Kettwig. . Der Kettwiger Alexander im Brahm betreibt die Ruhrtaler Freilandschweine. Was ihn von anderen Bauern unterscheidet und was seine Ziele sind.

An den Ruhrauen an der Landsberger Straße herrscht ein ganz schön reges Treiben: Lautes Grunzen und quietschen ist zu hören. Denn hier, auf dem Hof von Alexander im Brahm, leben 500 Schweine – und die haben es im Gegensatz zu vielen Artgenossen ganz schön gut. Mit den Ruhrtaler Freilandschweinen versucht der Jungbauer sein Glück und rackert gemeinsam mit Freundin Theresa Ostermeier tagtäglich dafür, ein Zeichen für eine neue Art von Haltung zu setzen – zum Wohle des Tieres – und am Ende auch für das des Verbrauchers. Denn klar ist auch: Gehalten werden die Schweine natürlich zur Fleischherstellung.

Idyllisch liegt er an der Ruhr, der traditionelle Hof der im Brahms, „seit vier Generationen arbeiten wir mit Schweinen“, erklärt der 22-Jährige. Eine große Kastanie steht auf dem Hof, das Büro in der ersten Etage ist so modern, man könnte meinen, in einer Werbeagentur statt auf einem Bauernhof gelandet zu sein. Viel verändert hat sich in der Landwirtschaft und auch auf dem Hof der im Brahms über die Jahre – und einen ganz eigenen Weg will Alexander im Brahm gehen.

Im Brahm steht in Kettwig für Landwirtschafts-Tradition

Die Schweine haben viel Platz.
Die Schweine haben viel Platz. © Alexandra Roth

Freilandhaltung ist seine Devise. Alte deutsche Landschweine hält er, und ihren Ringelschwanz, den dürfen sie behalten. „Das geht in der Massenzucht nicht“, den würden sie sich sonst gegenseitig abbeißen, erklärt im Brahm. Dreimal so viel Platz wie im normalen Schweinestall haben die Tiere hier und leben den ganzen Tag an der frischer Luft. Doch, so gibt im Brahm zu: „Noch sind es zu wenige Tiere, um damit wirtschaftlich erfolgreich zu sein.“ Denn den eigentlichen Betrieb des Vaters, den wird der ältere Bruder übernehmen: „Wir betreiben die konventionelle Schweinehaltung und haben 1500 Tiere“, erklärt Mathias im Brahm. Das Fleisch ist dann für den Supermarkt gedacht. Die Idee seines Bruders Alexander findet er gut, „wir ergänzen uns da, wir sind keine Konkurrenz.“ Denn noch sei die Freilandhaltung leider nur ein Nischenprodukt – und für den Gewinn alleine nicht tragbar.

Doch was heißt Freilandhaltung? „Bei uns werden keine Maschinen eingesetzt, wir machen das alles selber, auch das Ausmisten“, erklärt Theresa Ostermeier. Sie und ihr Freund studieren an der Uni Osnabrück, vorher haben beide ihre Ausbildung zum Landwirt gemacht. „Da ist man dann zwei Jahre auf anderen Höfen als auf dem elterlichen, damit man auch andere Erfahrungen sammelt.“

Hier säugt eine Sau einige Ferkel.
Hier säugt eine Sau einige Ferkel. © Schmidt

In England ist Freilandhaltung die normale Form

Auf die Idee mit der Freilandhaltung war im Brahm nach einem England-Aufenthalt gekommen. „Ich war ganz begeistert, wie lebendig die Schweine dort lebten und glücklich wühlten. Die Landwirte und die Menschen dort haben ein ganz anderes Bild von Tierhaltung und vom Preis, den man für das Fleisch bezahlt“, berichtet Theresa Ostermeier. „Hier in Deutschland ist leider die Geiz-Mentalität auch in dem Bereich vorhanden“, so im Brahm. Doch hier, im Süden von Essen, da könne er sich vorstellen, dass die Leute bereit seien, mehr für gutes Fleisch zu bezahlen. Nicht nur für das eigene Gewissen, „auch die Qualität ist natürlich eine andere, denn die Schweine bekommen Sonne ab und haben viel Muskulatur – und das Fleisch somit weniger Wasser“, so Ostermeier. Auch das bei Fleischkennern beliebte Duroc-Schwein züchtet er ebenfalls neben der alten Deutschen Landrasse.

Gefüttert werden die Schweine manuell ausschließlich mit Getreide, obwohl sie eigentlich Allesfresser sind – und verfressen. So ist es auch nicht sonderlich verwunderlich, dass sich in den vier Gehegen, die im Brahm angelegt hat, alle um den Trog sammeln – obwohl Platz genug wäre, sich auszubreiten. „Aber am liebsten essen sie oder suhlen sich im Matsch, besonders wenn es warm wird“, berichtet im Brahm. Da Schweine nicht schwitzen können, brauchen sie das, erklärt Theresa Ostermeier, „das hat nichts mit einem dreckigen Schwein zu tun.“

Suhlen muss sich das Schwein wenn es warm ist

Die Schweine lieben es, sich im Matsch zu suhlen.
Die Schweine lieben es, sich im Matsch zu suhlen. © Schmidt

Warum Schweine dreckig seien, das ist nämlich eine häufige Frage, die die beiden zu hören bekommen – wie zum Beispiel beim kürzlich durchgeführten Tag des offenen Hofes. „Viele haben gar nicht mehr den Bezug zur Natur und wissen nicht, wo die Wurst auf dem Grill herkommt“, ist im Brahm nachdenklich. „Ich kann auch nicht verstehen, dass Leute sich einen Grill für 1000 Euro kaufen und dann eine Wurst vom Discounter auflegen. Da muss doch der Menschenverstand schon sagen: Das kann keine Wurst sein aus guter Tierhaltung.“

Denn im Brahm ist es nicht nur wichtig, dass die Schweine draußen leben – es geht ihm ums ganzheitliche Tierwohl. Die Ferkel, die er bezieht, werden bei den Säuen groß bis sie acht Wochen sind, leben dann mit Gleichaltrigen in ihrem Gehege. „Demnächst werden wir auch näher an die Ruhr an die Wiese ziehen“, so im Brahm. Acht bis neun Monate werden die Schweine hier gehalten, länger als bei normalen Betrieben. „Wir fahren die Schweine dann selber zu einem Bioschlachthof, der 30 Minuten entfernt ist, somit haben die Tiere nur wenig Stress.“ Bevor die Schweine getötet werden, „werden sie zu 100 Prozent betäubt, die Herzfrequenz wird gemessen, das könnten wir hier bei uns alles gar nicht machen“, erklärt Theresa Ostermeier.

Im Brahm betreibt nun auch einen Fleischautomaten

Nicht nur bei Fleischereien (siehe Infokasten) kann man Wurst und Fleisch der Ruhrtaler Freilandschweine kaufen. Seit Kurzem betreibt Alexander im Brahm einen Automaten, der direkt am Hof an der Landsberger Straße in Kettwig steht und rund um die Uhr zu bedienen ist. Sieben Euro zahlt man beispielsweise für fünf Rostbratwürstchen – und ein besseres Gewissen beim Konsum.

Alexander im Brahm und Theresa Ostermeier haben am Hof einen Automaten aufgestellt.
Alexander im Brahm und Theresa Ostermeier haben am Hof einen Automaten aufgestellt. © Alexandra Roth

„Demnächst werden wir auch näher an die Ruhr an die Wiese ziehen“, so im Brahm zu Zukunftsplänen. Denn die hat das Paar und glaubt, dass einige Landwirte ihre Haltung umstellen werden. „Viele beobachten, was wir machen, manche sind skeptisch, weil es auch wieder viel mehr Handarbeit ist ohne die Maschinen“, so Theresa Ostermeier. Doch das Feedback sei positiv, „viele kommen zu uns und schauen sich an, was wir machen.“

Heiligenhauser Bauern bieten ihre Waren an

Moderne Wege gehen und wieder die Nähe des Verbrauchers suchen, das ist für die hiesige Ortsbauerschaft auch ein Thema, berichtet der Sprecher Rudolf Trost: „Bei uns gibt es drei Hofläden. Aber Landwirte sind auch immer ansprechbar, ob sie vor Ort verkaufen.“ Auch Trost begrüßt die neue Art von Tierhaltung: „Das ist der richtige Weg.“ Als Hofläden gibt es in Heiligenhaus die Süßmosterei Dalbeck (Mühlenweg 18), den Hof Meuersmorp (Losenburger Str. 40) und das Gut Weinbeck (Angerweg 42).

  • Erwerben kann man die Fleisch- und Wurstwaren an dem Automaten an der Landsberger Straße 105 in Essen-Kettwig – oder bei den Mülheimer Fleischereien Niess (Honigsberger Str. 72) und Jakob (Düsseldorfer Str. 54).
  • Weitere Infos gibt es auf ruhrtaler-freilandschwein.de oder auf der gleichnamigen Facebook-Seite. Hier gibt es auch einige Videos vom Leben der Schweine – und auch von der Herstellung der Rostbratwurst.