Essen-Margarethenhöhe. Täter, Opfer, Mitläufer: Jürgen Malone und Manfred Raub veröffentlichen einen Band zur Geschichte der Margarethenhöhe zwischen 1933 und 1945.

  • Ein Buch über die Margarethenhöhe in der NS-Zeit haben Jürgen Malone und Manfred Raub verfasst.
  • Zu dem Thema gab es bisher wenig Material.
  • Auch in der historischen Gartenstadt gab es Täter und Opfer.

Ein neues Buch zum Thema „Die Margarethenhöhe im Nationalsozialismus“ haben Jürgen Malone und Manfred Raub veröffentlicht. Es beleuchtet die dunkle Zeit zwischen der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 in dem Essener Stadtteil. Die Autoren gehen der Frage nach, wie sich das Leben dort damals verändert hat.

Selbst vor der Idylle der Gartenstadt machte der Terror keinen Halt. „Auch in unserer guten nachbarschaftlichen Welt war dieses Grauen damals möglich“, schreibt Michael Flachmann, Vorstand der Margarethe-Krupp-Stiftung, im Grußwort zu dem Band. Genau das zeigen die Recherchen des Autors Jürgen Malone, der sich dem dunklen Kapitel in der Geschichte der Margarethenhöhe mit seinem Buch zu nähern versucht und dabei auf die wenigen noch vorhandenen Bilddokumente aus jener Zeit zurückgreift.

Autor beleuchtet die Zeit des Nationalsozialismus auf der Margarethenhöhe in Essen

Jürgen Malone (66) widmet sich der Rolle der Margarethe-Krupp-Stiftung während des Nationalsozialismus, schaut auf die Mieterstruktur zu jener Zeit, betrachtet die Auswirkungen der NS-Diktatur auf jüdische Mitbürger vor Ort, auf das künstlerische Leben, die Kirchengemeinden und Vereine im Stadtteil. Er hat zu NS-Funktionären recherchiert, aber auch zu Menschen, die sich in die innere Emigration flüchteten oder sogar aktiv Widerstand leisteten.

Das Buch „Die Margarethenhöhe im Nationalsozialismus“ haben Manfred Raub (l.) und Jürgen Malone herausgegeben.
Das Buch „Die Margarethenhöhe im Nationalsozialismus“ haben Manfred Raub (l.) und Jürgen Malone herausgegeben. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Er nähert sich den zahllosen Mitläufern, „ohne den Stab über sie zu brechen“, wie Malone betont. Er habe der Frage nachgehen wollen, wie sich die soziale Struktur auf der Margarethenhöhe seit 1933 verändert habe – was oft nicht ganz einfach gewesen sei. „Die Recherche in Archiven nimmt am Ende doch mehr Zeit in Anspruch, als man denkt“, blickt er auf die Arbeit am Buch zurück.

Dass die Margarethe-Krupp-Stiftung ihm einen Einblick in alte Mieterakten ermöglicht habe, sei hilfreich gewesen. Allerdings seien diese nicht allzu aussagekräftig, da Mietverträge zwar abgeheftet, weitere Schriftstücke aber erst ab 1946 wieder auffindbar seien. „Die Akten sind zwischenzeitlich offenbar ,bereinigt’ worden, was damals ja nichts Ungewöhnliches war“, so Jürgen Malone.

Infos zum Buch

Das Buch „Die Margarethenhöhe im Nationalsozialismus“ umfasst 144 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, darunter 14 Seiten mit Farbfotos. Es kostet 14,95 Euro und ist zunächst in einer Auflage von 130 Stück gedruckt worden.

Es ist ab 17. April in der Petite Papeterie Drange, Laubenweg 11, in der Buchhandlung Leselust in der Neuen Mitte Haarzopf, Fulerumer Straße 221-223, und bei Jürgen Malone unter ju-malone@arcor.de erhältlich.

Die Idee, die NS-Zeit in einem Buch aufzuarbeiten, sei vor drei Jahren entstanden. „Damals gab es die Überlegung, auch auf der Margarethenhöhe Stolpersteine zu verlegen, die an das Leben jüdischer Mitbürger erinnern sollten. Dabei kam die Frage auf, welche jüdischen Familien hier überhaupt gelebt haben und was mit ihnen während der NS-Zeit passiert ist“, erinnert sich Jürgen Malone, der selbst auf der Margarethenhöhe lebt, an die ersten Vorgespräche. In Sachen Aufarbeitung gebe es durchaus Nachholbedarf: Das Thema NS-Zeit werde in den zahlreichen Publikationen, die es zur Gartenstadt gibt, gar nicht oder nur sehr kurz abgehandelt.

Herausgeber führen Besuchergruppen durch den Stadtteil

Malone kooperierte bei der Arbeit an dem Band mit Manfred Raub (65), der für die Gestaltung des Buches, Bildrecherche und -bearbeitung sowie das Korrekturlesen verantwortlich zeichnet. Die Geschichte des Stadtteils ist auch Raub nicht fremd: Seit Jahren führen er und Jürgen Malone Besuchergruppen durch die Gartenstadt und erläutern ihnen die Historie.

So war die Erkenntnis am Ende der Recherche für beide nicht überraschend: „Hier auf der Margarethenhöhe war es auch nicht anders als an anderen Orten, auch hier wohnte das Grauen nebenan“, resümiert Jürgen Malone.

Ein Bild der Zerstörung bot die Straße Im Stillen Winkel gegen Ende des Zweiten Weltkriegs.
Ein Bild der Zerstörung bot die Straße Im Stillen Winkel gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. © Fotosammlung Bürgerschaft Margarethenhöhe

Um auch Außenstehenden ein besseres Verständnis vom Stadtteil und seinen Strukturen zu vermitteln, stellt Malone den Kapiteln über die NS-Zeit Grundsätzliches über die Gartenstadt, ihre Stifterin Margarethe Krupp sowie die Mieterstruktur in den Anfangsjahren voran. „Die Margarethenhöhe war keine Arbeitersiedlung, hier konnte sich jeder um eine Wohnung bewerben. Rund 40 Prozent der Bewohner waren damals Kruppsche Beamte und Angestellte. Das was klassenübergreifendes Bauen und Wohnen“, so Malone.

Es habe nach seinen Recherchen nur vier jüdische Mitbürger auf der Margarethenhöhe gegeben, die das NS-Terrorregime offenbar alle überlebt hätten. Das Thema Verfolgung tauche dennoch immer wieder auf: Einer der bekanntesten Bewohner der Margarethenhöhe war der Künstler Will Lammert, der nicht nur als Kommunist Repressionen der Nationalsozialisten zu befürchten hatte, sondern auch um seine jüdische Ehefrau bangte. Lammert ist im Buch ein eigenes Kapitel gewidmet, ebenso wie dem Maler und Grafiker jüdischen Glaubens, Kurt Lewy.

Eindrucksvolle Fotos von den Kriegsschäden auf der Margarethenhöhe

„Mit Namen bin ich vorsichtig gewesen, weil ja teils noch Nachfahren der Menschen hier leben“, sagt Malone. Der 66-Jährige ist kein studierter Historiker, leitete aber während seines Berufslebens das Archiv der Stadtwerke und war damals auch mit dem Themenkomplex „Zwangsarbeiter und Entschädigungszahlungen“ befasst.

Das Buch endet mit dem Kriegsende, mit eindrucksvollen Fotos des zu 44 Prozent zerstörten Stadtteils. Die Zeit des Wiederaufbaus spiele keine große Rolle im Buch. „Damals war es wichtig, dass die Menschen möglichst schnell wieder ein Dach über dem Kopf bekamen, da spielten Denkmalschutz-Gesichtspunkte eine untergeordnete Rolle“, erklärt Malone. Noch heute sei dies an etlichen Gebäuden erkennbar. Erst bei späteren Sanierungen habe man die Pläne des Architekten Georg Metzendorf wieder zurate gezogen.