Essen-Kettwig. Nach rund 30 Jahren startet der Bauverein Essen-Kettwig wieder ein Neubauprojekt – elf Häuser in Ickten. Doch gleich zu Beginn gibt es Probleme.
Der Bauverein Kettwig plant Großes: An der Icktener Straße sollen elf Häuser mit insgesamt 66 Wohnungen – das „Icktener Tor“ – entstehen. Doch gleich zum Start setzte es einen empfindlichen Dämpfer, der das Neubauprojekt der Kettwiger Genossenschaft um zweieinhalb Monate nach hinten wirft.
Als im Januar dieses Jahres die Bauarbeiten begannen, schien die Welt noch in Ordnung. Die alte Bebauung aus den 1970 Jahren war längst verschwunden, um im ersten Bauabschnitt Platz für die neuen Domizile in Modulbauweise zu schaffen. „Doch als die Bagger begannen, die Baugrube auszuheben, stießen die Arbeiter auf Versorgungsleitungen, die quer über unser Grundstück laufen“, erklärt Hans-Joachim Hess, seit März neuer Geschäftsführer des Bauvereins.
Alte Gasleitungen queren das Grundstück und verzögern die Arbeiten am Fundament
Eine unliebsame Entdeckung, mit der jedoch niemand rechnen konnte. „Die Leitungen waren in den uns vorliegenden Planwerk nicht verzeichnet“, sagt Hess. „Nun werden die Gasleitungen, die die Heizungen der Altbauten versorgten, unter den Bürgersteig verlegt.
Erst nach Abschluss dieser Arbeiten, die Anfang nächster Woche beginnen werden, kann das Fundament für die Neubauten gegossen werden. Die Basis für erst einmal zwei Häuser. „Für den Rest liegt uns bislang noch keine Baugenehmigung vor“, sagt Hess. Dass die Stadt diese bislang versagt, hängt, laut Hess, mit den notwendigen Stellplätzen zusammen. „Bei 66 Wohnungen müssen wir knapp 100 Stellplätze vorhalten.“ Doch dies dürfte beim Platzangebot kaum zu realisieren sein. Deshalb diskutierte man eine Variante mit einem Haus weniger oder mit einer Tiefgarage. „Doch am Ende wird es wohl auf eine Ausgleichszahlung herauslaufen“, sagt Geschäftsführer Hess.
Die ersten zwei Häuser an der Icktener Straße sollen bis Ende 2023 bezogen werden
Bis Ende dieses Jahres sollen die beiden Gebäude bezugsfertig sein. Was wichtig ist, denn parallel dazu wird der zweite Bauabschnitt mit drei weiteren Häusern starten. Zu diesem Zeitpunkt werden erneut drei Altbauten fallen, die bereits bis auf zwei Nutzer leergezogen wurden. Die Mieter ziehen dann direkt in die neuen Häuser um. Hess: „Wir verfahren hier nach dem Prinzip Abriss und Neubau. Immer im Wechsel, bis das gesamte Projekt abgeschlossen ist.“ Wann dies der Fall sein wird, darauf will sich der Geschäftsführer zu diesem frühen Zeitpunkt nicht festlegen: „Auch wir leiden natürlich unter dem Fachkräftemangel in der Baubranche.“
Sicher ist, dass das Neubauprojekt deutlich teurer wird als anfangs kalkuliert. „Die Inflation und die Materialkosten lassen die Kosten schier explodieren“, sagt Hess. Noch im Jahr 2017, als die Planungen begannen, veranschlagte der Bauverein 11 Millionen Euro. Mittlerweile belaufen sich seriöse Schätzungen auf 20 Millionen Euro. „Und dabei hatten wir noch Glück, die ersten Baukörper noch zum alten Preis bekommen zu haben“, so Hess. „Die sind heute sicherlich eine halbe Millionen Euro teurer.“
Kettwiger Bauverein entscheidet sich gegen öffentliche Finanzierung
Viel Geld also für den Kettwiger Bauverein, der – entgegen erster Pläne – gänzlich auf öffentliche Fördergelder verzichtet und das Bauprojekt mit Hilfe von Finanziers stemmt. Auch die vorher angedachte Förderung durch das Heimatministerium des Landes NRW in Höhe von immerhin 800.000 Euro wurde nicht beantragt.
Doch die Investition lohnt, davon ist Hess überzeugt: „Dieses Bauvorhaben zählt sicher zu den größeren in der Geschichte unseres Bauvereins. Und es ist das erste Neubauprojekt seit wahrscheinlich 30 Jahren.“ In den letzten Jahrzehnten habe die Genossenschaft den Schwerpunkt eher auf Bestandserhaltung gelegt, „doch das hat sich bei dieser alten Bausubstanz an der Icktener Straße einfach nicht gerechnet. „Da ist ein Neubau sicherlich sinnvoller.“
Das Projekt wurde noch von Hess’ Vorgänger Jochen Kraft und dem damaligen Aufsichtsrat geplant und auf den Weg gebracht. Der neuen Führungsriege (siehe Zweittext) kommt nun die schwierige Aufgabe zu, den Plan vom „Icktener Tor“ umzusetzen. Für Hess ist dies Herausforderung und Pflicht zugleich: „In unserer Satzung ist der Auftrag formuliert, unsere Mitglieder mit attraktivem Wohnraum zu versorgen.“ Bei einer Genossenschaft liege der Fokus nicht auf Gewinnmaximierung. „Das Geld fließt eigentlich immer wieder in Investitionen zurück.
Bauverein Kettwig stellt seinen Vorstand neu auf
„Unser Bauverein ist praktisch der Allbau von Kettwig“, erklärt Hans-Joachim Hess salopp, aber mit Überzeugung. Der neue Geschäftsführer der 1918 gegründeten Genossenschaft sieht künftig eine „ganzheitliche und wertorientierte Quartiers- und Bestandsentwicklung in Einklang mit dem Klimaschutz“ als vorrangiges Ziel. Die Last dieser Aufgabe liegt jedoch nicht allein auf seinen Schultern.
Kurz vor Ostern hatte sich sein Vorgänger Hans-Joachim Kraft in den Ruhestand verabschiedet. Seitdem trägt der gebürtige Berliner Hess die Verantwortung für 1400 Mitglieder und einen Bestand von 601 Wohnungen in 141 Häusern sowie vier Gewerbeeinheiten und 91 Garagen. Was den Bauverein zum größten Akteur in Kettwig macht.
Der gelernte Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft lebt mit Frau und Sohn schon lange in Oberhausen – natürlich in einer Genossenschaftswohnung. Seine Freizeit nutzt der Schalke-Fan für Stadionbesuche, zudem besitzt er eine Vorliebe für Bücher über das Altertum und die Französische Revolution.
Zum Vorstand zählen nun auch zwei weitere Kettwiger. Der Anwalt Peer Reitner tritt nach sechs Jahren im Aufsichtsrat des Vereins die Nachfolge des verstorbenen Karl-Werner Damms an. Der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht möchte „modernen Wohnraum zu moderaten Preisen“ schaffen und Kettwig auch für jüngere Menschen attraktiv machen. Der Jurist bemüht sich im Bauverein um die Digitalisierung, um die interne Kommunikation zu verbessern und die Arbeit von Vorstand und Aufsichtsrat transparenter zu machen.
Rainer Terboven, ein selbstständiger Architekt, hat sich der Sanierung und Modernisierung des Immobilienbestandes der Genossenschaft verschrieben. Kontakt zum Bauverein knüpfte er, als unter seiner Regie der Kettwiger Markt in der Montebruchstraße entstand. Schon während seiner Tätigkeit beim Wohnungsamt Düsseldorf sammelte er Erfahrung mit größeren Neubauprojekten, so in Gerresheim mit 82 Wohnungen. Daher betreut er nun fachlich das Neubauprojekt „Icktener Tor“, dem er einen großen Stellenwert einräumt: „Unsere Mitglieder verdienen moderne Wohnungen mit einem attraktiven Grundriss und zeitgemäßer energetischer Ausstattung.“
Genau dies soll im Neubau in Ickten umgesetzt werden. Dort trennt man sich von Gasheizungen, setzt künftig auf Wärmepumpen und Photovoltaik. „Der Bauverein steht in der Pflicht, bis zum Jahr 2045 eine klimaneutrale Bilanz aufzuweisen“ erklärt Hess. „Im Bestand fehlen noch viele Wärmepumpen.“
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