Essen. Viele Betriebe klagen über fehlende Fachkräfte. Der Chef von Menden Buchstaben dagegen klagt nicht. Grund ist seine etwas andere Personalpolitik.

Marlon Menden ist Mitglied der Geschäftsführung bei der Menden Buchstaben GmbH & Co. KG – ein Familienbetrieb in vierter Generation, der in Essen-Kettwig Lichtwerbeanlagen herstellt. Nach einer Corona-Delle zieht das Geschäft gerade wieder an, die Auftragsbücher füllen sich. Einzelhändler, Gastronomen – Unternehmen allgemein – investieren wieder und suchen dafür den passenden leuchtenden Auftritt. Für Marlon Menden heißt das: Er braucht mehr Mitarbeiter.

Wie viele andere Unternehmer könnte Menden über fehlende Fachkräfte klagen. Er sucht aktuell Metallbauer, Kunststoffschlosser, Buchstabenklempner und Schilder- und Lichtreklamehersteller. Aber er klagt nicht. „Wir müssen uns kümmern, damit wir die Positionen besetzt bekommen. Manchmal heißt das zwar auch, weitere Wege zu gehen. Aber dazu sind wir bereit, denn es geht nicht anders“, sagt der 29-Jährige.

Mitarbeiter schult vom Helfer zum Facharbeiter um

Mansour Nosrati ist so ein Fall der weiteren Wege. Der 30-Jährige ist in Afghanistan geboren, wuchs im Iran auf und arbeitete dort sieben Jahre als Schweißer. Mit der Flüchtlingswelle kam er vor sechs Jahren mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter nach Deutschland. Er lernte Deutsch, holte den Hauptschulabschluss nach. Seit wenigen Wochen arbeitet er bei Menden Buchstaben als Metallbauer. Den Job vermittelte ihm das Jobcenter. Doch die Aussicht, künftig nur als Hilfsarbeiter angestellt zu werden, behagte Mansour Nosrati nicht. Er hätte lieber eine Ausbildung gemacht, etwas Solides. „Damit hat man in Deutschland bessere Chancen“, weiß er.

Bei vielen Unternehmen sei er aber mit seinem Ausbildungswunsch abgeblitzt. Sie hielten ihn für zu alt. Menden Buchstaben dagegen wollte ihm den Weg dahin durchaus ebnen. Doch das hätte bedeutet, dass der jungen Familie, die mittlerweile auf vier Mitglieder angewachsen ist, über mehr als drei Jahre lang nur der eher kärgliche Azubilohn von 5,55 Euro die Stunde zum Leben geblieben wäre.

Marlon Menden ist Mitglied der Geschäftsführung bei Menden Buchstaben in Kettwig. Der Familienbetrieb mit rund 200 Mitarbeitern existiert in vierter Generation.
Marlon Menden ist Mitglied der Geschäftsführung bei Menden Buchstaben in Kettwig. Der Familienbetrieb mit rund 200 Mitarbeitern existiert in vierter Generation. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Das Unternehmen fand deshalb einen anderen Weg: Mansour Nosrati macht nun eine betriebliche Umschulung zum Metallbauer quasi neben seinem Helferjob, für den er aktuell 14,32 Euro Stundenlohn bekommt. 28 Monate lang muss er nun regelmäßig die Schulbank drücken und ist nach bestandener Prüfung Facharbeiter. Bei Menden würde er dann auch den Tariflohn für gelernte Metallbauer bekommen. Vielleicht geht es für ihn danach sogar noch weiter. Den Ehrgeiz dafür scheint er zu haben: „Lernen hat für mich keine Grenzen“, sagt er.

Arbeitsagentur Essen fördert Qualifizierung

Gefördert wird seine Qualifizierung von der Arbeitsagentur. Sie bezuschusst den Helferlohn zu 75 Prozent. Für die Arbeitsagentur ist das Unternehmen Menden Buchstaben ein gutes Beispiel dafür, wie Firmen dem Fachkräftemangel aktiv begegnen können, in dem sie beispielsweise ungelernte Mitarbeitende wie Mansour Nosrati im Betrieb qualifizieren. „Die Stelle eines Hilfsarbeiters lässt sich sicher leichter wieder besetzen, als die einer Fachkraft“, betont die Chefin der Arbeitsagentur, Andrea Demler. Allerdings nutzen in ihren Augen noch zu wenige Betriebe die Möglichkeit.

Weiterbildung: Experten beraten in der Innenstadt

Die Arbeitsagentur geht in den kommenden Tagen auf Tour und berät zu beruflicher Orientierung – Weiterbildung – Qualifizierung. Das Expertenteam ist in Essen an folgenden Tagen vor Ort:

8. September von 14 – 20 Uhr auf der Kettwiger Straße 39

9. September von 10 – 19 Uhr auf der Kettwiger Straße 39

10. September von 11 – 18 Uhr auf dem Kennedyplatz 9

Weitergehende Informationen zum Beratungsteam gibt es hier: https://www.arbeitsagentur.de/vor-ort/essen/bbie

Marlon Menden macht allerdings auch kein Hehl daraus, dass der Aufwand für das Unternehmen hoch war. Personalleiter Frank Holtrichter habe etliche Schriftwechsel und Telefonate mit der Arbeitsagentur geführt, bis Mansour Nosrati seine Umschulung im August beginnen konnte. Für Menden Buchstaben lohnt sich der Einsatz dennoch: „Die Mitarbeiter sind unser Know-how und wir brauchen sie, damit wir uns gut im Wettbewerb behaupten können“, meint Marlon Menden. Ihm sei wichtig, die Beschäftigten möglichst lange an das Unternehmen zu binden: „Wir haben schließlich keine Serienfertigung, sondern unsere Produkte sind sehr speziell“. Deshalb sei es von großem Vorteil, wenn sich die Mitarbeiter qualifizieren.

Menden Buchstaben beschäftigt auch Ukrainerin

Mansour Nosrati ist nicht der erste Mitarbeiter, den Menden Buchstaben zur Fachkraft schult. „Wir haben mit dem Modell schon zwei Mal erfolgreich gearbeitet“, berichtet Personalleiter Frank Holtrichter. Aktuell hat das Unternehmen auch eine Ukrainerin beschäftigt, die nach Ausbruch des Krieges aus Kiew geflüchtet ist. Sie gehört seit über zwei Monaten zum Team. Das Unternehmen half ihr, in Kettwig eine Wohnung zu finden. Als Maschinenbau-Ingenieurin brachte sie bereits eine sehr gute Qualifikation mit, muss deshalb nur betriebsintern geschult werden.

In vielen Unternehmen ist der Fachkräftemangel mittlerweile zum Wachstumshemmnis geworden. Nicht so bei Menden Buchstaben: „Wenn wir jedoch keine Maßnahmen getroffen hätten, dann hätte er uns gebremst“, betont Marlon Menden.