Essen. 50 Milchkühe hat Bauer Manfred Rohleder dafür auf einen Schlag abgeschafft: Wo bis vor zwei Jahren Kühe standen, laufen jetzt Pferde: ein typischer Trend für Landwirte in der Großstadt. Eine andere tierische Alternative: Hühner - wie die 4800 in Bodenhaltung von Christoph Ridder.

Dort wo bis vor zwei Jahren Kühe standen, laufen jetzt Pferde. Landwirt Manfred Rohleder hat den Stall umgebaut. Entstanden ist ein offener Aktiv- und Bewegungsstall. 20 Pferde leben in einer Herde und suchen sich aus, ob sie drinnen im Stroh liegen, am Futterhaus Heu fressen oder auf der Wiese grasen. Aus einem weiteren Kuhstall wurde der Sozialraum für Reiter. Für weitere 20 Pferde gibt es Einzel-Boxen.

Ein typischer Trend für Bauern in der Großstadt, die zwar von den Freizeit-Reitern als Kunden profitieren. Denen aber gleichzeitig Fläche für Expansion in der klassischen Viehzucht fehlt. Immer mehr bauen Ställe professionell für Pferde um.

Landwirt und Dienstleister

50 Milchkühe hat Manfred Rohleder dafür auf einen Schlag abgeschafft: „Es ist mir schwer gefallen.“ Immerhin gehörten die zu seinem Leben. Doch als die Milchpreise total im Keller waren, musste sich Familie Rohleder entscheiden: in die Milchviehaltung investieren oder umsatteln. Fünf Pferde von Einstallern lebten ja bereits seit einigen Jahren auf dem Hof in Heidhausen.

„Für die erforderlichen 150 Kühe wäre es mit dem Land knapp geworden“, sagt Rohleder. Pro Pferd muss er nun 2500 qm (einen Viertel Hektar) Fläche als Futtergrundlage haben, damit es Landwirtschaft bleibt und nicht als gewerblich versteuert wird. Dafür bewirtschaftet er 13 Hektar eigenes Land und knapp 80 Hektar gepachtetes. Das Getreide verkauft er, mit dem Stroh streut er die Ställe ein. Heu kommt von seinen Wiesen. Alle Maschinen für Anbau und Ernte gehören zum Hof, hinzukaufen muss er daher nichts. „Dadurch bin weder vom Lohnunternehmer, noch von schwankenden Preisen für Stroh oder Heu abhängig“, sagt der Bauer. Bleibt das Wetter als Risikofaktor.

„Als Landwirt bin ich jetzt auch Dienstleister“

Was sich geändert hat: „Als Landwirt bin ich jetzt auch Dienstleister“, sagt Rohleder. Seinen Hof hat er öffnen müssen. Denn nun sind tagsüber immer Reiter bei ihm zu Hause. Der Bauer muss kommunikativ sein. Und sich inzwischen bei der Pferdehaltung einem enormen Konkurrenzdruck stellen, sagt Rohleder. So bietet er seinen Einstallern neben Reitplätzen und Pferde-Solarium auch eine Reithalle. Gesamt-Investition: 220 000 Euro.

Pro Box zahlen Besitzer 250 Euro im Monat, wenn sie füttern und misten. Auf der Ausgabenseite stehen monatlich: 100 Euro für Heu pro Tier. Dazu kämen Kraftfutter, Arbeit im Stall, auf der Weide, im Feld und die Investitionen. Wer sich mit Pferd im Aktivstall einmietet, zahlt 370 Euro – und macht nichts selbst, außer Pferd putzen und reiten.

Frau betreibt den Hofladen

„Etwa 80 Prozent der Essener Bauern vermieten Plätze für Pferde“, sagt Landwirt Christoph Ridder. Oft sind dafür Schweine und Kühe gewichen. Den Wirtschaftszweig Reitpferd sieht Ridder als Nische für die Landwirtschaft in einer Großstadt, weil dort viele potenzielle Kunden leben. Gleiches gelte für die Direktvermarktung, mit der seine Eltern bereits 1964 auf dem Hof in Kray angefangen haben: auf fünf Quadratmetern mit Eiern, sagt Ridder. Heute verkauft seine Frau, die auch für Buchhaltung und Familie zuständig ist, im großzügig ausgebauten Hofladen Gemüse, Brot, Eier und Erdbeeren. Die baut ihr Mann auf drei seiner insgesamt gut 70 Hektar Land an, von denen 60 gepachtet sind. Bei der Ernte helfen zehn Saisonarbeiter aus Polen.

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Auf dem Hof leben auch 4800 Hühner in Bodenhaltung. Auf drei Dächern der Gebäude hat der Landwirt zudem Solaranlagen installieren lassen. Weil Solarenergie hoch subventioniert wird, kann er so seine hohen Energiekosten durch die Ventilatoren im Hühnerstall und die Kühlhäuser kompensieren. So sei sein Hof breit aufgestellt. Aber auch alle anderen Landwirte hätten sich in den letzten Jahren hoch spezialisiert, einige haben zum Beispiel Maschinen wie Mähdrescher oder Strohpressen angeschafft und arbeiten als Lohnunternehmer.

Der klassische Bauernhof ist ausgestorben

„Die Bauern bleiben“, ist Christoph Ridder überzeugt. Nennt aber noch eine Widrigkeit: Die Ackerfläche schrumpfe, weil für jede bebaute Fläche Felder herhalten müssen. So würden den Bauern regelmäßig Pachtverträge gekündigt, weil versiegelte Flächen mit Wald aufgeforstet werden.

Bereits ausgestorben ist der klassische Bauernhof wie der 53-Jährige ihn als Kind kannte. Seine Großeltern hatten 30 Hühner, acht Schweine und zwölf Kühe. Kam am Wochenende Besuch, wurden Stall und Kühe geputzt. „Das war unser ganzer Stolz“, erinnert sich Ridder. Der auf seinen neu strukturierten Hof nicht weniger stolz ist. Zumal dessen Fortbestand im Gegensatz zu vielen anderen gesichert ist: Sein Sohn studiert Landwirtschaft.

„Statt mit Kühen spreche ich jetzt halt mit Reitern“

Der Sohn von Manfred Rohleder packt bereits als gelernter Landmaschinen-Mechaniker mit an. Um halb sechs morgens beginnt die Stallarbeit, um 22.30 Uhr dreht der Bauer die letzte Runde. „Der lose Schlaf ist geblieben“, sagt Rohleder, der früher wach wurde, wenn eine Kuh gekalbt hat. Mit den Pferden hätten sie nicht mehr Einkommen: „Aber es ist eine Chance, unseren Hof zu erhalten“, sagt er und schmunzelt: „Statt mit Kühen spreche ich jetzt halt mit Reitern.“