Essen-Nordviertel. Der Ort unweit der Essener City ist als Rattenparkplatz bekannt. Ein Teil davon wird im Sommer Anlaufstelle für Jugendliche. Das wird geboten.
Viel Müll, viel Blech, bei genauem Hinsehen flitzen Ratten durchs Gebüsch: Der Parkplatz an der Kleinen Stoppenberger ist im Essener Nordviertel bekannt als Rattenparkplatz. Seit einigen Wochen teilt ein bunter Bauzaun das Gelände. Auf der anderen Seite steht ein Kicker, eine Graffitiwand und Bänke aus Holzpaletten. Müll liegt hier kaum, stattdessen ist ein Ort der Begegnung und Jugendkultur entstanden, auf dem seit Anfang Mai und noch bis September Programm geboten wird.
Veranstaltungen von und für Jugendliche im Essener Nordviertel
„Straßenbezogene Jugendliche“ nennt Stadtteilmoderator Paul Hendricksen die Zwölf- bis 18-Jährigen, die im Nordviertel viel draußen unterwegs sind. Diese Zielgruppe bekomme in ihrer Freizeit oft weniger Angebote als Jüngere. Gleichzeitig haben jene, die in diesem Stadtteil leben, oft wenig Geld.
CSE-Sozialarbeiter Thomas Rüth hatte vor Beginn des Projekts klare Worte gefunden: „Der Ort ist seit Jahren ein Kriminalitätsbrennpunkt, Drogenhändler agieren in aller Öffentlichkeit.“ Der Parkplatz unweit der Essener City sei für Kinder und Jugendliche spannend: „Das führt leider auch dazu dass Kinder, im wahrsten Sinne Wortes, zwischen den Drogengeschäften spielen.“ Dazu komme der Müll, der Ungeziefer anzieht – nicht der beste Ort, an dem Kinder spielen sollten. Rüth: „Gegen diese Entwicklung wollen wir mit den Bewohnern und Bewohnerinnen aus dem Nordviertel ein Zeichen setzten.“ Jungen Menschen soll die Möglichkeit gegeben werden, ihre Lebenswelt aktiv nach ihren Vorstellungen und Interessen mitzugestalten.
Be-Move soll Aufenthaltsqualität in Essen verbessern
Sechs Wochen nach Projektbeginn zieht Paul Hendricksen ein positives Zwischenfazit. Er arbeitet beim Institut für Stadtteilentwicklung, Sozialraumorientierte Arbeit und Beratung der Universität Duisburg-Essen (ISSAB) und hat sich mit der CSE – Caritas SKF Essen für die Umwidmung des Parkplatzes eingesetzt, Fördergelder zusammengekratzt, Überstunden geschoben. Be-Move heißt das Projekt, bei dem öffentliche Räume und Verkehrsinfrastrukturen neu gestaltet werden, um Aufenthaltsqualität und Mobilität zu verbessern. In Holsterhausen hatte das zuletzt für Diskussionsstoff gesorgt. Die dort aufgebauten Stadtterrassen gefielen nicht jedem.
Im Nordviertel hat das Team der Jugendberufshilfe mit Jugendlichen eine lange Graffitiwand gebaut, die jetzt gestaltet werden soll. Um einen Baum herum sind zudem Sitzgelegenheiten mit Polstern geschaffen worden. Ein Kicker – gebracht vom benachbarten Autohandel – steht dort, wo sonst bis zu 40 Autos parken.
Libanesischer Quartiershausmeister als interkultureller Vermittler
Rund 50 Jugendliche kämen regelmäßig vorbei, erklärt Nikolas Reichelt, CSE-Streetworker. Der Platz sei jedoch nicht nur für die Kern-Zielgruppe bestimmt, auch Kinder und Nachbarn seien willkommen. Der deutsch-marokkanische Verein will demnächst Waffeln anbieten, das Team von Mobilitea kommt regelmäßig mit diversen Teesorten vorbei. Auch für Mazein Nouhi ist der Jugendkultur-Platz ein Anlaufpunkt. Der libanesische Quartiershausmeister sei ein „super interkultureller Vermittler“, erklärt Hendricksen. Das Nordviertel ist schließlich multikulturell.
„Wir wollen den Jugendlichen durch das Projekt andere Themen und Anregungen mitgeben als das, was man unter Umständen sonst so auf der Straße lernt“, so Hendricksen. Bisher offenbar mit Erfolg: „Die Jugendlichen sehen das hier als ihren Platz an“, hat der Stadtteilmoderator festgestellt. Sie kämen gerne her, um die Angebote wahrzunehmen, oder um einfach abzuhängen. Bisher habe es auch noch keinen Vandalismus gegeben und das Müllproblem sei so gut wie behoben. Einige Jugendliche und auch Anwohner würden helfen, den Platz sauber zu halten.
Wie es nach dem Sommer im Essener Nordviertel weitergeht, ist noch unklar
Ein Problem sei laut Hendricksen noch der angrenzende Containerstandort. Er biete für Drogengeschäfte entsprechende Verstecke und würde es zudem schwierig machen, den Standort sauber zu halten. Erfahrungsgemäß trifft schließlich nicht jeder den Einwurfschlitz und es werden neben Papier und Flaschen auch diverse andere Müllprodukte abgeliefert. Hendricksen will sich jetzt dafür einsetzen, dass die Container verlagert werden – wohl wissen, dass das Drogenproblem durch ein Projekt wie den Platz der Jugendkultur nicht gänzlich verschwinde, sondern sich eher verlagere.
Auf dem Platz der Jugendkultur sollen bald jedenfalls auch Konzerte stattfinden – sobald das Team den lang ersehnten Stromanschluss zur Verfügung hat – ein Sommerfest ist geplant und auch bei der Nacht der Jugendkultur im September soll Programm geboten werden.
Doch irgendwann ist der Sommer vorbei und damit auch das Projekt. Wie es dann weitergeht, ist unklar. Im schlechtesten Fall kommen Müll und Ratten zurück. Vielleicht wird aus dem Ort auch einfach wieder ein großer Parkplatz. Nikolas Reichelt hofft jedoch, dass der Platz auch im Winter ein Treffpunkt für Jugendliche bleiben darf: „Spätestens nächsten Sommer wäre es dann wichtig, hier wieder Angebote zu schaffen.“ Die Organisation würde dann mit der Erfahrung und Vorarbeit aus diesem Jahr erheblich schneller gehen.
Parkplatz im Essener Nordviertel soll kostenpflichtig werden
Parkplatznot gibt es laut Hendricksen im Nordviertel eigentlich nicht. Die meisten, die auf dem Rattenparkplatz ihr Auto abstellen, seien in der Stadt unterwegs. Bisher musste man keinen Parkschein ziehen, daher ist es ein Geheimtipp, das wird sich aber bald ändern. Entsprechende Schilder sind schon aufgestellt, was noch fehlt, sind die Parkscheinautomaten. Abends sei der Parkplatz nur zu einem Drittel gefüllt. Auch jetzt, wo ein Teil gar nicht zur Verfügung steht, seien Hendricksen keine Beschwerden zu Ohr gekommen.
[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig & Werden + Borbeck & West | Alle Artikel aus Essen]
An den neuen entstandenen Graffitiwänden bietet der Künstler Gabor Doleviczenyi ab Samstag, 17. Juni, sieben ganztägige Graffitiworkshops an. Die weiteren Termine für die Workshops sind: 12. Juli, 16. Juli, 18. Juli, 4. August und 6. August. Anmeldung unter 0175-35156026 . Interessierte können aber auch spontan dabei sein und nur einzelne Workshops besuchen.
Hip-Hop-Tänzer Rayboom wird ab Donnerstag, 15. Juni, jede Woche um 18 Uhr eine angeleitete Hip-Hop-Tanz-Session anbieten. Dienstags finden alle zwei Wochen ab 16 Uhr Trommel- und Musikworkshops auf dem Parkplatz statt. Nächster Termin ist der 27. Juni. Die Workshops werden geleitet von Mohammad Khaled und dem Verein Viertelimpuls.
Jeden Dienstag zwischen 15 und 18 Uhr ist weiterhin das Projekt Mobilitea vor Ort und lädt die Nachbarschaft zum gemeinsame Teetrinken ein. Ein weiteres Projekt, das in den kommenden Wochen ansteht, ist der Bau eine Skaterminirampe.
Die Teilnahme an allen Angeboten ist kostenlos. Weiterhin steht der Platz für Aktionen und Ideen zur Verfügung. Infos erteilt Nikolas Reichelt per E-Mail an nikolas.reichelt@cse.ruhr.
Kooperationspartner des Projekts: Verein Buntes Nordviertel, Weigle Haus, Jugendamt der Stadt Essen, Soziale Dienste und Weststadthalle, Grüne Hauptstadt Agentur – Be-Move, Stadtteilprojekt Altenessen Süd/Nordviertel, Mobilitea, Easy Ap 3.0 Jugendberufshilfe Essen GmbH, Jugendhilfe Essen, Vonovia und Westenergie/RWE.