Essen. Entwicklung des Essener Zeche-Carl-Ensembles soll voran kommen. Auch Neubauten sind im Gespräch. Umzug der Stadtteilbibliothek bleibt fraglich.
Drei Jahre ist es her, da schien der Dornröschenschlaf des historischen Malakowturms auf dem Zeche-Carl-Areal ein absehbares Ende zu finden. Ein Antrag von CDU und SPD, den maroden Bergbau-Koloss und weitere denkmalgeschützte Gebäude vor dem Verfall zu retten, fand damals breite politische Zustimmung. Eine Projektgruppe sollte die Arbeit aufnehmen, erste Ergebnisse wurden bereits für den Sommer 2020 angekündigt. Bis zur Beauftragung einer Machbarkeitsstudie hat es dann aber doch noch fast zwei Jahre Jahre gedauert. Die Ergebnisse dieses Checks liegen mittlerweile vor und sollen der Ensembleentwicklung des Carl-Areals nun endlich Schub geben. Die Zeit drängt, denn nicht nur die seit 2021 in Altenessen angesiedelte Junior Universität braucht dringend Unterrichtsraum.
An Plänen für den Ausbau des historischen Ensembles hat es schon in der Vergangenheit nicht gemangelt. Neben der Junior-Uni faszinierte in den vergangenen Jahren vor allem die Idee, die Altenessener Stadtteilbibliothek auf dem Carl-Areal anzusiedeln. Auch der langjährige Betreiber des vor über 40 Jahren gegründeten soziokulturellen Zentrums, die Auf Carl GmbH, leidet mit ihrem vielfältigen Kurs- und Kulturangebot unter Platznot.
Was von den ehrgeizigen Plänen realisierbar ist, dürfte aber nicht nur eine Kostenfrage sein. Vieles hängt vor allem von den Ergebnissen einer Baugrunduntersuchung ab, die NRW.Urban übernehmen soll. Im August sollen die Arbeiten beginnen, das Gutachten zur Gefährdungsabschätzung soll voraussichtlich im Januar 2024 vorliegen.
Noch weiß niemand, welche Altlasten im Untergrund schlummern
Noch weiß nämlich niemand, welche Altlasten im kontaminierten Untergrund des einstigen Zechen- und Kokerei-Areals schlummern und welche baulichen Optionen damit überhaupt zur Debatte stehen. Neben der Instandsetzung des 1856 erbauten Backsteinturmes haben die Planer auch Flächen für mögliche Erweiterungsbauten ausgemacht – auf der Rückseite des Malakowturmes und seitlich der ehemaligen Grubenschreinerei und Schlosserei könnten so zusätzliche Raumkapazitäten geschaffen werden. Voraussetzungen allerdings ist, dass das in Auftrag gegebene Gutachten den avisierten Flächen überhaupt Baureife attestiert und ein Anbau „mit einem wirtschaftlich vertretbaren Aufwand herstellbar ist“, heißt es seitens der Verwaltung.
So wackelig, wie der Malakowturm in den vergangenen Jahren geworden ist, sind deshalb auch die bisherigen Kostenschätzungen. 21 Millionen stehen zunächst einmal auf dem Papier. Doch darin fehlt bislang vieles – ein Verkehrskonzept ebenso wie ein Altlastenkonzept. Auch mögliche notwendige Veränderungen am Außengelände des Areals wurden bisher nicht einkalkuliert.
Was ist machbar: Ein großer baulicher Wurf – oder doch nur eine Interimslösung
Nicht ausgeschlossen, dass aus dem großen Wurf am Ende doch ein deutlich kleinere Lösung wird. Sollte ein Erweiterungsbau beispielsweise nur in Anbindung an die ehemalige Grubenschreinerei und Schlosserei möglich sein, hätte die Junior-Uni dort Vorrang. Im akuten Bedarfsfall könnten die ehemalige Grubenschreinerei und Schlosserei zunächst auch als Interimslösung für die Junior Uni dienen, heißt es in der städtischen Vorlage.
Der Traum, den Malakowturm zum Bücherturm zu machen, könnte damit erneut in weite Ferne rücken oder am Ende womöglich ganz gestrichen werden. „Die übrigen Maßnahmen schließen sich in Abhängigkeit von Bauzeit und verfügbaren Haushaltsmitteln sukzessive an“, heißt es in dem Verwaltungspapier, das der Kulturausschuss in seiner jüngsten Sitzung diskutiert hat und das am 17. Mai in den Rat geht.
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So manches langgediente Ausschuss-Mitglied wie SPD-Mann Hanns-Jürgen Spiess verbindet mit der Instandsetzung des Malakowturms ohnehin schlechte Erfahrungen und fürchtet ein neuerliches „Kostengrab“. Ein früherer Sanierungsanlauf war mit Betrugsvorwürfen geendet. Die Altenessener Handwerker-Initiative wurde damals von dem Projekt abgezogen, die Sanierung nie beendet. Vorwürfe wegen Pfuschs am Bau mussten später zurückgenommen werden. Ein ehemaliger und inzwischen verstorbener Mitarbeiter der städtischen Immobilienwirtschaft soll nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft vielmehr Scheinrechnungen ausgestellt und in die eigene Tasche gearbeitet haben. Die Vorgänge wurden erst vor Jahren nach einem Gerichtsprozess öffentlich aufgerollt. Da war der Malakowturm längst in einen jahrelangen Dornröschenschlaf gefallen. Der Traum von der Wiedererweckung, er geht weiter.