Essen. Die Grundsteuerbescheide treiben Immobilieneigentümern Sorgenfalten ins Gesicht. Der Verband Haus & Grund Essen berichtet von extremen Fällen.
Die neue Grundsteuer sorgt weiter für Ärger und das beschert dem Eigentümerverband Haus & Grund in Essen im Moment reichlich Arbeit. „Die Grundsteuer beschäftigt uns zurzeit massiv. Denn jetzt kommen die Bescheide von den Finanzämtern, und es stellen sich für Immobilienbesitzer viele Fragen“, berichtet der Geschäftsführer von Haus & Grund, Andreas Noje. In Essen haben die beiden Finanzämter Nord-Ost und Süd bislang 79 bzw. 71 Prozent der eingegangenen Grundsteuererklärungen bearbeitet, wie die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen auf Nachfrage mitteilte.
Der 50-jährige Noje leitet den Essener Verband seit Jahresbeginn, nachdem der langjährige Chef, Werner Weskamp, Ende 2022 in den Ruhestand gegangen war. Die Anfragen zu den Grundsteuerbescheiden sind beim Verband seit dem Amtsantritt von Andreas Noje weiter stark angestiegen. Etwa 30 bis 40 Immobilienbesitzer wenden sich derzeit pro Woche an Haus & Grund. Drei Berater stehen ihnen als Ansprechpartner zur Seite. „Viele treibt die Frage um, ob sie nun Einspruch einlegen sollten“, sagt Noje. Das Problem nämlich ist: Es bleiben nur vier Wochen Zeit, dann wird der Bescheid rechtskräftig. Wie viel Grundsteuer jedoch am Ende tatsächlich zu bezahlen ist, wird erst feststehen, wenn der Stadtrat im kommenden Jahr die Hebesätze für das Jahr 2025 verabschiedet.
Die Rechtsfolgen des Grundsteuerbescheides lassen sich daher für Immobilienbesitzer noch gar nicht abschätzen. Nicht zuletzt deshalb sieht der Eigentümerverband verfassungsrechtliche Mängel in den Regelungen zur neuen Grundsteuer. Strittig sind auch die Bewertungsgrundlagen. Viele Hausbesitzer würden beispielsweise mit den Mieten hadern, die bei der Berechnung zugrunde gelegt seien. Der Gesetzgeber hat dafür eine Tabelle mit pauschalen Mieten festgelegt. Für ganz Essen wendet das Finanzamt somit rund neun Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter an. „Bei vielen sind diese Miethöhen gar nicht erzielbar“, so Noje.
Essener Hausbesitzer müsste 123 Prozent mehr Grundsteuer zahlen
Wie drastisch die neue Grundsteuer Immobilieneigentümer treffen könnte, zeigt unter anderem dieses Beispiel aus Essen: Der Hauseigentümer, der sich bei Haus & Grund gemeldet hat, bezahlt derzeit für sein Grundstück circa 850 Euro Grundsteuer. Das Grundstück hat im rückwärtigen Bereich zwar einen größeren Garten, dieser ist aber nicht als Bauland ausgewiesen, kann also nicht als Wohnfläche genutzt werden. Auf der Grundlage des neuen Grundsteuerfestsetzungsbescheides und des Grundsteuermessbescheides müsste dieser Hausbesitzer – wenn man den aktuell gültigen Hebesatz unterstellt – zukünftig eine Grundsteuer von über 1900 Euro zahlen. Dies wären über 120 Prozent mehr.
Andreas Noje rät in solchen Fällen, wenn die Grundsteuer auf Grundlage des neuen Bescheides und des aktuellen Hebesatzes deutlich über der bisherigen liegt, Widerspruch einzulegen. Betroffene sollten sich dabei auf bereits anhängige Klageverfahren in Berlin und Brandenburg berufen und beantragen, die Entscheidung über den Einspruch so lange ruhend zu stellen.
Rund 30.000 Grundsteuererklärungen in Essen fehlen noch
Einspruch sollte auf jeden Fall eingelegt werden, wenn der Immobilieneigentümer selbst Fehler bei der Übermittlung der Daten gemacht hat. „Deshalb ist es wichtig, den Bescheid auf die Richtigkeit der Fakten zu prüfen. Wem falsche Angaben auffallen, sollte auf jeden Fall handeln“, mahnt Noje. Bis Ende Januar hielten sich laut Oberfinanzdirektion die Widersprüche allerdings noch in Grenzen. In 4,6 Prozent der Fälle seien Einsprüche bei den NRW-Finanzämtern eingelegt hat. Neuere Zahlen nannte die OFD nicht.
Allerdings haben nach wie vor nicht alle Eigentümer und Eigentümerinnen ihre Grundsteuererklärung abgegeben, obwohl die Frist Ende Januar 2023 abgelaufen war. Von den knapp 166.000 erwarteten Erklärungen fehlen noch über 30.000.
Haus & Grund Rheinland-Westfalen hat im Internet ein Musterschreiben für den Einspruch veröffentlicht.