Essen-Stoppenberg. Das St. Vincenz-Krankenhaus in Essen-Stoppenberg ist geschlossen. Doch bald sollen bestimmte Patienten wieder aufgenommen werden.

  • Im ehemaligen St. Vincenz-Krankenhaus in Essen-Stoppenberg soll im kommenden Jahr eine Stadtteilklinik eröffnen.
  • Die Einrichtung versteht sich als Brücke zwischen der ambulanten Versorgung durch niedergelassene Ärzte und der stationären Versorgung in einem großen Krankenhaus.
  • Das Konzept ist eine Ergänzung zum bisherigen Angebot der Gesundheitsversorgung und soll die derzeit oft überfüllten Notaufnahmen entlasten.

Das ehemalige St.-Vincenz-Krankenhaus in Essen-Stoppenberg soll bald in Form einer Stadtteilklinik wieder Patienten aufnehmen. Und zwar unter anderem jene, die nicht notfallmäßig behandlungsbedürftig sind, deren Situation aber dennoch stationär überprüft werden muss. Gemeint sind auch Essener und Essenerinnen, die den Notruf wählen, obwohl gar kein echter Notfall vorliegt. Nach Angaben des Essener Institute for Health Care Business (hcb) sind das 40 Prozent der Fälle. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur geplanten Stadtteilklinik.

Was bietet die neue Einrichtung?

Vorgesehen sind eine stationäre, allgemeinmedizinische Versorgung (StatAMed) inklusive Diagnostik und ambulante Operationen, ambulante Facharztpraxen, eine Hebammenpraxis sowie gegebenenfalls Kurzzeitpflege. 25 Betten sollen zur Verfügung stehen. Die externe Vernetzung – etwa zu niedergelassenen Ärzten im Bezirk, anderen Kliniken, den Gesundheitskiosken sowie bestehenden Angeboten für Kinder, Familien und Senioren sei nach Angaben von hcb-Geschäftsführerin Michaela Lemm ebenso wichtig wie die Digitalisierung.

Menschen im Essener Norden wählen öfter den Notruf

Wer ist die Zielgruppe?

Aus dem hcb-Konzept, das im Auftrag der Stadt erstellt wurde, geht hervor, dass der demografische Wandel auch vor dem Essener Norden nicht abbremst. Bis 2030 wird eine deutliche Zunahme der 65- bis 74-Jährigen erwartet. Im Verhältnis zur gesamten Stadt Essen gebe es gleichzeitig weniger Altenpflegeplätze und weniger Reha-Angebote. Eine Folge sei, dass die Menschen im Norden öfter den Notruf wählen. Insbesondere für ältere und mehrfach erkrankte Patientinnen und Patienten soll mit der Stadtteilklinik eine wohnortnahe Behandlung möglich sein.

Beim Blick auf die Jüngeren heißt es im Konzept: „Die Versorgung wird bisher als nicht ausreichend bewertet.“ Die Geburtenrate im Essener Norden liege über und das Alter der Mütter unter dem Essener Durchschnitt. Auch der Anteil von Schulanfängern und Schulanfängerinnen mit Gesundheitsstörungen sei höher als im Essener Durchschnitt.

Ende 2020 wurde das St. Vincenz-Krankenhaus in Essen-Stoppenberg unter großem Protest der Bürger und Bürgerinnen im Essener Norden geschlossen.
Ende 2020 wurde das St. Vincenz-Krankenhaus in Essen-Stoppenberg unter großem Protest der Bürger und Bürgerinnen im Essener Norden geschlossen. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Wie ist der konkrete Ablauf im Fall einer Behandlung?

Dafür gibt es verschiedene Szenarien. Michaela Lemm erklärt, ein Hausarzt könne beispielsweise bei einem Hausbesuch einer 84-Jährigen merken, dass diese Patientin drei bis vier Tage stationär stabilisiert werden müsste, eine Komplettdiagnostik sei aber unnötig. Dafür sei die Stadtteilklinik der perfekte Ort.

Mitarbeiter im Notdienst sollen zudem entsprechend geschult werden, damit sie einschätzen können, welche Patienten und Patientinnen sie nach Stoppenberg bringen können. Nach Angaben von Michaela Lemm ergebe sich das unter anderem durch die Möglichkeiten vor Ort: Röntgen, Labor und Endoskopie soll dort möglich sein, ein CT aber beispielsweise nicht. Eine Lungenentzündung könne demnach in der Stadtteilklinik behandelt werden, ein Notfall mit intensivmedizinischer Betreuung nicht.

Stationärer Aufenthalt in Essener Stadtteilklinik für drei bis fünf Tage

Wie lange soll der stationäre Aufenthalt dauern?

Im besten Fall werden die Patienten und Patientinnen laut hcb vom Haus- oder Facharzt drei Tage vor dem stationären Aufenthalt angemeldet und es wird geplant, was zu tun ist und was die Behandlungsziele sind. Im Anschluss sollen sie drei bis fünf Tage stationär behandelt werden. Während dieser Zeit werden auch die weiteren medizinischen und pflegerischen Bedürfnisse der Patienten und Patientinnen nach der Entlassung ermittelt, mit den Angehörigen und Ärzten besprochen sowie erste Schritte eingeleitet. Eine Verlegung in eines der Akut-Krankenhäuser soll jederzeit möglich sein.

Was passiert nach dem stationären Aufenthalt in der Stadtteilklinik?

28 Tage lang sollen die Patienten und Patientinnen von einer sogenannten Flying Nurse (fliegende Krankenschwester/Krankenpfleger) und einem Gesundheitslotsen begleitet werden. Diese sollen Hausbesuche machen, Hilfsmittel zur Verfügung stellen und Termine bei Ärzten und Ärztinnen einstielen. Michaela Lemm: „Dadurch soll es deutlich weniger Wiederaufnahmen ins Krankenhaus geben, als es bisher der Fall ist.“

Kann man unangemeldet dorthin?

Nein, die Aufnahme erfolgt nur nach Rücksprache mit Haus oder Fachärzten beziehungsweise dem Rettungsdienst. Es gibt keine klassische Notaufnahme. Es wird auch keine Notfallpraxis im Essener Norden geben, geplant ist aber eine Hausarztpraxis mit erweiterten Öffnungszeiten.

Stadtteilklinik in Essen-Stoppenberg soll im April 2024 Patienten aufnehmen

Wann soll es losgehen?

Im Juli dieses Jahres soll die zu gründende Betreibergesellschaft mit der Stadtteilklinik Stoppenberg starten, im April kommenden Jahres sollen erste Patientinnen und Patienten behandelt werden können. Dafür, so Gesundheitsdezernent Peter Renzel, seien nun detaillierte Planungen für ein Raumkonzept in dem ehemaligen St. Vincenz-Krankenhaus notwendig.

Bleibt das Gebäude des ehemaligen St-Vincenz-Krankenhaus erhalten?

Das Hauptgebäude des ehemaligen Krankenhauses soll erhalten bleiben und zukünftig wieder für eine ambulante und stationäre Versorgung zur Verfügung stehen. Darüber hinaus, so Ordnungsdezernent Christian Kromberg, bleibe auch die Rettungswache am damaligen St. Vincenz-Krankenhaus bestehen. Dort werden weiterhin ein Rettungswagen der Feuerwehr sowie ein Notfalleinsatzfahrzeug ihren Standort haben. Die Planungen für das medizinische Angebot in der Stadtteilklinik werden eng mit dem Ärztenetzwerk vor Ort erarbeitet.

Gibt es irgendwo ein ähnliches Konzept?

In Hamburg wird ebenfalls eine Stadtteilklinik nach diesem Konzept betrieben. Infos unter www.stadtteilklinik-hamburg.de

Stadtteilklinik soll Ergänzung zum bisherigen Angebot in Essen sein

Wer betreibt die Stadtteilklinik?

Betrieben wird die Stadtteilklinik durch die St. Augustinus GmbH Gelsenkirchen. Sowohl das Ärztenetzwerk Essen Nord-West e.V. sowie auch die Stadt Essen werden eine Minderheitsbeteiligung haben. Der Bund fördert das Projekt. Darüber hinaus wird die Finanzierung über die Leistungsvergütungen durch die Kostenträger sichergestellt.

Stadt und Contilia haben außerdem den Verkauf des Grundstücks vorbereitet. Die notarielle Beurkundung kann erst erfolgen, wenn der Contilia GmbH der Bewilligungsbescheid über die Mittel aus dem Krankenhausstrukturfonds für die Erneuerung und Weiterentwicklung des Katholisches Klinikum- Philippusstift vorliegt. Das NRW-Gesundheitsministerium geht von einer Bewilligung im ersten Quartal 2023 aus.

Wie will die Stadt erklären, dass es kein abgespecktes Krankenhaus, eine Klinik light ist?

Die Einrichtung versteht sich als Brücke zwischen der ambulanten Versorgung durch niedergelassene Ärzte und der stationären Versorgung in einem großen Krankenhaus. Das Konzept ist eine Ergänzung zum bisherigen Angebot der Gesundheitsversorgung und soll die derzeit oft überfüllten Notaufnahmen entlasten. Die Stadt erklärt: „Das Konzept ergänzt die lokalen medizinischen Angebote und ist darauf ausgelegt Doppelstrukturen zu vermeiden.“ Gemeinsam mit den Beteiligten solle ein modernes Versorgungskonzept und ein Plus an Versorgungssicherheit im Essener Norden auf den Weg gebracht werden. Die Stadtverwaltung sieht in der Stadtteilklinik einen innovativen Ansatz einer wohnortnahen Medizinversorgung.

Essener Norden soll wieder zwei Rettungswachen bekommen

Für die Stadt Essen wird ein neuer Bedarfsplan für den Rettungsdienst aufgestellt. Dabei soll nach Angaben von Ordnungsdezernent Christian Kromberg die Schließung der beiden Krankenhäuser im Norden berücksichtigt werden.

Die Rettungswache am St. Vincenz-Krankenhaus soll bestehen bleiben und am Marienhospital an der Johanniskirchstraße soll auch wieder eine mit einem Rettungswagen und einem Notarzt errichtet werden. Ordnungsdezernent Christian Kromberg: „Wir müssen Patienten im Moment zum Teil weit transportieren, dadurch verlieren wir Zeit.“ Gleichzeitig würden Rettungsmittel in Anspruch genommen, obwohl das nicht unbedingt nötig sei. Kromberg rechnet mit einer Entscheidung vor den Sommerferien.

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