Essen-Holsterhausen. Haben die Stadtterrassen in Essen-Holsterhausen eine Zukunft? Die Antwort ist ein klares „Jein“. Warum die Aktion weiter für Diskussion sorgt.
Kontrovers diskutiert wurden sie bereits vor ihrer Errichtung im August vergangenen Jahres. Jetzt liegen die Ergebnisse einer von der Stadt Essen beauftragten Online-Befragung zu den Stadtterrassen in Holsterhausen vor. Und auch hier zeigt sich: Das Thema Parklets spaltet die Gemüter. Gänzlich vom Tisch scheint die Diskussion im Bezirk III indes noch nicht.
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Bis Ende September 2022 waren die modularen Sitzgelegenheiten auf vier Parkplätzen an der Gemarkenstraße, an der Kahrstraße und auf der Rechtsabbiegerspur von der Holsterhauser Straße in die Kahrstraße aufgestellt. Allerdings, so lässt es die Umfrage vermuten, galt bei Anwohnern und Passanten eher das Motto „Nur gucken, nicht ausprobieren“. In Zahlen übersetzt bedeutet das: 80 bis 90 Prozent der Befragten gaben an, die Parklets je nach Standort zumindest wahrgenommen zu haben. Tatsächlich genutzt worden sind sie hingegen lediglich von 37 Prozent der Befragungsteilnehmer.
Die Hälfte der Befragten befürwortet Parklets in Holsterhausen
Auch in puncto generelle Akzeptanz und Wohlwollen gegenüber der temporären Aktion im Rahmen des stadtweiten Projektes Be-MoVe zeichnet sich ein Split ab: Etwa die Hälfte der Umfrageteilnehmer bewertete die Sitzgelegenheiten mit gut oder sehr gut; 40 Prozent empfanden sie als schlecht oder sehr schlecht. Beide Ergebnisse beziehen sich allerdings unmittelbar auf jene Parklets, die auf den Parkplätzen errichtet worden sind. Ausreißer war die Stadtterrasse am freien Rechtsabbieger: Diese wurden von der überwiegenden Mehrheit (64 Prozent) negativ bewertet – wegen der verkehrlichen Einschränkung, aber auch wegen mangelnder Aufenthaltsqualität unmittelbar an der Kreuzung. Als Sicherheitsmaßnahme für Fußgänger bewertet die Evaluation die Sperrung der „Unfallhäufungsstelle“ aber durchaus als „Erfolg“.
Parklets: Radler und Fußgänger dafür, Autofahrer und Geschäftsleute dagegen
Über Be-MoVe soll gezielt der Fuß- und Radverkehr in Essen gestärkt werden. Entsprechend fiel eine Bewertung der Parklets in den unterschiedlichen Zielgruppen aus: Während sich etwa die Hälfte der Anwohner, die überwiegende Mehrheit der Radfahrer (86 Prozent) sowie rund die Hälfte der Fußgänger (53 Prozent) weitgehend positiv äußerten, galt dies lediglich für 16 Prozent der Autofahrer in Holsterhausen. Und auch die Gewerbetreibenden zeigten sich kritisch: 57 Prozent der Geschäftsleute vor Ort vergaben die Bewertung schlecht oder sehr schlecht.
Bezirksbürgermeisterin plädiert für Wiederholung der Stadtterrassen
Mehr als die Hälfte zwar, aber eben längst nicht alle Einzelhändler, betont Doris Eisenmenger (Grüne): „Es gibt durchaus Geschäftsleute, die die Parklets gut finden.“ Für die Bezirksbürgermeisterin läuft die gesamte Diskussion nach wie vor auf den „alten Konflikt“ Parkplätze oder Freiraum hinaus. „Holsterhausen ist in Sachen Parkplätze sicherlich eine der großen Baustellen im Stadtgebiet. Aber zwei oder drei Parkplätze weniger für Parklets ändern letztlich nichts an der Situation, das reißt uns nicht raus.“ Man müsse, so ihr Fazit, akzeptieren, dass es „da immer unterschiedliche Meinungen geben wird“. Grundsätzlich hat für Eisenmenger jedoch die Aufenthaltsqualität „absoluten Vorrang“ vor Parkplätzen.
Ähnlich sieht das auch Simon Knur vom Vorstand des Fachgeschäfts für Stadtwandel, das unabhängig von der Be-MoVe-Aktion ein eigenen Parklet vor den Geschäftsräumen an der Gemarkenstraße unterhält: „90 Prozent der Gemarkenstraße gehören derzeit dem Autoverkehr. Man sollte meinen, dass Raum gerecht auf alle verteilt wird, also eben auch auf Fußgänger oder Radfahrer.“ Der Initiative in Holsterhausen werde regelmäßig gespiegelt, „dass es zu wenig Sitzmöglichkeiten im Stadtteil gibt“, beispielsweise für Senioren. „Unser Parklet wird sogar im Winter genutzt.“
Das Thema als solches ist für Bezirksbürgermeisterin Eisenmenger daher längst noch nicht ausdiskutiert.„Wir überlegen, das Ganze im nächsten Frühjahr wieder aufleben zu lassen. Ob wir dafür Mehrheiten finden, wird sich zeigen.“
Stadt plant bislang keine dauerhaften Stadtterrassen in Holsterhausen
Die Stadt indes betont, dass es derzeit „keine konkreten Planungen“ gebe, die Stadtterrassen „dauerhaft in Holsterhausen oder anderswo zu installieren“. Konkret heißt es: „Das Projekt war zunächst als temporäre Erprobung geplant, wobei im Zuge dessen auch Wünsche und Anregungen an die Stadtverwaltung herangetragen wurden, auch in anderen Stadtteilen temporäre oder dauerhafte Parklets oder Stadtterrassen einzusetzen.“ Genannt werden hier etwa Werden, Rüttenscheid, Frillendorf oder die Margarethenhöhe.
Für die Verwaltung ein klares Zeichen dafür, dass „in Teilen der Stadtgesellschaft der Wunsch besteht, den öffentlichen Raum und damit auch Parkraum multifunktionaler zu nutzen und so die Aufenthaltsqualität in öffentlichen Räumen zu verbessern“.
Um das jedoch tatsächlich zu erreichen, müsste man, so Iris Dziura, die für die SPD Holsterhausen in der Bezirksvertretung III sitzt, das eigentliche Konzept nachbessern. „Parklets sind grundsätzlich keine schlechte Idee und wir haben uns sehr gefreut, dass die Probephase in Holsterhausen stattgefunden hat. Grundsätzlich muss man Dinge einfach auch mal ausprobieren.“ Mehr Menschen erreicht – und vielleicht auch mehr Einzelhändler überzeugt – hätten die Stadtterrassen ihrer Meinung nach jedoch, wenn sie attraktiver gestaltet und die Standorte besser ausgewählt worden wären: „Eine Anbindung an ein gastronomisches Angebot wäre hier sicherlich sinnvoll gewesen. Die Stadtterrasse auf dem Rechtsabbieger hätten wir uns beispielsweise gut auf der anderen Seite vorstellen können – unmittelbar beim Bäcker.“
CDU kritisiert „trickreiche“ Einschränkung von Parkraum
Deutlich hingegen die Kritik der CDU-Fraktion im Bezirk III. Fraktionsvorsitzender Dietrich Ostermann erklärt in einer offiziellen Stellungnahme: „Wir sehen im Aufstellen der Parkterrassen unter dem Motto: ,Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Gemarkenstraße‘ eher ein Ablenkungsmanöver, einen Versuch, mit einer ,Umetikettierung‘ davon abzulenken, dass man eigentlich den Parkraum trickreich weiter einschränken will, ohne eine Alternative anzubieten. Wenn es primär um die Verbesserung der Aufenthaltsqualität in dieser Straße hätte gehen sollen, hätte man zusätzlich auch andere Maßnahmen finden können.“
Und weiter: „Der ÖPNV wird leider weiterhin nicht das leisten können, was Berufspendler benötigen, und Gewerbetreibende werden zukünftig einen großen Bogen um Straßen machen, in denen Autoverkehr und Parkraum stark reduziert werden. Deswegen plädiert die CDU-Fraktion in der BV III zum Beispiel für die Errichtung von Quartiersparkhäusern, um den Parkdruck in den Straßen zu reduzieren.“
Zukunft der Parklets: Befragung endet unentschieden
Die Online-Befragung indes endet mit einem klaren Unentschieden: Abhängig vom konkreten Standort wünschen sich 46 bis 49 Prozent der Umfrageteilnehmer eine dauerhafte Einrichtung der Stadtterrassen, allerdings eher auf der Gemarken- als auf der Kahrstraße und am wenigsten auf dem Rechtsabbieger. Ebenfalls 46 Prozent waren gegenteiliger Meinung.
Die Befragung wurde vom 19. September bis 9. Oktober vergangenen Jahres von der Fachhochschule Bochum durchgeführt. Beteiligt haben sich über 1.200 Anwohner, Besucher und Gewerbetreibende. Vollständig ausgefüllt wurden insgesamt 1.028 Fragebögen.
Für Iris Dziura ein zentrales Manko der kompletten Evaluation: „Holsterhausen hat 26.000 Einwohner, befragt wurden also gerade einmal fünf Prozent der Menschen im Stadtteil. Und dann ist noch nicht einmal klar, ob alle, die einen Bogen ausgefüllt haben, tatsächlich auch aus Holsterhausen kommen. Für mich sagt das Ergebnis dieser Umfrage daher nicht besonders viel aus.“
Stadtterrassen: Inspiration für weitere Ideen
Die Evaluation zu den Stadtterrassen in Holsterhausen ist Thema in der kommenden Sitzung der Bezirksvertretung III (11. Mai, 17 Uhr, Lighthouse, Liebigstraße 1).
Die Ortspolitiker diskutieren außerdem einen gemeinsamen Antrag von Grünen, SPD und Die Linke, der unmittelbar aus den Erfahrungen in der Parklet-Projektphase resultiert: die Schließung der beiden freien Rechtsabbiegerspuren an der Kreuzung Holsterhauser/Gemarkenstraße. Die neu entstehenden Freiflächen sollen umgestaltet werden, und der Lieferverkehr soll die Gemarken- bzw. die Kahrstraße über „angepasste Kurvenradien“ hinter der Ampel erreichen können.
Inhaltlich an das Projekt Stadtterrassen schließt in diesem Sommer zudem das Be-MoVe-Bürgerprojekt „Gemarkenplatz – Fit for Future!“ an, verbunden mit einer temporären Umgestaltung des zentralen Platzes in Holsterhausen.
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