Essen. Der Essener Netzbetreiber OGE und ein Schweizer Partner wollen 250 Tankstellen mit Wasserstoff aus Dänemark für Brennstoffzellen-Lkw versorgen.

Die Energie der Zukunft soll grün und elektrisch sein. Ökostrom soll den Autoverkehr elektrifizieren, die Wärmepumpe im Heizungskeller antreiben und der Erzeugung von Wasserstoff dienen, der Kohle und Gas als Brennstoffe in der Industrie ablösen soll. Auf Wasserstoff (H2) setzen inzwischen auch die Truck-Hersteller für schwere Lkw. Was hier wie dort bisher fehlt, ist eine H2-Infrastruktur. Dafür, dass es ihn künftig bundesweit zu tanken gibt, will nun der Essener Gasnetzbetreiber Open Grid Europe (OGE) mit Partnern sorgen.

Den großen Hoffnungen auf eine Zukunft mit klimaneutral erzeugtem Wasserstoff wohnt stets auch die große Sorge inne, wo der denn in den dann benötigten Unmengen herkommen soll. Weil nur ein kleinerer Teil in Deutschland hergestellt werden kann, geraten die Projekte zur Herstellung, Transport und Lagerung von Wasserstoff immer internationaler. Um sich Zugang zu großen Mengen zu sichern, hat Deutschland etwa ein Wasserstoffabkommen mit Australien geschlossen. Weil auf dem fünften Kontinent nicht nur oft und intensiv die Sonne scheint, sondern auch gigantische Flächen unbebaut sind, verspricht Australien, künftig den weltweit günstigsten Wasserstoff zu produzieren. Konzerne wie Eon und Covestro haben bereits Verbindungen nach Down Under geknüpft.

Schweizer produzieren Wasserstoff in Dänemark für Deutschland

Die Ruhrgas-Nachfolgerin Open Grid Europe bleibt mit ihrem Projekt auf diesem Kontinent. Das Schweizer Unternehmen H2 Energy will in Dänemark eine Großanlage zur Wasserstoff-Produktion bauen, einen Ein-Gigawatt-Elektrolyseur. Bis 2026 sollen von hier aus 250 Tankstellen mit grünem Wasserstoff für Brennstoffzellen-Lkw versorgt werden. Es wäre ein großer Sprung: Aktuell gibt es keine 100 H2-Tankstellen in Deutschland.

Der Transport ist der Part von OGE, mit rund 12.000 Kilometern der größte Ferngasleitungsnetzbetreiber in Europa. Die Essener können Erdgasleitungen auf Wasserstoff umstellen, bauen für ein bundesweites Wasserstoffnetz aber auch neue Leitungen, die ab 2024 in Betrieb gehen sollen. Auf dem letzten Kilometer transportieren dann Lkw den Wasserstoff von der Pipeline bis zur Tankstelle.

Das künftige Wasserstofftankstellennetz des Joint Ventures in Deutschland, Österreich und Dänemark soll sich über bestehende Jet-Tankstellen und auch „neue Standorte an wichtigen Verkehrsachsen“ erstrecken, teilten die Partner mit. „Grüne Gase und die dazugehörende Infrastruktur werden eine zentrale Rolle für die Energieversorgung in einer dekarbonisierten Welt spielen“, betonte Rolf Huber, Gründer von H2 Energy. OGE-Chef Jörg Bergmann sagte: „Unser Ziel ist, Impulse und konkrete Beiträge in die sich entwickelnde Wasserstoffwirtschaft zu setzen und so einen Beitrag für den Markthochlauf und die Erreichung der Klimaschutzziele zu leisten.“

Dudenhöffer: Brauchen europaweites H2-Tankstellen-Netz

Ein europaweites Tankstellen-Netz hält der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer für entscheidend, soll der Durchbruch der Brennstoffzellen-Lkw gelingen. Die Truckhersteller Daimler und Volvo kooperieren dafür mit Shell. „Es genügen wegen der hohen Reichweiten ja einige Wasserstoff-Tankstellen an den Autobahnen. Aber das Netz muss europaweit geschlossen sein, sonst funktioniert es nicht“, sagte Dudenhöffer unserer Redaktion. Die großen Hersteller halten europaweit 1000 H2-Tankstellen bis 2030 für ausreichend, fordern dafür aber auch die Unterstützung der Politik.

Ein Prototyp des GenH2 - Daimlers Wasserstoff-betriebenen Brennstoffzellen-Truck, der 2020 vorgestellt wurde und Mitte des Jahrzehnts in die Serienproduktion gehen soll.
Ein Prototyp des GenH2 - Daimlers Wasserstoff-betriebenen Brennstoffzellen-Truck, der 2020 vorgestellt wurde und Mitte des Jahrzehnts in die Serienproduktion gehen soll. © dpa | Britta Pedersen

Die Reichweite im Fernverkehr schwerer Lkw ist das Hauptargument für den Wasserstoffbetrieb. Die bisher entwickelten Batterien lassen kleinere E-Laster ein paar Hundert Kilometer fahren, für 40-Tonner, die einmal quer durch Europa fahren, taugen sie noch nicht. Hier setzen die Branchengrößen Daimler und Volvo nun auf Brennstoffzellen-Lkw, die mit grünem Wasserstoff im Tank ihren Strom während der Fahrt selbst erzeugen anstatt ihn in riesigen Batterien zu speichern. Der neue Daimler-Truck GenH2, der 2023 in die Kundenerprobung und Mitte des Jahrzehnts in die Serienfertigung gehen soll, schafft dem Hersteller zufolge 1000 Kilometer mit einer Tankfüllung verflüssigten Wasserstoffs.

Daimler und Volvo bauen gemeinsam Brennstoffzellen

Daimler Trucks und Volvo planen eine gemeinsame Brennstoffzellen-Fabrik im schwäbischen Weilheim an der Teck. Ihre Wasserstoff-Lkw entwickeln sie weiter getrennt voneinander. In Europa setzen sie damit aber einen klaren Trend. „Die Batterien für reine Elektro-Lkw sind noch nicht so weit. Um schnell klimaneutrale Fahrzeuge anbieten zu können, fokussiert sich die Branche bei großen Trucks deshalb gerade stark auf Brennstoffzellen“, beobachtet Dudenhöffer. Auch MAN arbeitet an Wasserstoff-Lösungen für schwere Trucks. Weiter sind die asiatischen Hersteller Hyundai aus Korea und Toyota aus Japan. Beide entwickeln schwere Brennstoffzellen-Lkw für die Highways in den USA. Der US-Hersteller Nikola will 2023 seine ersten Brennstoffzellen-Lkw produzieren, mit einer Reichweite von 800 Kilometern.

Eine Alternative versucht gerade der chinesische Hersteller Geely in seinem Heimatland aufzubauen: Ein Batterie-Wechsel-System auch für große Lkw-Batterien. Sowohl dieser chinesische Ansatz als auch die Brennstoffzellen-Lkw werden Themen bei Dudenhöffers aktuellem Car-Symposium an diesem Dienstag und Mittwoch im Bochumer Ruhr Congress sein. Zu den wie immer hochrangigen Gästen gehören neben vielen anderen VW-Chef Herbert Diess und Geely-Vorstand Daniel Li.