Essen-Nordviertel. Viele Kinder kommen morgens mit leerem Magen zur Schule. An elf Essener Schulen bietet der Verein Brotzeit ein Frühstück an. So läuft das ab.
Das Nordviertel ist der Stadtteil in Essen mit der höchsten Kinderarmut. Das führt unter anderem dazu, dass Kinder mit leerem Magen, ohne Frühstück zur Schule kommen. Mit dem Brotzeit-Projekt an der Nordviertelschule hat sich das seit ein paar Wochen geändert. Jeden Morgen treffen sich jetzt bis zu 90 der rund 400 Grundschüler, um gemeinsam zu frühstücken. „So viele Kinder nehmen an keiner anderen der elf beteiligten Essener Schulen teil“, erklärt die örtliche Projektleiterin Vera Eckardt.
Drei ehrenamtliche Brotzeit-Helfer bereiten das Frühstück in der Nordviertelschule zu
Das Frühstück wird von einem Team ehrenamtlicher Helfer zubereitet und verteilt. Roland Beckmann ist einer von ihnen: „Es hat mich sehr nachdenklich gestimmt, dass die Kinder ohne Frühstück aus dem Haus gehen“, erklärt der 63-Jährige und steckt Toast in den Toaster. Zusammen mit zwei weiteren Seniorinnen bereitet er jeden Morgen Brote, Toast, Gemüse, Müsli und Getränke vor. „Dafür komme ich gerne um 6.30 Uhr hierher.“
Die Schwestern Rimaz und Lilas gehören zu den ersten, die sich ihr Frühstück abholen. Es geht jetzt am frühen Morgen nicht nur darum, die Bäuche zu füllen, sondern die Kinder dürfen Zeit miteinander verbringen, Freunde treffen, quatschen und auch lernen, wie man eigentlich ein Brot schmiert: „Manche wissen das gar nicht“, erklärt Brotzeit-Projektleiterin Claudia Stappert. Zwischen 7.15 Uhr und 8.10 Uhr können sich die Kinder hier richtig satt essen. „Danach kommen noch die Schüler und Schülerinnen, die keine Brotdose mit dabei haben“, erklärt Schulleiterin Rabea Hepke. An der Nordviertelschule sind ihre Kolleginnen dafür sensibilisiert. Früher hätten sie für solche Fälle oft ein Paket Knäckebrot in der Klasse gehabt. Jetzt könnten sie die Schüler noch schnell zur Brotzeit schicken.
75 Prozent der Eltern beziehen Leistungen aus Bildungs- und Teilhabepaket
„Die Kinder genießen das“, sagt Hepke, die weiß, dass manche vorher mit leerem Magen auf dem Schulhof standen, weil die Eltern früh zur Arbeit müssen. 75 Prozent der Eltern seien Bezieher des Bildungs- und Teilhabepakets, das zeige den Bedarf für solche Aktionen. Und Hepke benennt einen weiteren Vorteil: „So kommen die Kinder auch pünktlich zur Schule.“ Auch das sei vorher keine Selbstverständlichkeit gewesen.
Auch die siebenjährige Rimaz ist am Freitag pünktlich. Sie erzählt, dass sie sich morgens alleine für die Schule fertig macht, während ihre Eltern noch schlafen. Bis vor einigen Wochen hat sie nicht gefrühstückt: „Ich habe mich nur angezogen, habe mir die Haare gemacht und bin dann mit meiner Schwester losgefahren“, erzählt die Zweitklässlerin, die mit dem Fahrrad zur Schule kommt. Jetzt steht sie immer eine halbe Stunde eher auf und geht als erstes in den Frühstücksraum. Toast mit Salami mag sie am liebsten, dazu einen Kakao.
Brotzeit-Projekt wird über Fördermittel des Landes finanziert
Elf Schulen im Brotzeit-Projekt
In Essen nehmen elf Schulen am Brotzeit-Projekt teil: Maria-Kunigunda-Schule, Hövelschule, Zollvereinschule, Hüttmannschule, Bodelschwinghschule, Bischof-von-Ketteler-Schule, Schule am Steeler Tor, Schule im Bergmannsfeld, Schule am Morungenweg, Joachimschule, Nordviertelschule.
Der Verein Brotzeit übernimmt die Kosten für die Erstausstattung (Geschirr, Kühlschrank, Gefrierschrank, Wasserkocher, Toaster). Möglich machen das eine Förderung durch das Land NRW und Spenden. Das Land übernimmt auch die Aufwandsentschädigung (7 Euro die Stunde) für die ehrenamtlichen Helfer. Das Projekt ist nicht zeitgebunden.
Der Verein wurde 2009 von der Schauspielerin Uschi Glas gegründet. Er organisiert ein kostenloses Frühstück vor Unterrichtsbeginn. „Ein Frühstück fördert die Motivation und das Lernvermögen der Kinder und wirkt sich positiv auf das Sozialverhalten aus“, erklärt Projektleiterin Vera Eckardt.
Der deutschlandweit aktive Verein ist seit 2013 in NRW im Einsatz. 224 Helfer versorgen an 47 Schulen 2040 Kinder.
Interessierte Schulen und ehrenamtliche Helfer können sichVera Eckardt melden unter 0176 5773 1104 oder per E-Mail an eckardt@brotzeit.schule.
Finanziert wird das Projekt über Fördermittel des Landes. Die Familien müssen nichts bezahlen, es gibt auch keine Anmeldung und keine Abfrage. Alle sind willkommen. Das Essen wird von Lidl gespendet. Brotzeit-Helferin Barbara Lauterwald kommt mit einer Schüssel klein geschnittener Äpfel und Gurken an den Holztisch und verteilt noch ein paar Vitamine. „Meine Freunde kommen auch immer hierher und dann können wir noch reden“, sagt Rimaz und strahlt.
Auch Oberbürgermeister Thomas Kufen ist am Freitag mit dabei und genießt die schöne Atmosphäre am Morgen. „Es geht hier nicht nur um das Frühstück“, erklärt er. Das Brotzeit-Projekt sei ein erweitertes Angebot von Schule. Kufen hebt hervor, dass sich hier mehrere Generationen treffen und auch Senioren und Seniorinnen eine tolle Aufgabe finden.