Essen. Dem Hauseigentümer droht mit der Reform eine deutlich höhere Grundsteuer. Verlierer seien die Mieter, beklagt er und will Widerspruch einlegen.

Die Essener lassen sich bei der Grundsteuererklärung Zeit. Noch nicht einmal die Hälfte derjenigen, die ihre Daten im Zuge der Grundsteuerreform ans Finanzamt schicken müssen, haben das bislang getan. Nicht so Jürgen Peter Kleinert. Der Besitzer von elf Mehrfamilienhäusern in Essen hat seine Grundsteuererklärung zügig abgegeben. Vor wenigen Tagen lagen die Bescheide des Finanzamtes in seinem Briefkasten.

Der Inhalt hat den 63-Jährigen jedoch fassungslos gemacht: Der jeweilige Messbetrag liegt für alle Häuser teils deutlich über den bisherigen. Um die Grundsteuer zu berechnen, muss dieser Messbetrag mit dem Hebesatz der Kommune multipliziert werden. Für Kleinert heißt das: Bleibt der Hebesatz der Stadt Essen so hoch wie heute, dann müsste Kleinert für seine Häuser ab dem Jahr 2025 im Schnitt rund 60 bis 70 Prozent mehr Steuern zahlen. In einigen Fällen sogar über 80 Prozent mehr.

Höhere Grundsteuer trifft letztlich Mieter

Nun könnte sich Kleinert zwar als Vermieter zurücklehnen, da er nach aktuellem Stand die höheren Steuern auf seine Mieter und Mieterinnen komplett umlegen darf. Doch genau das ist der Punkt, warum ihn die neuen Bescheide umtreiben. „Ich habe immer auf günstige Mieten geachtet, um meine Mieter nicht zu überfordern“, sagt er. In seinen Häusern würden auch viele alleinstehende Rentnerinnen leben, die dort schon Jahre wohnen und es eben nicht so üppig haben.

Bei der Prüfung der Bescheide ist Jürgen Peter Kleinert die Berechnung sauer aufgestoßen. Denn bei der Ermittlung des Messbetrages wird das sogenannte Ertragswertverfahren angewendet. Dabei werden unter anderem die Nettokaltmieten als ein Parameter für die Bewertung der Immobilie einbezogen.

Für seine Wohnungen beispielsweise in der Goldschmidtstraße und der Gerlingstraße im Ostviertel verlangt Kleinert im Schnitt rund sechs Euro Miete pro Quadratmeter. Das aber interessiert das Finanzamt nicht. Denn der Gesetzgeber hat für die Neufestsetzung der Grundsteuer eine Tabelle mit pauschalen Mieten festgelegt. Diese unterscheidet nur nach Bundesland, Baujahrklassen und Wohnungsgrößen. Es ist in diesem Punkt also egal, ob Kleinerts Häuser im Ostviertel, in Karnap, Rüttenscheid oder Bredeney stehen.

Steuerzahlerbund: Mieten sind bei der Berechnung zu pauschal angesetzt

Das Finanzamt legt für Kleinerts Häuser somit knapp neun Euro Miete zugrunde. „Mieten, die ich in meinen Häusern nie im Leben erzielen kann“, erbost sich der Essener. Die Häuser seien mit dieser pauschalen Miete viel zu hoch bewertet.

Mit seinem Ärger ist er nicht allein. „Das ist kein Einzelfall“, bestätigt Hans-Ulrich Liebern vom Bund der Steuerzahler in NRW. „Das Modell kann zu Ergebnissen führen, die nicht realistisch sind. Deshalb gehen wir als Bund der Steuerzahler juristisch dagegen vor“, betont der Steuerexperte. Auch er findet: Die Miettabelle ist zu pauschal.

Allerdings ist es je nach Alter der Immobilie sehr unterschiedlich, wie groß der Einfluss der Mieten auf die Grundsteuer-Berechnung ist. Bei älteren Gebäuden sei er eher kleiner als bei jüngeren Häusern, so Liebern. Denn neben den Mieten ist auch der Wert von Grund- und Boden der Immobilie entscheidend.

Hebesatz der Stadt für Grundsteuer letztlich ausschlaggebend

Ob Jürgen Peter Kleinert bzw. seine Mieter ab 2025 tatsächlich höhere Grundsteuern zahlen müssen, ist allerdings noch längst nicht ausgemacht. Noch läuft die Datenerhebung bei den Finanzämtern. Bis Ende Januar 2023 haben Immobilieneigentümer in Essen Zeit, ihre Erklärung abzugeben. Von knapp 166.000 haben dies bis Mitte dieser Woche erst 64.300 getan. Und erst ein Teil davon hat den Bescheid bereits bekommen. Darunter seien auch viele, die nach heutigem Stand weniger Steuern zahlen müssten, sagt eine Steuerberaterin, die namentlich nicht genannt werden will.

Wer letztlich zu den Gewinnern oder Verlierern der Grundsteuerreform zählt, ist aber längst noch nicht ausgemacht. Entscheidend wird sein, wie hoch die Stadt Essen den Hebesatz ab 2025 festlegt. Derzeit liegt er bei 670 Prozent. Klar ist nur: Die Stadt soll durch die Neuberechnung der Grundsteuer nicht mehr, aber auch nicht weniger Geld einnehmen. Welcher Hebesatz dies erfüllt - bleibt abzuwarten.

Solange hat Jürgen Peter Kleinert allerdings nicht Zeit. Denn die Einspruchsfrist für die Bescheide des Finanzamtes beträgt nur vier Wochen. „Ich werde gegen alle Widerspruch einlegen“, kündigt er an. Bleibt es künftig bei der derzeitigen Berechnungsmethodik, „dann sind die Mieter die Verlierer“.

Hilfen für die Grundsteuererklärung

Die digitale Info-Plattform der Finanzverwaltung www.grundsteuer.nrw.de unterstützt Eigentümer mit Erklär-Videos zum Grundsteuerportal, Klick-für-Klick-Anleitungen zu Elster und Check-Listen für die Zusammenstellung der Daten für die Feststellungserklärung. Zudem finden Nutzer ein FAQ mit Antworten auf die häufigsten Fragen.

Praktische Hinweise für die Erstellung der Grundsteuerklärung geben die Essener Finanzämter unter folgender Rufnummer: 0201 1894-1959. Die Hotline ist Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr erreichbar.