Essen-Stoppenberg. Der Essener Architekt Andreas Wolf will eine Debatte über den Erhalt des St. Vincenz-Krankenhaus anstoßen. Warum das Gebäude erhaltenswert sei.
Im OP-Saal wird nicht mehr operiert, die Patientenzimmer sind verwaist, seit Dezember 2020 ist das St. Vincenz-Krankenhaus geschlossen. Nun könnte der Ziegelsteinbau wiederbelebt werden, um Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Bis zu 200 Personen könnten untergebracht werden. Zumindest vorübergehend. Denn eigentlich ist der Abriss beschlossene Sache.
Ginge es nach Andreas Wolf, dann müsste es so weit gar nicht kommen. Der Essener Architekt hält das ehemalige St. Vincenz-Krankenhaus für erhaltenswert. Das gilt nicht für das komplette Gebäude, die später errichteten Anbauten seien verzichtbar. Der Altbau aber hat es ihm angetan.
In Essen gebe es zu wenige Gebäude, an denen sich das Auge festhalten könne
„Risse kann ich nicht erkennen“, sagt Wolf, als er den Blick über die Front des Gebäudes schweifen lässt. Solange das Mauerwerk nicht durch Schwamm oder Schimmel geschädigt sei, sollte man es nicht abreißen, findet der Essener.
Von innen gesehen hat Wolf St. Vincenz noch nicht. Um sich ein genaueres Bild vom Zustand des Gebäudes zu machen, „müsste man in den Keller gehen“. Aus langjähriger Berufserfahrung weiß der Architekt: „Auch nasse Keller kann man trocken legen.“
Andreas Wolf möchte am Beispiel von St. Vincenz eine Diskussion anstoßen über den Umgang mit Architektur in dieser Stadt. Das 1886 eröffnete Krankenhaus sei prägend für das Wohnumfeld. An der Fassade könne sich das Auge festhalten, das Leben spiegele sich darin wieder. „Davon haben wir in Essen viel zu wenig“, bedauert Wolf. Stattdessen entstünden immer mehr uniforme und gesichtslose Bauten, über die man hinwegsehe, weil es nichts gebe, an dem man sich festhalten könnte.
Auch Andreas Wolf erinnert an das alte Rathaus, dem viele Essenerinnen und Essener bis heute nachtrauern. Das 1878 im neugotischen Stil errichtete Rathaus in der Innenstadt wurde 1964 abgerissen. Der Kaufhauskonzern Wertheim errichtete an der Kettwiger Straße an gleicher Stelle einen seelenlosen Klotz.
Viele Essenerinnen und Essener trauen bis heute dem alten Rathaus nach
Dass das alte Rathaus während des Zweiten Weltkrieges durch Fliegerbomben schwer getroffen und teilweise zerstört worden war, wird im Rückblick gerne ausgeblendet. In Erinnerung geblieben sind vor allem der Rathausturm und die schmucke Fassade.
Das St. Vincenz-Krankenhaus wirkt dagegen bescheiden. Unter Denkmalschutz steht es nicht, dafür wurde es im Laufe seiner Geschichte baulich zu stark verändert. Und doch wäre es schade, sollte es tatsächlich abgerissen werden, meint Andreas Wolf. „Man könnte Wohnungen daraus machen“, schlägt der Architekt vor. Wohl wissend, dass ein Umbau aufwendiger und teurer ist: „Man braucht einen Bauherrn, der sagt: Ich gebe einen Euro mehr aus.“
Natürlich sei es einfacher, das Gebäude niederzulegen und neu zu bauen. „Der Allbau macht es sich aber zu leicht“, kritisiert Wolf.
Die städtisch beherrschte Wohnungsgesellschaft hat sich mit Contilia, dem Eigentümer des Krankenhauses, auf einen „Letter of Intent“ verständigt. Der Allbau würde das Grundstück mit dem darauf stehenden Krankenhaus kaufen. Die Absichtserklärung wurde Ende März um weitere drei Monate verlängert, um Pläne für Abriss und Neubau zu konkretisieren, so Allbau-Chef Dirk Miklikowski.
Der Allbau will bis 2026/2027 auf dem Krankenhaus-Grundstück neu bauen
Ein städtebaulicher Rahmenplan sieht für das Grundstück eine gemischte Nutzung vor. Ein Gesundheitszentrum soll dort entstehen, dazu Wohnungen und Betreuungsangebote wie Tagespflege und altengerechtes Wohnen. Näheres legt der Bebauungsplan fest, den die Stadt, wie Miklikowski hofft, noch in diesem Jahr auf den Weg bringen wird.
Läuft alles glatt, könnte der Allbau 2024 mit den Bauarbeiten beginnen. Mindestens zwei Jahre würden dann noch vergehen, bis die neuen Gebäude bezogen werden können, schätzt der Allbau-Chef.
Das St. Vincenz-Krankenhaus
Das St. Vincenz-Krankenhaus in Stoppenberg wurde ab 1881 geplant und 1886 eröffnet. Es diente allen voran der Behandlung einer wachsenden Zahl an Lungenkranken und Verletzten aus dem Bergbau. Die medizinische Versorgung war anfangs sogar kostenlos. In den folgenden Jahren wurde das Krankenhaus mehrmals umgebaut und erweitert. Im Zweiten Weltkrieg wurde es zerstört und nach Kriegsende wieder aufgebaut. Zuletzt zählte es zum Katholischen Klinikum Essen. Ende 2020 wurde das Krankenhaus geschlossen.
Von dem Vorschlag, die historischen Teile des Krankenhauses zu erhalten und für neue Zwecke umzubauen, zeigt sich Miklikowski überrascht: „Es ist aus unserer Sicht nichts Erhaltenswertes da. Das muss alles abgerissen werden.“
Miklikowski räumt ein, dass es auch darum gehe, die „Wirtschaftlichkeit im Auge zu behalten“. Auch wenn es derzeit noch zu früh sei, ein Investitionsvolumen zu benennen. Natürlich gelte es städtebauliche Ansprüche zu erfüllen, sagt der Allbau-Geschäftsführer und verspricht, die Neubauten würden Stoppenberg beleben. „Da kann man etwas von uns erwarten.“