogas abzuschließen und entsprechend Biogas zu transportieren, soweit diese Gase netzkompatibel sind. Das ergibt sich aus § 34 der Gasnetzzugangsverordnung.“
Mehr Strom aus Biogas als aus Atomkraft
Seit Wochen wird darüber diskutiert, ob eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke Emsland, Neckarwest und Isar 2 in der Krise weiterhilft. Erstaunlich, dass in dieser Debatte Bioenergie nicht stattfindet. Dabei ist sie wie Atomstrom jederzeit verfügbar, unabhängig von Tageszeit oder Witterung.
Deutsche Biogasanlagen produzieren mit 33,2 Milliarden Kilowattstunden jährlich mehr Strom als die drei AKWs zusammen. Das reicht für 9,5 Millionen Haushalte.
Bevor jedoch das Biogas eingespeist werden könne, müsse die Gasbeschaffenheit geprüft, Geruchsstoff hinzu gemischt, der Druck an das Netz angepasst und ein Übergabepunkt an das vorhandene Gasnetz angebaut werden. Die Inbetriebnahme werde voraussichtlich Anfang 2024 erfolgen.
Auch Pferdemist wäre zur Verstromung nutzbar
Einhart im Brahm geht das eigentlich nicht schnell genug: „Deutschland hat keine Zeit.“ Auch denke er schon an einen Ausbau seiner Anlage: „Hier im Ruhrtal gibt es jede Menge Pferde. Deren Mist könnten wir zur Leistungserweiterung nutzen und noch mehr Gas ins städtische Netz einspeisen. Wir würden dann nur noch an typischen diesigen Wintertagen Strom produzieren.“ Seine Beispielrechnung: „Aktuell wären wir bei einem umgerechneten Energiewert von jährlich einer Millionen Liter Heizöl. Das würde für Kettwig vor der Brücke reichen, wenn sich alle zusammenreißen. Mit einem Ausbau wären wir zum Dreifachen in der Lage. Das würde dann sogar für ganz Kettwig reichen.“