Essen-Nordviertel. In Essen gibt es einen Platz, wo Ratten im Müll umherflitzen und auf offener Straße mit Drogen gehandelt wird. Das soll sich jetzt ändern.
Müll aufsammeln bei zwei Grad und Dauerregen? Dafür hatten sich am Dienstag (7.3.) rund 50 Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Essener Nordviertel entschieden. Sie befreiten den sogenannten Rattenparkplatz und die Umgebung an der Kleinen Stoppenberger Straße von Dreck und Unrat. Zwischen April und September sollen hier ein Drittel weniger Autos parken und ein Platz für Jugendkultur geschaffen werden – mit Konzerten, Graffiti-Aktionen und einer Skateanlage.
Parkplatz am Rande der Essener City wird gerne als illegale Müllkippe genutzt
Die pinken Sauberzauber-Müllsäcke nutzen die Ehrenamtlichen auch als Regenjacken. Sie fischen mit Müllzangen in Pfützen, von oben plästert es auf Kapuze oder Frisur. Ein Container der Entsorgungsbetriebe am Rande des Parkplatzes schluckt große Teile, die Jugendliche, Quartiershausmeister, Anwohner und Sozialarbeiter mit einem Einkaufswagen zwischen den Bäumen am Rande des Bahndamms finden. Der Platz am Rande der City wird gerne als illegale Müllkippe genutzt und heißt nicht umsonst – auch bei Google Maps – Rattenparkplatz.
Sperrmüll, eine hölzerne Kabelrolle, Flaschen, Zigarettenschachteln, Styropor und Lebensmittelreste: „Der Ort ist uneinsehbar“, weiß Stadtteilmoderator Paul Hendricksen. Er arbeitet beim Institut für Stadtteilentwicklung, Sozialraumorientierte Arbeit und Beratung der Universität Duisburg-Essen (ISSAB) und setzt sich zusammen mit der CSE – Caritas SKF Essen sich für die temporäre Umwidmung des Parkplatzes ein. Be-Move heißt das Projekt, bei dem öffentliche Räume und Verkehrsinfrastrukturen neu gestaltet werden, um Aufenthaltsqualität und Mobilität zu verbessern. In Holsterhausen hatte das zuletzt für Diskussionsstoff gesorgt. Die dort aufgebauten Stadtterrassen gefielen nicht jedem.
Der Parkplatz an der Kleinen Stoppenberger Straße ist kostenfrei und besonders beliebt bei Innenstadtbesuchern, die die kostenpflichtigen Parkplätze in der City umgehen. „Parknot seitens der Anwohner gibt es in dem Bereich nicht“, erklärt Hendricksen, der längst diverse Gespräche geführt hat, um für das Projekt zu werben. Abends sei der Parkplatz nur noch zu einem Drittel gefüllt. Der Stadtteilmoderator rechnet nicht mit Gegenwehr und Protest. Im Gegenteil, die Anwohner würden sich an der Stelle eine positive Veränderung wünschen.
Essener Rattenparkplatz für Drogenkonsum bekannt
Der Parkplatz im Nordviertel ist nicht nur beliebt bei Innenstadt-Besuchern, sondern auch bei Jugendlichen. Die treffen sich dort und auf dem angrenzenden Spielplatz – allerdings nicht nur zum Spielen. Am Dienstag steht ein etwa zehnjähriger Junge neben Sträuchern und zieht an einer Zigarette. CSE-Sozialarbeiter Thomas Rüth: „Der Ort ist seit vielen Jahren ein Kriminalitätsbrennpunkt, insbesondere Drogenhändler agieren in aller Öffentlichkeit.“ Der Parkplatz sei für Kinder und Jugendlichen interessant und spannend: „Das führt dann leider auch dazu dass Kinder, im wahrsten Sinne Wortes, zwischen den Drogengeschäften spielen.“ Dazu komme der Müll, der Ungeziefer anzieht – nicht der beste Ort, an dem Kinder spielen sollten. Rüth: „Gegen diese Entwicklung wollen wir mit den Bewohnern und Bewohnerinnen aus dem Nordviertel ein Zeichen setzten.“
Viele Nationen kommen dort zusammen, das Nordviertel ist multikulturell. Auch die Armutsquote ist hoch. 75 Prozent der Eltern, die ihre Kinder zur Nordviertel-Grundschule schicken, sind Bezieher des Bildungs- und Teilhabepakets. Die Arbeitslosenquote liegt mit 13,5 Prozent (Angaben der Stadt von 2021) deutlich über dem Essener Durchschnitt von 9,7 Prozent.
Das spielt an diesem verregneten Sauberzaubertag jedoch keine Rolle. Die Stimmung ist gut, Bässe wummern aus einer Musikbox, das Team von Mobilitea schenkt warmen Tee aus. Nicht nur, wenn Müll gesammelt wird, sondern seit September einmal in der Woche. Auch Fußball-, Musik- und Bewegungsangebote haben verschiedene Projektpartner dort in den vergangenen Monaten auf die Beine gestellt. „Aufsuchende Sozialarbeit“ nennt sich das, was CSE, ISSAB und Co. betreiben: Streetworker gehen dorthin, wo die Jugendlichen sind und bieten Aktionen an.
30 bis 40 Stellplätze fallen auf Essener Parkplatz weg
Und das geht jetzt in die nächste Entwicklungsstufe, indem ein Teil des Platzes zwischen April und September umgewidmet werden soll, 30 bis 40 Stellplätze fallen dann weg. Das letzte Okay seitens der Stadt steht noch aus, Paul Hendricksen geht aber davon aus, dass alles klappt. Bisher habe es von allen Behörden und auch der Politik vor Ort positive Rückmeldungen gegeben.
Mit dem Platz der Jugendkultur soll der öffentliche Raum aufgewertet werden und „einer besonders gefährdeten Gruppe junger Menschen“ die Möglichkeit gegeben werden, ihre Lebenswelt nach ihren Vorstellungen zu gestalten – eine Experimentierfläche für Anwohner, Institutionen und Jugendliche.
Graffiti-Aktionen, Konzerte und Skateanlage auf Essener Parkplatz geplant
Geplant sind unter anderem Graffiti-Aktionen mit Künstlern aus Essen, eine mobile Skateanlage, eine Fahrradwerkstatt und ein Spielcontainer für Bälle, Skateboards und andere Materialien. „Außerdem sollen temporäre Sitz- und Aufenthaltsflächen entstehen, um eine angenehme Atmosphäre zum Verweilen mit den Jugendlichen zu schaffen“, so Hendricksen. Das Mobilitea-Team soll weiter vorbeikommen und die Menschen aus unterschiedlichen Kulturen mithilfe verschiedener Teekulturen zusammenbringen.
In Kooperation mit dem Weigle-Haus sollen zudem Hip-Hop- und Breakdance-Tanzworkshops angeboten werden, die Künstler aus dem Eltingviertel wollen mit den Jugendlichen Installationen auf dem Platz errichten und in Kooperation mit dem Jugendamt und der Weststadthalle sollen kleine Konzerte durchgeführt werden.
Im Nordviertel gibt es zudem einen etablierten Bewohnerstammtisch. Die Mitglieder sollen sich dann auch dort treffen. Dass das Konzept vom Wetter unabhängig ist, haben die Verantwortlichen mit der ersten am Dienstag Aktion unter Beweis gestellt. Als der Container der Entsorgungsbetriebe voll war, gingen die Sauberzauber-Ehrenamtlichen nicht nach Hause, sondern verweilten bei Grillwurst, Getränken und Kuchen unter zwei Pavillons.
Kooperationspartner des Projekts
Das Projekt Platz der Jugendkultur wird durch die Stadt Essen als Teil des Projektaufrufs Be-Move gefördert.
Kooperationspartner und Unterstützer: Verein Buntes Nordviertel, Weigle Haus, Jugendamt der Stadt Essen, Soziale Dienste und Weststadthalle, Grüne Hauptstadt Agentur – Be-Move, Stadtteilprojekt Altenessen Süd/ Nordviertel, Mobilitea, Jugendberufshilfe Essen, Jugendhilfe Essen, Vonovia und Westenergie/RWE.
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