Essen. Essen: Armen Hakobyan und Marek Tůma folgen 2024 auf Ballett-Intendant Ben Van Cauwenbergh. Sie wollen Bewährtes mit neuer Ästhetik verbinden.

15 Jahre hat Ben Van Cauwenbergh das Aalto Ballett erfolgreich geleitet. Seine eigenen unterhaltsamen Kreationen waren immer auf das Publikum ausgerichtet. An Beliebtheit ist er nicht zu toppen. Seine drei Abschiedsvorstellungen im Juni kommenden Jahres sind bereits ausverkauft. Ab der Spielzeit 2024/2025 treten sein langjähriger Stellvertreter und Ballettmanager Marek Tůma (48) und der ehemalige Solist, Ballettmeister und Choreograph Armen Hakobyan (44) als Doppelspitze seine Nachfolge an. Ein Gespräch über das Bewahren des Erbes und die neue Ausrichtung.

Herr Tůma, Herr Hakobyan, Sie sind als Doppelspitze für die Intendanz des Aalto-Balletts berufen worden. Wie verteilen sich künftig Ihre Aufgaben?

Marek Tuma: Die Aufgaben ändern sich nicht, aber die Verantwortung ändert sich. Jeder tut das, was er am besten kann. Ich bin weiterhin für das Büro zuständig, die administrativen Aufgaben. Ich kümmere mich um die Verträge der Gastchoreographen, der Tänzerinnen und Tänzer. Armen kümmert sich um den Ballettsaal, um das Künstlerische. Er wird unser Haus-Choreograph. Über das Programm entscheiden wir gemeinsam.

Wie sieht ab der übernächsten Spielzeit der Plan aus?

Marek Tůma: Wir glauben zu wissen, was in Essen funktioniert. Handlungsballette auf jeden Fall. Es wird aber vorerst kein neues klassisches Ballett geben. Dreiteilige Abende sind nicht beliebt, nur, wenn Sie einen roten Faden haben. Bei dem Kylián-Abend „Archipel“ hat es funktioniert. Zum Beispiel wäre ein Abend mit Choreographinnen denkbar. Wir möchten auch mehr spartenübergreifend arbeiten, um das Publikum für andere Künste zu öffnen. Bei „La vie en rose“ hat es mit dem Schauspiel sehr gut geklappt. Wir haben in Merle Fahrholz (Intendantin des Aalto-Musiktheaters und der Essener Philharmoniker, Anm. der Redaktion) eine große Unterstützerin.

Werden Sie einen Schlussstrich unter Ben Van Cauwenberghs Ära ziehen?

Marek Tůma: Wir werden das Erbe von Ben erhalten. „Tanzhommage an Queen“ wird es weiter geben, auch „Smile“. Die Zuschauer bringen schon ihre Enkel mit. Es wäre nicht wirtschaftlich, das abzusetzen. Wir richten uns bei den Wiederaufnahmen nach den Verkaufszahlen. Es wird einen Stilmix geben, aber auch eine andere Ästhetik. Man braucht zwei bis drei Spielzeiten, um das komplett umzusetzen. „Schwanensee“ kann man nicht rausnehmen. Wir können uns vorstellen, eine zeitgenössische Version ohne Tutus zu zeigen neben dem klassisch akademischen. Und die Leute können entscheiden, was sie sehen wollen.

Bleibt dem Publikum auch unter der künftigen Leitung erhalten: „Smile“, der Chaplin-Abend von Ben Van Cauwenbergh und Armen Hakobyan, hier mit Davit Jeyranyan als Charlie Chaplin.
Bleibt dem Publikum auch unter der künftigen Leitung erhalten: „Smile“, der Chaplin-Abend von Ben Van Cauwenbergh und Armen Hakobyan, hier mit Davit Jeyranyan als Charlie Chaplin. © Hans Gerritsen

Werden Tänzerinnen oder Tänzer gehen müssen für die neuen Pläne?

Armen Hakobyan: Die Compagnie behalten wir erstmal so, wie sie ist. Wir müssen schauen, ob die Tänzer mit der neuen Leitung klarkommen. Wir würden ungern die Grundlage unserer Arbeit ändern.

Ben Van Cauwenberghs Führungsstil ist sehr familienfreundlich. Wird sich das ändern?

Marek Tůma: Wir sind hier eine Familie. Sind Kitas und Schulen geschlossen, können Kinder mit zum Training gebracht werden, wenn sie gut erzogen sind. Wir sind beide Väter. Ich habe zwei Kinder, Armen ein Kind. Keiner soll hier Angst haben, eine Familie zu gründen.

Armen Hakobyan (lachend): Marek will schon eine Junior-Compagnie aufmachen.

Das Publikum hat Sie bereits mit Stücken wie zuletzt „Smile“ mit Ben Van Cauwenbergh als Choreograph kennengelernt. Wer war oder ist ein Vorbild für Sie?

Armen Hakobyan: Ich war immer ein Fan von Jiří Kylián, Sol León und Paul Lightfoot. Das Mystische hat mich immer beeindruckt. Es hat mich geöffnet für zeitgenössische Stücke. Bis ich 30 war, hat mich nur das Klassische begeistert.

Ihre Choreographien sind eher düster, klar und modern von der Bewegungssprache und Sie setzen sich gerne mit dem zutiefst Menschlichen auseinander. Was würden Sie gerne thematisch umsetzen?

Armen Hakobyan: Zum Beispiel den „Sommernachtstraum“. Da gibt es Wirklichkeit und Traum. Da könnte ich die klassische Welt gegen meine setzen.

Werden die Kooperationen mit Folkwang Universität und Gymnasium Essen Werden weitergeführt?

Marek Tůma: Auf jeden Fall. Folkwang-Musikerinnen werden wir einbinden. Auch tänzerisch streben wir eine Kooperation an.

Der Dauerbrenner seit 2009: Im Ausblick des designierten Intendanten-Duos steht auch „Tanzhommage an Queen
Der Dauerbrenner seit 2009: Im Ausblick des designierten Intendanten-Duos steht auch „Tanzhommage an Queen" von Ben Van Cauwenbergh weiter auf dem Plan. © Bettina Stoess

Wie sieht es aus mit der choreographischen Nachwuchsförderung und pädagogischen Projekten wie „Queeny“?

Armen Hakobyan: Die Plattform „Ptah“ für Nachwuchschoreographen werden wir weiter anbieten und vergrößern für die Region. Ich habe damit selbst meinen Anfang gemacht. Wir wollen Tänzerinnen und Tänzer fördern. Sie können sich ausprobieren, ohne beurteilt zu werden.

Marek Tůma: Auch „Queeny“ wird es wieder geben. Mit den Schülern kamen ganz andere Zuschauerinnen und Zuschauer in unser Haus. Frauen in Burkas. Das hätten wir nicht gedacht. Unsere Kunst hat den Vorteil, dass sie nonverbal ist. Jeder kann sie verstehen. Und wir möchten eine Tanzpädagogin oder einen Tanzpädagogen haben. Das ist eine Frage des Geldes, aber längst überfällig.

Ballett für das Publikum zu machen, hat Ben Van Cauwenbergh großgeschrieben. Wie unterhaltsam darf Tanz bei Ihnen sein?

Marek Tůma: Man will unterhalten werden. Unterhaltung ist eine Funktion des Theaters. Wir haben schon genug Probleme in der Welt. Ben will mit seinen Choreographien unterhalten. Und Armen wirft mit seinen Choreographien Fragen auf.

Zur Person: Armen Hakobyan und Marek Tuma

Armen Hakobyan wurde im armenischen Jerewan und an der Bulgarischen Ballettschule in Sofia ausgebildet. Er war als Solist engagiert beim Ballett der Staatsoper Sofia, am Theater Altenburg-Gera und bei Youri Vámos an der Deutschen Oper am Rhein. In seinen Arbeiten war er ebenso zu sehen wie in Choreographien von Mats Ek, John Neumeier und Hans van Manen. Seit 2010 gehörte er als Solotänzer zum Aalto Ballett Essen. Mit „Nuvole bianche“ („Ptah II“), „Embodiment“ („Ptah III“) und „Frequencies“ bei „Vibrations“ stellte er sich als Choreograph vor. Mit Denis Untila brachte er „Moving Colours“ auf die Bühne. Seit 2018 war er Ballettmeister am Aalto Ballett. Seine Choreographie „Many a moon“ wurde mit dem Stuttgarter Ballett aufgeführt. Zuletzt choreographierte er in Essen mit Ben Van Cauwenbergh „Smile“.

Marek Tůma erhielt seine Ausbildung am Tanzkonservatorium im tschechischen Brunn und an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. 1993 wurde er Gruppentänzer am Ballett des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden. 2004 wurde er Solist. Von 2002 bis 2007 war Tůma als Manager der Wiesbadener Compagnie verantwortlich für die Organisation von Gastspielen sowie für administrative und logistische Aufgaben innerhalb des Theaters – Tätigkeitsfelder, die auch seine Essener Arbeit prägen. Ab 2008 übernahm Tůma an der Seite von Ballettintendant Ben Van Cauwenbergh die Stelle des Stellvertretenden Intendanten und Ballettmanagers am Aalto Ballett. Sein Studium an der Hochschule für Ökonomie und Management in Frankfurt am Main schloss er 2010 ab.

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