Essen. Ab 2024 könnte der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen verboten werden. Hauseigentümer sind verunsichert. Der Innungsobmann sagt, was machbar ist.
Viel Wut gibt es über einen Referentenentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium, das den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen schon ab 2024 verbieten will. Seit der von manchen Journalisten „Habeck-Hammer“ getaufte Plan auf dem Debatten-Markt ist, läuft bei Thomas Weber das Telefon heiß. „Die Verunsicherung ist riesengroß“, berichtet der Obmann der Innung für Sanitär- und Heizungstechnik Ruhr-West aus Gesprächen mit seiner Kundschaft. Viele fragten sich, was sie tun sollen. So mancher hat schlicht Angst.
Geht es nach dem Bundeswirtschaftsministerium, dann müssen neu eingebaute Heizungen ihre Wärme zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien gewinnen. „Noch ist das nur ein Plan“, sagt Andreas Noje und versucht der Botschaft ihren Schrecken zu nehmen. Doch der Geschäftsführer des Eigentümerverbandes Haus und Grund weiß nur zu gut: Sollte kommen, was sich Habecks Referenten ausgedacht haben, stehen viele Hausbesitzer vor großen finanziellen Belastungen. Auch wer eine ältere Heizung im Keller hat, die es wohl noch ein paar Jahre tut, macht sich da so seine Gedanken.
Viele Hausbesitzer lassen sich noch schnell eine Ölheizung einbauen
Was tun? Nicht wenige wollen ihre Gas- oder Ölheizung auf den letzten Drücker austauschen lassen – nicht gegen ein klimafreundliches Heizgerät, wie es dem Grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck vorschwebt, sondern gegen ein neueres Modell, das aber immer noch Gas oder Öl verbrennt, bestenfalls weniger davon. „Der Andrang ist enorm. Ich fahre fast jeden Tag zu Kunden, die sich eine neue Ölheizung einbauen lassen wollen“, berichtet Innungsobmann Thomas Weber, der mit seinem Betrieb in Essen ansässig ist.
Maximal 30 Jahre sollen fossile Heizungsanlagen noch laufen dürfen. Auch wenn es mit Blick auf den Kalender knapp werden könnte mit dem gewünschten Austausch, kann das heimische Heizungsgewerbe die steigende Nachfrage nach Angaben des Obmanns noch befriedigen. „Im Großen und Ganzen schaffen wir das“, sagt Thomas Weber. Nur: „Im Sinne des Klimaschutzes ist das nicht“, weiß auch der Heizungsfachmann, der über Habecks Pläne nur den Kopf schüttelt: „Die Politik erreicht damit genau das Gegenteil von dem, was sie erreichen will.“
Erneuerbare Energien spielen in Essen beim Energiemix fast keine Rolle
Auch die Stadt Essen hat sich zum Ziel gesetzt, mehr für den Klimaschutz tun. Der Ausstoß von Treibhausgasen soll drastisch reduziert, der Energieverbrauch also gesenkt werden. Bis zum 2040 will die Stadt klimaneutral sein. Dafür würde es eine Energiewende brauchen. Denn beim Verbrauch liegt Gas als Energieträger mit einem Anteil von 29,1 Prozent weit vorne. Der Heizölverbrauch ist in den vergangenen drei Jahrzehnten zwar eingebrochen und macht nur noch einen Anteil von 7,6 Prozent aus. Erneuerbare Energieträger spielen mit einem Anteil von gerade mal einem Prozent aber fast gar keine Rolle.
Laut der kommunalen Treibhausgasbilanz entfallen 39,4 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Essen auf Haushalte. Ziehen Hauseigentümer nicht mit, wird die Stadt ihre Klimaziele nicht erreichen können. Gefragt sind Immobilienunternehmen mit ihren großen Wohnungsbeständen, aber eben auch Eigentümer von Ein- oder Mehrfamilienhäuser; deren Anteil an den stadtweit rund 89.000 Wohngebäuden immerhin 52,5 Prozent beträgt.
Fossile Heizungssysteme lassen sich nicht einfach gegen eine Wärmepumpe austauschen
Der Bund will durch das Verbot den Einbau umweltfreundlicherer Heizgeräte forcieren. Als Alternative zu Öl- oder Gasbrennern gelten Wärmepumpen. Doch so einfach wie es sich anhört, sei es mit dem Austausch nicht, warnt Innungsobmann Thomas Weber. Denn: „Nichts ist schlimmer als eine falsch dimensionierte Wärmepumpe.“
Wärmepumpen benötigen eine niedrige Vorlauftemperatur von etwa 45 bis 47 Grad, sollen sie effizient sein. Das heißt, der Energiebedarf eines Gebäudes muss entsprechend gering sein. Ist dies nicht der Fall, weil das Haus beispielsweise schlecht gedämmt ist, verbraucht die Wärmepumpe Strom, um eine höhere Vorlauftemperatur zu erreichen. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach hilft da nur bedingt, denn geheizt wird in den Wintermonaten.
Hausbesitzer sollten sich deshalb die Frage stellen, welches Heizsystem zu ihrer Immobilie passt, sagt Thomas Weber. Der Fachmann rät dringend dazu, einen Energieberater hinzuziehen, der den Energiebedarf des Hauses genau berechnet. Gibt es bereits eine Fußbodenheizung oder müsste eine solche erst eingebaut werden, um die Wärmepumpe optimal nutzen zu können? Muss das Dach neu gedämmt werden? Und braucht es neue Fenster?
80 Prozent des Essener Wohngebäudebestandes wurde vor 1978 gebaut
Schon die Anschaffungskosten für eine Wärmepumpe liegen bei Preisen ab etwa 25.000 Euro etwa doppelt so hoch wie die einer herkömmlichen Heizung. Fallen dazu noch an der Immobilie umfangreiche Sanierungen an, kann es richtig teuer werden. Zwischen Karnap und Kettwig dürfte dies für viele Immobilien gelten. Knapp 80 Prozent des Essener Gebäudebestandes wurde vor 1978 gebaut. Das lässt erahnen, was auf Hauseigentümer zukommen könnte.
Welche Alternativen gibt es sonst? Pellet-Heizungen wären eine solche, sagt Thomas Weber, der für einen gesunden Energiemix wirbt. Nur liegt der Anschaffungspreis jenseits von 30.000 Euro und damit noch höher als der für Wärmepumpen. „Es kommt immer auf das Gebäude an“, betont der Innungsobmann, der nach eigenen Worten auch schon Pellet-Heizungen für 100.000 Euro eingebaut hat.
Der Eigentümerverband „Haus und Grund“ rät zum Anschluss ans Fernwärmenetz
Andreas Noje von „Haus und Grund“ empfiehlt Hausbesitzern prüfen zu lassen, ob ein Anschluss ihrer Immobilie an das Fernwärmenetz möglich ist. Iqony Fernwärme, vormals Steag, baut das Netz derzeit aus. Im vergangenen Jahr wurde das Versorgungsgebiet durch den Bau einer Fernwärmetrasse nach Osten erweitert, in naher Zukunft sollen auch Haushalte südlich der A 52 an das Netz angeschlossen werden. Unter der Autobahn wurden dafür bereits Leitungen verlegt.
Den Versorger erreichten derzeit zahlreiche Anfragen, berichtet Sprecher Daniel Mühlenfeld. Ob aber ein einzelner Hausbesitzer zum Zuge kommen kann, ist fraglich. Iqony setzt auf „Ankerkunden“ wie zum Beispiel Unternehmen, die entsprechende Mengen abnehmen, bevor ein neues Gebiet angeschlossen wird.
Bleibt noch die Hoffnung auf Erfindergeist und technische Innovationskraft. Der Allbau hat angekündigt im Zuge der Modernisierung seiner Objekte, Mehrfamilienhäuser mit Wärmepumpen auszustatten. Die Wohnungen werden aber nicht mit Fußbodenheizungen nachgerüstet, sondern mit Radiatoren. „Wir sind selbst gespannt, wie es funktioniert“, sagte Allbau-Chef Dirk Miklikowski, als er die Pläne öffentlich machte.
Hausbesitzer, die in einigen Jahren vor der Frage stehen, was sie mit ihrer alten Heizung machen, dürften nicht minder gespannt sein – und bis es so weit ist, hoffen dass der Brenner im Keller nicht versagt.